Opernhaus Zürich: „Turandot“ – Premierenbericht 18. Juni 2023

Opernhaus Zürich/TURANDOT/ Foto @ Monika Rittershaus

Als 1926 Puccinis Oper „Turandot“ in Mailand uraufgeführt wurde, war der Komponist bereits seit eineinhalb Jahren verstorben. Seine letzte Oper konnte er infolge seiner fortschreitenden Kehlkopferkrankung nicht mehr beenden. Sollte gemäss Libretto die Oper mit der Vereinigung der eiskalten Prinzessin Turandot und dem verliebten Calaf ihren Schluss finden, so endete die Originalfassung mit dem Tod von Liu, welche das Geheimnis des Namens, des von ihr geliebten Calaf nicht preisgeben will und sich umbringt. Puccini versuchte zwar, einen passenden Schluss zu komponieren, war aber durch seine Krankheit zu sehr gezeichnet, als dass er noch die kreative Fähigkeit besaß, den Abschluss der Handlung mit dem glücklichen, sich liebenden Paar zu vertonen. So endet die Handlung mit der herzzerreißenden Szene von Liu‘s Tod.

 

Es wurden mehrere Versuche gemacht, das Werk durch die Hand eines anderen Meisters musikalisch abzuschließen. So beauftragte Arturo Toscanini auch den Komponisten Franco Alfano mit dieser Aufgabe, war aber von dessen Arbeit wenig begeistert und  beschloss, bei der Uraufführung nach der Szene mit Liu‘s Tod den Dirigentenstab niederzulegen und wandte sich an das Publikum mit  den Worten „Hier endet die Vorstellung, weil an diesem Punk der Maestro gestorben ist“. Nach längerem Schweigen setzte ein gewaltiger Jubelsturm ein. Im Jahre 2002 hat Luciano Berio eine weitere Version des Schlusses komponiert, welche sich jedoch nie ganz durchzusetzen vermochte, aber an einigen Häusern aufgeführt wird. In der Neuinszenierung von Turandot am Opernhaus Zürich wird jedoch auch an der genannten Stelle geendet. Dies wurde geschickt gelöst, indem eine Wand mit Schriftbändern herunterfährt und das Zitat Toscanini’s in großen Lettern zeigt.

Opernhaus Zürich/TURANDOT/ Foto @ Monika Rittershaus

Sebastian Baumgarten, bekannt für seine auffallend bunten und oft überzeichneten Inszenierungen, ist auch bei dieser Arbeit seinem Stil treu geblieben und präsentiert das Werk in schillernden Farben mit viel Bewegung und zuweilen auch nicht nachvollziehbaren Bildern. Er arbeitet vor allem mit dem Chor, welchen er ständig in Bewegung hält und welcher in diesem Werk eigentlich die Hauptrolle einnimmt. Schon vor Beginn der Aufführung werden die Mitglieder des Chors einzeln auf die Bühne geführt. Sie alle sind uniform gekleidet und symbolisieren das Volk. Dort verharren die Figuren in regungslosen Posen. Dadurch wird die Unterdrückung der Massen effektvoll angedeutet. Auch die Szene mit dem Mondgesang ist gekonnt gelöst.

Raffiniert ist auch die Lösung für die alles entscheidende Rätselszene. Auf der Bühne befinden sich mit Buchstaben und Symbolen verzierte Würfel, welche als Sitzgelegenheiten für das Volk dienen. Bei den ersten beiden Rätseln ergibt sich durch kurzes Hochheben der Sitzwürfel für einen Moment das Lösungswort, welches dem Calaf schließlich zum Sieg verhelfen wird. Das dritte Rätsel wird durch einen Hinweis des Kaisers auf seine Tochter ebenfalls gelöst.

Warum Turandot als Bienenkönigin, der Kaiser in einer Raumkapsel zusammen mit Turandot und andere auf Effekt setzende Figuren erscheinen, bleibt wohl den meisten Zuschauern ein Rätsel. Für das aufwendige Bühnenbild war Thilo Reuther, für die sehr ausgefallenen Kostüme, Christina Schmitt und für die Lichtgestaltung Elfried Roller verantwortlich.

