Bei der Vorankündigung der Osterfestspiele in Salzburg im Jahr 2019 war die Vorfreude bereits groß: Der Bass Georg Zeppenfeld soll bei der Neuinszenierung der Meistersinger von Nürnberg den Schuster Hans Sachs singen. Die Erwartungen, kannte man ihn bereits als erfahrenen Wagner-Interpreten in nahezu allen Bassrollen, nicht zuletzt als Pogner, waren entsprechend hoch. Denn die Rolle des Schustermeisters ist eben so lang wie diffizil, und verlangt von seinen Interpreten einiges ab. Zeppenfeld bewies schon damals in Salzburg, dass sein Ausflug ins Bariton-Fach überaus gelungen und hörenswert war.

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Georg Zeppenfeld (Hans Sachs) und Julia Kleiter (Eva)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Und auch nun, vier Jahre später, tritt Zeppenfeld bei der Wiederaufnahme an der Semperoper Dresden, welche die Salzburger Inszenierung ins Repertoire übernahm, erneut als Sachs an. Es ist erst die achte Aufführung dieser Inszenierung, welche die Seltenheit seiner Auftritte in der Partie zusätzlich unterstreicht. Denn an der Wiener Staatsoper und bei den Bayreuther Festspielen verkörperte Zeppenfeld zuletzt in alter Manier den Goldschmied Pogner.

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Daniel Behle (David) und Christa Mayer (Magdalene)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Mit der Versiertheit eines sich in vielen Genres zuhause fühlenden Sängers – ob in Schuberts Winterreise, als Sarastro in der Zauberflöte oder als Solist in Beethovens Neunter – Zeppenfeld hat den einzigartig liedhaften, erzählerischen Duktus, welchen diese Rolle verlangt, vollends vereinnahmt. Zugleich zeigt er das mühelose Durchhaltevermögen und die Kraft großer Wagnerrollen, behält dabei seinen natürlichen und unprätentiösen Gesangsvortrag bei. Seine klare, wendige Bassstimme erklang direkt, jedoch stets mit zahlreichen Abwandlungen und in intelligenter Phrasierung. Auch szenisch gelang ihm der Spagat zwischen dem innerlich hin- und hergerissenen, sich nach Liebe sehnenden Witwer und dem vom Volk zuhöchst geschätzten Meistersinger.

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Tomislav Mužek (Walther von Stolzing)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Die übrige Besetzung rundet die festspielwürdige Vorstellung glanzvoll ab; so ist es kaum zu glauben, dass Tomislav Mužek an diesem Abend sein Rollendebüt als Walther von Stolzing gab, präsentierte er sich mit gefestigt, herber Tenorstimme in hervorragender Kondition, als sei ihm diese Partie in die Wiege gelegt worden. Julia Kleiter gestattete mit lyrisch anmutender Eleganz bei klarster Diktion eine Eva mit mozartschen Zwischentönen, welche berührten und ihrer Partie Glaubwürdigkeit verliehen. Daniel Behle strotzte vor Spielfreude als David. Mit seiner kraftvollen, agilen Tenorstimme gestaltete er einen Lehrbuben wie aus dem Lehrbuch, welcher scheinbar mühelos auch die höheren Töne traf uns sich als Meistersinger in spe entpuppte. Adrian Eröds charaktervoller Beckmesser, Andreas Bauer Kanabas als souveräner und klangintensiver Pogner sowie Christa Mayer als ebenso versierte, wie charmante Magdalene trugen zu einer vollends beglückenden Aufführung bei.

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Adrian Eröd (Sixtus Beckmesser) und Georg Zeppenfeld (Hans Sachs)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Christian Thielemann, der nun nicht mehr bei den Salzburger Osterfestspielen dirigieren wird und dessen Zeit in Dresden sich nun ebenso langsam dem Ende zuneigt — für ihn bleibt Wagner in Dresden stets Chefsache. So lassen besonders seine Dresdner Interpretationen immer wieder aufhorchen. Bei den letzten beiden Ring-Zyklen an der Semperoper zu Beginn dieses Jahres entschied er sich entgegen seinem bewährt bedächtigen Dirigat, für eine schnellere und aufbrausende Lesart in effektvoll straffen Tempi. Diese Abweichung ließ natürlich aufhorchen und steigerte die Spannung für die Wiederaufnahme der Meistersinger. Denn bei Thielemann ist keine Wagner-Aufführung wie die vorige, stets scheint er sich der Partitur aus einer anderen Richtung zu nähern, dringt dabei dennoch immer wieder in die Tiefe der Komposition vor. Und obwohl er nun wieder zu seinem ursprünglichen, langsameren Dirigat zurückfand, bestach die musikalische Ausgestaltung durch einige Überraschungen.

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Adrian Eröd (Sixtus Beckmesser)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

So begann der Abend mit einem recht zurückhaltenden Vorspiel — geradezu gedämpft, stets im Mezzoforte schwelgende Klänge, formte er im Orchestergraben. Seine vorerst letzten Meistersinger sollen weniger feierlich, mehr philosophisch-dichterisch und sinnierend anmuten. Diese Art der musikalischen Exzellenz, auch ohne Pomp die Spannung über fünf Stunden aufrecht zu halten, ist Thielemanns vertrauensvoller langjährig-gewachsener Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle zu verdanken. Sein gewohnt Sänger*innen-freundliches Dirigat ließ die Solist*innen auf Händen tragen und gab ihnen die größtmöglichen deklamatorischen Frei- und Spielräume.

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Julia Kleiter (Eva) und Tomislav Mužek (Walther von Stolzing)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Die Inszenierung von Jens-Daniel Herzog mit seinem „Theater auf dem Theater“-Topos wirkt so frisch und detailverliebt wie zu ihrer Premiere und passt in dank unverfänglicher Zeitlosigkeit ideal in das Repertoire der Semperoper. Charmant, mit Witz und eher an der Oberfläche agierend, wirkt sie im Hinblick auf andere Meistersinger-Inszenierungen geradezu erfrischend bodenständig. Eine willkommene, bewusst unpolitische Regie-Abwechslung.

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Georg Zeppenfeld (Hans Sachs)
© Semperoper Dresden | Ludwig Olah

Zum Schluss verwehrt Walther seine Meisterwürde, blickt Eva tief und lang an; gemeinsam fassen sie den Entschluss dem Meisterwahn zu entfliehen. Sachs, nach anfänglichem Entsetzen, versteht die Beweggründe des jungen Paares und lacht beherzt auf, weiß er doch insgeheim, dass er der Liebling der Herzen ist — das Dresdner Publikum bestätigt dies, wenn es Georg Zeppenfeld als Sachs mit frenetischem Applaus feiert!

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