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„Die tote Stadt“ in Düsseldorf – Die Tote steht wirklich auf

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„Die tote Stadt“ an der Oper am Rhein in Düsseldort: Brigitta und Paul in der finsteren Stadt. Foto: Sandra Then
„Die tote Stadt“ an der Oper am Rhein in Düsseldort: Brigitta und Paul in der finsteren Stadt. Foto: Sandra Then © Sandra Then

Daniel Kramer erzählt Korngolds Oper „Die tote Stadt“ in Düsseldorf als veritable Gespenstergeschichte.

Eine fast schon unvergleichlich erfolgreiche Rückkehr ins Repertoire ist Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die tote Stadt“ gelungen. Der 23 Jahre alte österreichisch-jüdische Komponist triumphierte (nicht nur) damit in den 20er Jahren. 1933 brach der NS-Antisemitismus den Erfolgszug ab, Korngold selbst war zum Glück schon vor dem Anschluss Österreichs in die USA gezogen, wo er eine rasante zweite Karriere als Filmkomponist machte. Das spricht für seine Filmmusik, nicht gegen seine Opern, beides hat Klasse, beides erschließt sich unmittelbar. Für den „Robin Hood“ gab es 1939 einen Oscar. Von der Publikumswirksamkeit der Opern kann man sich bei fast jeder Aufführung überzeugen.

Diesmal in Düsseldorf, wo allerdings auch ein fabelhafter Paul zu Verfügung steht. Corby Welch ist im Prinzip zu sehr Heldentenor, aber tatsächlich handelt es sich bei Paul um eine Art Tristan-Partie, in der zu viele Anforderungen auf einmal gestellt werden für einen einzelnen Menschen. Heldentenöre sind solchen Momenten der Musikgeschichte immer noch am besten gewachsen: Ja, Corby Welch schmettert, aber mit Geschmack, mit wunderschönen Höhen und langem Atem. An seiner Seite ist die aus Mainz und Frankfurt wohlbekannte Nadja Stefanoff eine gewitzt spielende Marietta, deren große, edle Stimme etwas schwerer geworden ist und sich bei den Spitzentönen auch schwerer tut. Das funktioniert aber gut, weil der glasigere Teil der meist in Personalunion gegebenen Marie-Partie in Düsseldorf an eine andere Sängerin geht. Mara Guseynova geistert über die Bühne und singt wie ein unheimlicher Engel.

Paul trauert seit Jahren um die jung verstorbene Marie. Er hat sich in Brügge (der „toten Stadt“) völlig zurückgezogen. Nun lernt er die Tänzerin Marietta kennen, die Marie aufs Haar gleicht. Das geht nicht gut, weil Marietta nicht Marie ist. Rasend vor Eifersucht tötet Paul erst seinen Freund Frank, dann Marietta, dann wacht er auf. Der opernabendlange Alptraum gibt ihm die Möglichkeit, nach vorne zu schauen.

Das ist nicht banal, das ist von einer Menschlichkeit, von der viele Opern ihrerseits nur träumen können. Im Verein mit Korngolds Musik, die neben der Süße eine herbe, kühne Tiefe hat, zeigt sich die Geschichte einer Trauer, die allerdings nicht jede Regie aushält. An der Komischen Oper Berlin kam Robert Carsen 2018 zu dem Schluss, Paul habe Marie getötet. Und auch US-Amerikaner Daniel Kramer misstraut dem Glück. Eine Badewanne und ein Rasiermesser deuten an, dass Marie sich das Leben genommen haben könnte. Maries Geist ist nun nicht nur fordernd, sondern geradezu renitent.

Denn Kramer erzählt eine veritable Gespenstergeschichte, und vor allem die dauerhafte Anwesenheit Maries, von Ausstatterin Marg Horwell herrlich als leidendes, tückisches Stummfilmgespenst ausgestattet, befördert diesen Eindruck. Wenn Stefanoff nachher die Sonne in Pauls finstere Brügger Wohnung lässt, verkümmert das Gespenst nach Vampirart, und für das Publikum wird klar, dass Paul sich das jedenfalls nicht alles nur einbildet. Da ist wirklich etwas. Marietta zuckt zusammen, wenn Marie sie würgen will. Paul selbst betätigt sich als Puppenbauer, Marie-Puppenbauer, was offenbar nicht sehr gut funktioniert. Gruselige Puppenteile, wohin das Auge blickt. Das ist abwechslungsreich, manchmal auch zu viel, und es füllt den psychologischen Abgrund der „Toten Stadt“ nicht gerade mit Tiefsinn auf.

Axel Kober dirigiert das blendend aufgelegte Orchester ohne Zuckerzusatz und mit Vehemenz. Der geschmeidige Bariton Emmett O’Hanlon ist Freund Frank, Anna Harvey mit dunkel timbriertem Mezzo die hier ungewöhnlich interessante Haushälterin Brigitta.

Auch die Oper am Rhein fängt an, mit Augmented-Reality-Brillen zu experimentieren, jeweils 30 Stück sind im Angebot. Wir können da nicht mitreden, noch nicht.

Oper am Rhein, Düsseldorf: 22. April, 4., 13., 18., 26. Mai – Duisburg-Premiere am 17. Juni. www.operamrhein.de

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