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Händels „Ottone“ in Karlsruhe: Ach, wie traurig ist dies alles und wie schön

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Adelberto wie immer am Boden zerstört neben seiner Mutter, hinten: Matilda. Felix Grünschloß
Adelberto wie immer am Boden zerstört neben seiner Mutter, hinten: Matilda. Felix Grünschloß © Felix Grünschloss

Die Karlsruher Händel-Festspiele beleben geschmackssicher und hingebungsvoll die Händel-Rarität „Ottone, Re di Germania“.

Die Karlsruher Händel-Festspiele gibt es einfach, weil Karlsruher und gewiss ebenso Karlsruherinnen sie wollten. Georg Friedrich Händel selbst, 30 Jahre älter als die Stadt, was auch nicht die Regel ist im Verhältnis zwischen Mensch und Stadt, war nie hier, das kümmert jedoch zu Recht niemanden.

Seit 1978 und nun zum 45. Mal werden hier Schmuckstücke ausgegraben, diesmal die Oper „Ottone, Re di Germania“ in einer gutaussehenden Inszenierung von Carlos Wagner in starker Ausstattung von Christophe Ouvrard. „Ottone“, 1723 in London uraufgeführt, kommt ohne Zauberei und Spektakel aus, auch ist die Handlung trotz der Titelpartie für den jugendlichen Otto II. nicht staatstragend. Liebesleid und Jammerei dominieren das Geschehen und die Musik, es ist eine Freude, wie schön und subtil gewitzt Wagner das aufnimmt – wenn beispielsweise der grandiose Countertenor Raffaele Pe als Adelberto beim Singen nur so über die Bühne kullert, von Gram und Erfolglosigkeit allenthalben niedergestreckt.

Adelbertos Mutter Gismonda ist historisch die Witwe des langobardischen Herrschers Berengar I., für die Oper ist nur wichtig, dass sie ihren Sohn auf Italiens Thron hieven will, indem sie dem ottonischen Konkurrenten die hocharistokratische Verlobte Teofane wegschnappt.

Ab hier regiert nicht mehr die Staatsräson, sondern die pure Leidenschaft. Das Leiden, namentlich, da „Ottone, Re di Germania“ auch eine Geschichte der ständig scheiternden Pläne ist. Teofane schmachtet, weil sie sich ihren Verlobten (zu Recht) ganz anders vorgestellt hatte – hierzu gehört ihr berühmt gewordenes Auftrittslied „Falsa immagine“. Adelberto schmachtet, weil seine Mutter ihn unter Druck setzt, Teofane ihn nicht will, und er nicht nur als Liebhaber, sondern auch als Soldat zu zart für diese Welt ist – schon hat Ottone ihn gefangengenommen. Ottone schmachtet, weil er seine Verlobte nicht stante pede, sondern erst nach einem Weilchen befreien kann. Gismonda schmachtet, weil nichts klappt. Matilda schmachtet, weil Adelberto sich ihr gegenüber unmöglich verhält. Aber wer ist Matilda? Es genügt zu wissen, dass sie Adelberto abwechselnd töten und retten will. Außerdem gibt es einen Piraten, der sich Emireno nennt, unter falscher Flagge segelt und als Bass keineswegs der schmachtende Typus ist. Wenn Emireno auf die Bühne kommt, dann fliegen die Fetzen.

Wagner und Ouvrard arbeiten unaufdringlich und festlich mit unterschiedlichen Ebenen und optischen Signalen. Die Bühne hat vor einem urgewaltigen Ozeanvideo drei Etagen, antike Bruchstücke liegen herum, oben warten zwei Throne (vergeblich). Für das Personal ist es ein Auf und Ab. Gismonda und Adelberto sind herrlich verstaubte Barockfiguren, vielleicht schon Barockgespenster, jedenfalls kalkweiß. Ottone und Matilda rufen in braunem Leder und dunklem Taft die Helden und Heroinen der Oper des 19. Jahrhunderts auf. Teofana und Emireno in leicht karnevalistischer Exotik sind Fremde hier (nachher erweisen sie sich sogar als Geschwister, die Handlung hat es in sich, schwer zu sagen, ob man im London des 18. Jahrhunderts in kontinentaler Königsgeschichte so firm war, dass man den Vorgängen folgen konnte).

Besonders schön ist aber, wie fein und leicht sich Wagners Bewegungssprache gestaltet. Barockopern und ihre oft und auch hier behände agierenden Vertreterinnen und Vertreter sind dazu geeignet, überkandidelte Szenarien zu entwerfen. In Karlsruhe bleibt alles dezent. Ein Raum für den schönen Jammer, große Gesten, feine Mimik und das maßvolle, aber von Wagner nicht ernstlich in Frage gestellte Happyend.

Carlo Ipata lenkt die Deutschen Händel-Solisten, die für die Festspiele antretende Spezialistencombo, die einen detail- und farbreichen, den Sängern und Sängerinnen gegenüber rücksichtsvollen Klang bieten. Zu Pes prachtvollem Adelberto-Alt kommt Yuriy Mynenkos Ottone als zweite große Counterpartie, Hohe Männerstimmen können gegenüber den Frauen nicht immer so gut mithalten wie hier. Sopranistin Lucía Martín-Cartón ist die silbrig singende liebliche Teofane, Lena Belkina der temperamentvolle Mezzo Gismonda, Sonia Prina gibt der Matilda eine eher lichte Altstimme. Außer Konkurrenz zwischen den fein abgestimmten hellen Klangfarben dreht der Bass Nathanaël Tavernier seine Runden.

Staatstheater Karlsruhe: Händel- Festspiele bis zum 3. März. „Ottone“ am 26. Februar, 1., 3. März. www.staatstheater-karlsruhe.de

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