Volksoper
Eine Art Stammtisch des Begehrens: Vor der Lustfeige macht sich Selim (Murat Seven) an Konstanze (Rebecca Nelson) ran.
Barbara Pálffy

Mozarts Entführung aus dem Serail ist nicht ganz frei von Heiterkeit. Das weiß Nurkan Erpulat. Der Regisseur lässt zu Beginn des dritten Aktes Pedrillo und Belmonte in der Volksoper mit zwei Leitern herumirren. Doch was Slapstickatmosphäre verbreiten soll, ist trivial und etwas lang, worauf aus dem Publikum eine Stimme ein "Singspiel!!" fordert.

Vom Klang her hätte das gut jene des ehemaligen Staatsoperndirektors Ioan Holender sein können. Dieser leichte Unmut dürfte sich jedenfalls entlang einer Inszenierung angestaut haben, die etwas zu viel wollte. Mozarts "Türkenoper", in der Klischees bezüglich des exotischen Orients implantiert sind, pendelt in dieser Version zwischen Stehpartie, Liebeswirren und Vorträgen über kulturelle Vorurteile.

Volksoper Wien

Autor Suleiman Masoni hat die Sprechtexte aufgefrischt. Der Regie ist allerdings nur selten gegeben, die berechtigten aufklärerischen und westkritischen Textideen szenisch leichtfüßig umzusetzen. Wenn sich Palastaufseher Osmin mit Pedrillo amikal dem Trunk hingibt und gleichsam am Stammtisch zu "wienern" beginnt, um die Chinesen als Quell allen Übels zu diffamieren, gelingt es, diese Haltung szenisch effektvoll als Absurdität vorzuführen. Der Rest sind belehrend-banale Monologe über Matriarchate und Ermahnungen, die westliche moralische Herablassung gegenüber anderen Kulturen zu hinterfragen.

Trostloses Ambiente

Alles berechtigt, aber dürftig inszeniert – und dies in einem eher trostlosen Ambiente: Zu Beginn ist da eine Wand mit Vorhang, am Ende eine leere schwarze Bühne (Magda Willi). Nur dazwischen bringt eine Art aufgeschnittene Feige Farbe, vor der im Paradiesgasthaus der Lüste ein Fantasieharem mit sedierten Geschöpfen zur Skulptur wird. Hier geht es dann immerhin um Beziehungen, hier arbeitet die Regie kurz die Ambivalenz der Emotionen aus. Belmonte (etwas kurzatmig und leicht knödelnd: der sympathische Timothy Fallon) hat sich auf der Suche nach Konstanze saufend und rauchend schon reichlich vergnügt.

Schwach geworden ist auch Konstanze: Es gibt ein inniges Küsschen für den sie bedrängenden Selim. Es ist der Così fan tutte-Moment der Inszenierung, wobei Selim, der Herr des Haremshauses, originell gewandet ist: bis zum Nabel gefiederter Papagenobruder, ab seiner Mitte eine Art Versuchung mit durchsichtigem Muskelshirt.

Murat Seven gibt den verliebten Selim aber sanft und edel. Dass um ihn herum Uniformierte mit Totenschädelmaske und Gewehren marschieren, banalisiert seine Figur zusätzlich, aus der Seven im Finale monologisierend austritt. Er weist emphatisch auf Widersprüche in unserer kolonialistisch gefärbten Weltsicht hin. Das ist aufklärerisch wertvoll, szenisch jedoch trostlos.

Vokales Mittelmaß

Vokal herrscht vielfach Mittelmaß, Mozart ist halt grausam, was die Anforderungen an Klarheit und Leichtigkeit anbelangt: Schrill Hedwig Ritter als Blonde, solide bis schmächtig Daniel Kluge als Pedrillo. Rebecca Nelson steigert sich zu ein paar lyrischen Momenten. Allein Stefan Cerny liefert konstant robust-solide vokale Machart.

Immerhin kultiviert das Orchestrale. Der kurzfristig für Angelo Michele Errico eingesprungene Dirigent Alfred Eschwe zeigt, wie man Prägnanz und Sanftheit fusioniert. Einige Buhs für die Regie. (Ljubisa Tosic, 18.6.2023)