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Opernrarität bei den St. Galler Festspielen

St. Gallen / Lesedauer: 3 min

Die griechische Regisseurin Rodula Gaitanou hat die Revolutionsoper „Andrea Chénier“ zum Auftakt der Sankt Galler Festspiele als pralles Kostümfest vor der Kathedrale inszeniert.
Veröffentlicht:27.06.2023, 18:00

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Vor 40 Jahren wurde der Stiftsbezirk in der Altstadt von St. Gallen mit seiner berühmten alten Bibliothek von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Jährlich im Juni und Juli finden dort seit fast zwei Jahrzehnten die St. Galler Festspiele statt. Neben Freiluft–Opernaufführungen auf dem Klosterhof und einer modernen, dem sakralen Raum verpflichteten Tanzproduktion in der Kathedrale gibt es als dritte Programmsäule Konzerte mit renommierten Ensembles, die sich vor allem Alter Musik widmen. Künstlerischer Träger des Festivals ist das Theater St. Gallen.

Als die Festspiele 2006 mit einer Inszenierung von Orffs „Carmina Burana“ an den Start gingen, war internationale Ausstrahlung das erklärte Ziel der Initiatoren. In bewusster Abgrenzung von der Konkurrenz im nahen Bregenz setzte man jedoch nicht auf bekannte Opern, wie sie dort auf der Seebühne geboten werden, sondern auf Raritäten. Mittlerweile hat sich das Festival als eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse in der Ostschweiz etabliert. Statt mit Größe und Masse möchte man konsequent mit inhaltlichen wie atmosphärischen Bezügen der dargebotenen Werke zum Aufführungsort punkten.

Seltene Musikdramen vor dem höchsten Bühnenbild der Welt

Die Ostfassade der barocken Kathedrale mit ihren beiden 68 Meter hohen Türmen beschert den Openair–Opernproduktionen quasi gratis das höchste Bühnenbild der Welt. Vor dieser imposanten Kulisse wagte man sich in den vergangenen Jahren an Berlioz’ „Damnation de Faust“ oder Saint–Saens‘ „Samson et Dalila“, aber auch an selten gespielte Musikdramen wie Donizettis „La favorita“ und die in der Schweiz erstmals gezeigte Sintflutoper „Il deluvio universale“, an Franz Schmidts „Notre Dame“, Catalanis „Loreley“, Massenets „Le Cid“, Puccinis „Edgar“ oder an Frühwerke von Verdi, wie „Alzira“, „Attila“ oder „I due Foscari“.

Die 18. Saison der St. Galler Festspiele ist jetzt mit Umberto Giordanos Revolutionsdrama „Andrea Chénier“ eröffnet worden. Vor elf Jahren hat David Pountney das lange vernachlässigte Stück als vormaliger Intendant der Bregenzer Festspiele spektakulär auf die Seebühne gebracht. Die Handlung verknüpft das historische Schicksal des Dichters André Chénier, der dem Terror der französischen Revolution zum Opfer fiel, mit einer fiktiven Liebes– und Eifersuchtsgeschichte. Der Revolutionär Gérard denunziert Chénier, um dessen Geliebte Maddalena für sich zu gewinnen. Seine späte Reue kann den Exfreund nicht mehr vor der Guillotine retten. Maddalena geht freiwillig mit dem libertären Poeten in den Tod.

Pralles Openair–Spektakel in St. Gallen

Die griechische Regisseurin Rodula Gaitanou hat das Geschehen auf dem Klosterhof als rauschendes Kostümfest inszeniert. Der litauische Chefdirigent des St. Galler Theaters steuert mit dem Sinfonieorchester der Stadt einen grandiosen Soundtrack dazu bei. Differenzierte Verstärkung des vom Probenraum über Boxen ins Freie übertragenen Klangs lässt Linien klar hervortreten und instrumentale Klangfarben opulent leuchten. Bei der Premiere bewältigte der venezuelanische Tenor Jorge Puerta die Titelrolle mit Bravour. Fast schien es, als wolle er mit seiner mächtigen Stimme und stattlichen Statur gezielt das Erbe eines Pavarotti antreten.

Ewa Vesin punktete als Maddalena mit souverän intonierendem Powersopran und bis zum ergreifenden Schlussduett am Schafott. Alexey Bogdanchikov porträtierte Gérards psychischen Schleuderkurs vom glühenden Rebellen über den hinterhältigen Egoisten zum edlen Verzicht des Geläuterten mit facettenreichem Bariton. Auch das restliche Gesangsensemble und die Theaterchöre von St. Gallen und Winterthur tragen zum Erfolg der packenden Produktion bei.


30. Juni, 1., 5. und 7. Juli, jeweils 20.30 Uhr); Gesamtprogramm der St. Galler Festspiele, Informationen und Karten: