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Die manipulierte Frau: „Luisa Miller“ am Gärtnerplatztheater

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Jennifer O’Loughlin
Eine gefühlsfeindliche, dunkle Männerwelt zeigt Regisseur Torsten Fischer in seinem klaren, konsequenten Kammerspiel. Jennifer O’Loughlin feierte mit der Titelrolle ihr Rollendebüt. © Jean-Marc Turmes

Eng am Text, offensive Personenführung und ein lautes Orchester: Das Gärtnerplatztheater zeigt Giuseppe Verdis „Luisa Miller“.

Die alte Frage, ob in der Oper nun Text oder Musik an erster Stelle steht, lässt sich im Fall von Giuseppe Verdi leicht beantworten. Dafür genügt ein Blick in die Briefwechsel mit seinen Librettisten, mit denen er über mögliche Sujets sinnierte und um dramaturgische Details feilschte. Bei der Wahl seiner Stoffe zählte dabei neben Shakespeare vor allem Schiller zu den wichtigen Inspirationsgebern. So etwa auch bei seiner „Kabale und Liebe“-Vertonung, die unter dem italienischen Titel „Luisa Miller“ nun am Gärtnerplatz Premiere hatte. Ein Kammerspiel, das gut in den intimen Rahmen des Hauses passt und in der ebenso klar wie konsequent durchgestellten Inszenierung von Torsten Fischer von der Nähe zum Publikum profitiert.

Im Gegensatz zum arg verkopften Konzept, das Claus Guth einst an der Bayerischen Staatsoper vorstellte, ist Fischer ein Mann, der sich eng am Text entlangtastet und mit seiner offensiven Personenführung vor allem in den Zweierszenen zwischen Luisa und den sie manipulierenden Männern punktet.

Karge Bühne mit kreisenden Wänden

Die karge, von Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos gestaltete Bühne wird dabei von kreisenden Wänden dominiert, auf denen ein Frauenporträt des belgischen Symbolisten Fernand Khnopff sehnsüchtig in die Ferne blickt. Und dies vervielfacht durch einen darüber schwebenden Spiegel, der Busby-Berkeley-Assoziationen weckt. Selbst wenn sich in dieser gefühlsfeindlichen Welt statt bunt kostümierten Tänzerinnen nun der militärisch kostümierte Chor auf verbrannter Erde räkeln darf.

Etwas abgeschmackt wirkt lediglich die ausinszenierte Ouvertüre, in der man dem Klischee entsprechend die später erzählte Vorgeschichte als stumme Pantomime vorgeführt bekommt. Dirigent Anthony Bramall schiebt dazu im Graben zwar ordentlich an, tut sich aber zunehmend schwer, größere Bögen zu spannen und sein Orchester hin und wieder auch einfach mal frei laufen zu lassen. Dramatik wird bei ihm meist nur durch Lautstärke heraufbeschworen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass der frühe Verdi durchaus noch mit einem Bein in der Tradition des Belcanto steht. Wodurch es Bramall seinen Sängerinnen und Sängern nicht immer leicht macht.

Ganz freisprechen kann man in dieser Hinsicht aber auch das Produktionsteam nicht, da etwa die Titelheldin im zweiten Akt um der Bildwirkung willen eine gefühlte Ewigkeit gegen die asthmatisch rasselnde Nebelmaschine ansingen muss. Und das vor dem Eisernen Vorhang spielende Schlussbild erweist sich akustisch ebenfalls als eher suboptimal.

Rollendebüt von Jennifer O‘Loughlin

Jennifer O’Loughlin lässt sich davon bei ihrem Rollendebüt zum Glück nicht einschüchtern und teilt sich die Luisa nach leicht verhaltenem Start klug ein. Wobei die Sopranistin nicht nur ihre Erfahrung mit den Koloraturpartien eines Bellini und Donizetti spüren lässt, sondern sich mit ihrem angenehm timbrierten Sopran behutsam in dramatischere Gefilde vorwagt. Damit harmoniert sie bestens mit dem durchschlagskräftigen, dabei aber stets geschmeidigen Jenish Ysmanov, der nach dem Tenor-Schlager „Quando le sere al placido“ vom Publikum stürmisch gefeiert wird. Matija Meić geht als Vater Miller mit seinem kräftigen Bariton diesmal etwas zu früh in die Vollen und muss dafür im letzten Akt Tribut zollen.

Trotzdem ist auch in den tiefen Stimmlagen einiges geboten. Da gibt Anna Agathonos mit sonor orgelndem Alt die kaltherzige Nebenbuhlerin Federica und setzt damit ebenso reizvolle Kontraste wie Inho Jeong, der den Gafen Walter als brutalen Machtmenschen zeichnet. Als heimlicher Star des Abends erweist sich jedoch Timos Sirlantzis. Er versteht es meisterlich, das wahre Gesicht des Intriganten Wurm immer wieder hinter seinem samtig weichen Bass zu verstecken. Nur um im entscheidenden Moment umso unbarmherziger zuzuschlagen. TOBIAS HELL

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