Auf der musikalischen Seite gab es an diesem Abend eine Reihe wichtiger Rollen- und Bühnendebüts.

Zuerst muss bei dieser Oper der Chor genannt werden. Die beeindruckenden Szenen mit dem Volk bringen die ganze Kraft dieses Werkes zum Ausdruck und hinterlassen beim Publikum eine starke Wirkung. Der Chor der Oper Zürich, verstärkt mit Chorzuzügern und dem Zusatzchor, SopraAlti und dem Kinderchor des Opernhauses Zürich, einstudiert von Janko Kastelic, begeisterte mit großartigem Klang und enormer Bühnenpräsenz. Für das Opernhaus Zürich ist es ein Glücksfall, Chöre auf derart hohem Niveau zur Verfügung zu haben, um solche hochkarätige Werke auf die Bühne bringen zu können.

Opernhaus Zürich/TURANDOT/ Foto @ Monika Rittershaus

Mit Sondra Radvanovsky sah man eine jederzeit sehr präsente Persönlichkeit, welche mit ihrer alles überstrahlenden Stimme und mit vollem Körpereinsatz eine hervorragende Turandot sang. Mit diesem Bühnendebüt schaffte sie einen weiteren Meilenstein für ihre Karriere.

Als unbekannter Prinz Calaf ist der sich in Zürich größter Beliebtheit erfreuende und weltweit gefragte Tenor Piotr Beczala auf die Opernhaus Bühne zurückgekehrt. Auch für ihn ein Rollendebüt. Er hat sich an diesem Abend, trotz einer vorangegangenen Infektion mit grosser Stimme und Bühnenpräsenz für diese Rolle empfohlen. Nach der Premierennervosität wird sich auch diese Partie für ihn als eine Bereicherung seines Repertoire erweisen. Es ist jedesmal eine Freude diesen sympathischen Sänger am Opernhaus zu erleben.

Opernhaus Zürich/TURANDOT/ Foto @ Monika Rittershaus

Rosa Feola, ebenfalls ein Liebling des Zürcher Publikums, hat sich in der Partie der Liu als eine wunderbare Idealbesetzung erwiesen. Mit in allen Lagen sicherer Stimme und ergreifender Bühnenpräsenz konnte man das Leiden dieser in den Calaf verliebten Dienerin miterleben.

Nicola Ulivieri, welcher in der Partie des Timur sein Debüt am Opernhaus gab, liess mit seinem sonoren Bass aufhorchen. Martin Zysset als alter Kaiser Altoum spielte berührend und sang diesen leidenden Herrscher mit hellem Tenor. Xiaomeng Zhang als Ping, Iain Milne als Pang und Nathan Haller als Pong, überzeugten auf der ganzen Linie und boten beeindruckende Rollenporträts. Ein Mandarin war mit Jungrea Noah Kim ebenfalls ideal besetzt. Juliette Rahon, Benjamin Mathis, Safet Mistele, OIivier Ometz, Alison Adnet, Egon Gerber, Anna Virkkunen und Kilian Haselbeck, waren als Perfomer und als den Chor arrangierende Mitwirkende zu sehen.

Auch für Marc Albrecht war dieser Premierenabend ein Debüt. Er dirigierte diese Oper zum ersten Mal und führte die äußerst präzise spielenden Musiker/innen der Philharmonie Zürich zu einer effektvollen Wirkung. Und einmal mehr darf man dem Orchester zu einer großen Leistung  gratulieren. Es muss bemerkt werden, dass das Opernhaus Zürich mit dem großen Orchester und dem enormen Chor zuweilen an die Grenzen der Akustik dieses Hauses stieß.

Das Publikum reagierte mit großem Zuspruch für den Chor und die Solisten und den Dirigenten. Beim Erscheinen des Regisseur zeigte es sich eher zurückhaltend. Es gab einige wenige Zuschauer, welche mit dieser schillernden Inszenierung nicht einverstanden waren und ihren Unmut mit kurzen Zwischenrufen kundtaten.

Für die folgenden Vorstellungen gibt es noch Restkarten.

 

 

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