„Pigmalion“ von Jean-Philippe Rameau in Graz: Ein rares Barockjuwel am ungewöhnlichen Ort

Xl_pigmalion-graz-4-23-1 © Werner Kmetitsch

Der Bildhauer Pygmalion verliebt sich in seine selbst geschaffene Statue, die dann vom Liebesgott Amor zum Leben erweckt wird: Dieser antike Stoff hat seit Ovid große Anziehungskraft auf Künstler aller Sparten, wie Bildhauer, Maler, Schriftsteller und Komponisten ausgeübt. So auch auf Jean-Philippe Rameau, dem französischen Komponisten, neben Händel das wahrscheinlich größte musikdramatische Genie des Hochbarocks: „Pigmalion“ wurde von ihm als einaktige Ballettoper geschaffen und erlebte seit der Uraufführung 1748 in Paris nicht weniger als 200 dokumentierte Aufführungen. Jetzt wurde die heute eigentlich vergessene Rarität von der Oper Graz in Kooperation mit der Kunstuniversität Graz realisiert. „OpernKurzgenuss“ nennt sich diese schon seit Jahren erfolgreiche Reihe. Dabei findet man auch immer wieder ungewöhnliche Aufführungsorte, so wie diesmal das sogenannte „Schaumbad“, ein umfunktioniertes, freies Atelierhaus. Es ist ein kleiner, aber durchaus stimmiger Aufführungsort, ein weißer Raum, der mit zerknitterten Papierdekorationen ausgestattet wurde. Fast ausschließlich weiß sind auch die einfachen aber ästhetischen Kostüme (Elke Steffen-Kühnl), sodass man sich in der Fantasie prunke Barockkostüme dazu denken muss. In solche sind auch die Musikerinnen und Musiker gehüllt. Diese sind schon vor Beginn mit ihren Instrumenten wie Statuen in verschiedenen Positionen im ganzen Raum verteilt, bevor sie zu ihren Pulten schreiten.

Schwerpunkt des vom Komponisten als „Acte de ballet“ bezeichneten Werkes ist der Tanz, dessen feine Choreographie sowie auch insgesamt das Bühnengeschehen von Edith Lalonger erdacht wurde. In stilisierten Bewegungen und typisch barocken Gesten gelingt es den Sängerinnen und Tänzerinnen (drei Grazien) ihre Gefühle offenzulegen. Mario Lerchenberger von der Grazer Oper singt die Titelfigur mit schönem, hellem und höhensicherem Tenor. Auch die Sängerinnen Melis De­mi­ray (Statue), Tanja Klan­c­nik (L’Amour) und Ana­st­a­sia Kradénova (Céphise, Ehefrau von Pigmalion) singen klangschön und stilsicher, ebenso wie der junge Chor die Singschul‘ der Oper Graz. Ebenso stilecht, lebhaft und vitalsowie meist intonationsrein erlebt man das Ba­rock­or­ches­ter des In­sti­tuts für Alte Musik und Aufführungspraxis der Kunstuniversität unter dessen Leiterin, der Geigerin Su­san­ne Scholz.

Ein kurzer Abend aber ein großes Vergnügen!

Viel Beifall im vollen Saal!

Dr. Helmut Christian Mayer

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