Aufblühend und gefasst: Étienne Dupuis als Eugen Onegin und Nicole Car als Tatjana.

Foto: Michael Pöhn / Staatsoper

Da sind sie wieder, die Verwahrungsboxen für die zwei Tatjanas von Dmitri Tcherniakov. Für ihre Jugendausgabe, das schüchterne Landei, ist zwei lähmende Stunden lang dezente Speisesaaleleganz in Beigetönen angesagt; für Tatjanas frühes Mittelalter, also die souveräne Fürstin, glatter Luxushotelprunk.

Gott, wie öd. Man bekommt irgendwann Atemnot bei dieser optischen Monotonie und sehnt sich nach Divertissement fürs Auge, nach sommerlichen Gärten, intimen Zimmern, Mühlen im Winter … Gehören Einheitsbühnenbilder verboten? Ja.

Eine Céline Dion der Oper

Nicole Car kennt das dröge Ambiente auch schon, seit der Wien-Premiere der weitgereisten Inszenierung im Oktober 2020. Nach der sportlich-energischen Tatjana von Asmik Grigorian 2021 agiert die australische Sopranistin in der aktuellen Serie darstellerisch gefasster. Über satte Stimmpower und Einfühlsamkeit verfügt Car aber auch: eine Céline Dion der Oper.

Étienne Dupuis gibt den Herzensbrecher Eugen Onegin erst als steifen Langweiler (auch stimmlich), blüht aber in der letzten Szene (im Rahmen seiner vokalen Möglichkeiten) auf. Bis zu seiner großen Arie singt Iván Ayón Rivas (Hausdebüt) einen Lenski wie von der Hinterbühne, kurz vor seinem gewaltsamen Exitus zaubert der Peruaner plötzlich. Dimitry Ivashchenkos Gremin ist ein gepflegter Allerweltsfürst, rund Maria Barakovas Olga.

Tomáš Hanus fährt mit dem Staatsopernorchester Stop-and-go: bedächtig bis behäbig in der ersten Szene, in der zweiten leidenschaftlich, in der vierten beides nacheinander. Die Cellogruppe hat schon mal kompakter und glanzvoller geklungen. Fulminant der Staatsopernchor zu Beginn, dann wurde es wackeliger. Jubel im vollen Haus nach dreieinhalb Stunden vielfachen Leids. (Stefan Ender, 16.3.2023)