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Das Gärtnerplatztheater zeigt „Le nozze di Figaro“ als harmlose Komödie

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Sophie Mitterhuber und Levente Páll
Kleine Annäherung am Morgen danach: Susanna (Sophie Mitterhuber) und ihr künftiger Ehemann Figaro (Levente Páll). © Markus Tordik

Mozarts „Figaro“ gehört an dieses Haus, weil er ein Schaustück fürs Ensemble ist. Die Premiere bleibt aber hochtourig-harmlos, auch beim künftigen Chefdirigenten ist noch Luft nach oben.

Ohne das Terrain der Jugendfreiheit zu verlassen: Aber nach irgendwas muss diese Bettwäsche duften. Nach dem gerade absolvierten nächtlichen Vergnügen zwischen Susanna und Figaro offenkundig. Nur so lässt sich erklären, dass die anderen, weniger sexuell Aktiven, immer wieder gierig daran schnuppern. Ohnehin geht es bei dieser Version von „Le nozze di Figaro“ nur ums Eine, um steigende Säfte und Hormonüberschüsse – auch wenn das die Regie eher g’schamig aufzeigt, als eindeutig zweideutig auszuspielen.

Dieser Mozart-Abend am Gärtnerplatz flutscht, dafür garantiert der inszenierende Hausherr Josef E. Köpplinger. Ein versierter, handwerklich untadeliger Figurenbeschäftiger. Am Geschehen bleibt man drei Stunden lang dran, auch wenn der Mehrwert sehr begrenzt ist. Köpplinger und der geschmackvolle Bühnenbildner Johannes Leiacker lassen alles im sommerlich heißen Spanien der Sechzigerjahre spielen. Die Zimmerwände im Schloss sind angeranzt bis in Auflösung begriffen. Im gräflichen Gemach verdursten die Topfpflanzen. Und am Ende, im hauseigenen Theater, sollte dringend mal ein Aufräumtrupp ans Werk. Auch dieses Sevilla müsste ja unter der Knute von Diktator Franco stehen, doch das begreift man nur nach dem Blick ins Geschichtsbuch. Wie überhaupt alles außer persönlichen Liebes- und Lebenskrisen so ziemlich ausgeblendet wird.

Vom revolutionären Gehalt spürt man so gut wie nichts

Dass es beim „Figaro“ auch um eine aufmüpfig bis revolutionäre Dienerschaft geht, um das Wanken einer Adelsgesellschaft, spürt man am Gärtnerplatz für geschätzte 30 Sekunden: Wenn die Domestiken einmal wütend die Stühle gegen den Grafen erheben. Ansonsten wird hochtourig-harmlose Komödie gespielt. Es gibt ein paar nette, sogar neue Gags. Und als letztes Humormittel zwei schweifwedelnde Irish Setter mit Kurz-Auftritt, sie heißen übrigens Ginger und Grace. Vom hierarchischen Gefälle, treibende Kraft des Stücks, erfährt man nichts. Köpplingers Titelheld ist sogar besser gekleidet als der Graf.

Wer diesen Mozart ansetzt, hat aber auch anderes im Sinn. Der „Figaro“ ist bekanntlich ein Schaustück fürs Ensemble, gerade für ein Institut wie Münchens Volksoper. Mit Levente Páll verfügt man tatsächlich über ein Eigengewächs, auf das andere Häuser neidisch sein dürften: ein Figaro mit Ausstrahlung und Granitstimme, die bei Bedarf den Weichspüler zuschalten kann. Auch Anna-Katharina Tonauer ist ein singdarstellerisch herausragender Cherubino. Ana Maria Labin (Gräfin) und Sophie Mitterhuber (Susanna) sind dagegen eher auf der herben Seite unterwegs. Das bringt ein paar ungewohnte Charakterbitterstoffe, doch die bei Mozart so schwer zu fassende, auch herstellbare Beseeltheit hört man in der Premiere nur in Spurenelementen. Ludwig Mittelhammer ist als Graf eine blendende, sympathische Erscheinung. Das Timing ist musterhaft, die Stimme springt sofort an. Totzdem wirkt eine Mittelpunktsfigur hier eine Spur zu leichtgewichtig. Das wahre Potenzial eines Ensembles zeigt sich ja in den Nebenfiguren – Juan Carlos Falcón (Basilio), Julia Sturzlbaum (Barbarina) und Alexander Grassauer (Antonio) sind entsprechend überbesetzt.

Vor der Pause klingt es nach Probentempo

Rubén Dubrovsky, ab Herbst neuer Chefdirigent, gibt ein paar Rätsel auf. Mit Naturtrompeten und -hörnern plus Kesselpauke dringt entsprechend Borstiges aus dem Graben. Und dennoch ist der Klang (noch) nicht balanciert, die alten Instrumente schieben sich vorlaut vor den Rest. Dass der gebürtige Argentinier sich und dem Orchester Raum und Zeit gönnt für Details und Verläufe, geht prinzipiell in Ordnung. Doch tritt vieles vor der Pause auf der Stelle und tönt nach Probentempo.

Keiner muss im „Figaro“ auf Dauer-Turbo schalten, das wird der überreichen Partitur nicht gerecht. Aber vom Wohin dieser Musik, vom auch klanglichen Treiben des „tollen Tags“, wie es im Untertitel heißt, hätte man gern mehr gehört. Dubrovsky steht ja noch am Anfang seiner Gärtnerplatz-Zeit. Und vielleicht tröstet das: An Mozart – siehe Vladimir Jurowski bei der jüngsten Staatsopern-„Così“ oder Kirill Petrenko einst beim dortigen „Tito“ – haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.

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