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„L’Angelica“ in Mainz – Kein Drama

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Angelica mit Fächer. Hinten: Gegickel und Karneval.
Angelica mit Fächer. Hinten: Gegickel und Karneval. Bild: Andreas Etter © Andreas Etter

Die hinreißende Serenata „L’Angelica“ als Freiluftmusiktheater in Mainz.

Wem die Handlung einer Barockoper – Minaldo ist der Freund von Ninando, dessen Schwester den Todfeind Minaldos und Sohn Linilios liebt: Rubio, verlobt mit Serena, die sich ihrerseits Minaldos Bruder Munaldio heimlich versprochen hat - im Hochsommer zu anstrengend ist, sollte auf eine Serenata setzen. Eine Serenata drosselte die Dramatik der Handlung zugunsten allegorischer und huldigender Vorgänge, in diesem Fall ist das Werk eine Girlande für den Geburtstag einer Monarchin: „L’Angelica“ wurde 1720 für Kaiserin Elisabeth Christine in Neapel uraufgeführt, die Frau Karls VI. – der Erfolg war für den Komponisten Nicola Porpora, Mitte 30, ein wichtiger Karriereschritt, erst recht für den 22-jährigen Texter Pietro Metastasio.

Es ist schwer, die Musikwünsche der Zeit zu erfassen, aber auch ein heutiges Publikum weiß die leichte und süße Musik zu schätzen, die Kabinettstückchen für Kabinettstückchen aneinanderreihter Songs, die besonders lose verbunden sich meist um Sehnsucht und Liebesunglück drehen, aber es gibt auch wilde Ausschläge, denn der rasende Roland kreuzt auf und marodiert auf der bis dahin schön dekorierten Bühne. Angelica ist eine zauberkundige Dame von Welt, die beiläufig mit Medoro flirtet und Orlando offenbar von einer älteren Affäre her an der Backe hat. Es gibt zu diesem delikaten Dreieck ein zweites, einfacher gestricktes Paar, Tirsi und Licori, die sich halt das Leben schwer machen wie du und ich. Tatsächlich haben Porpora und Metastasio hier eine glückliche Hand für etwas unmittelbar Lebensnahes. Allerdings ist das auch das Verdienst der Inszenierung von Gianluca Falaschi, der in Mainz schon mehrfach als Ausstatter von Lydia Steier fantastische Bilder geboten hat („Perelà“, „Armide“). Im Hof des Landesmuseums hat er nicht nur eine prächtige Festtafel mit Blumen und Leckereien (nur etwas zu viel Wackelpudding) eingerichtet, mit Luftballons und einer Plexiglasrückwand, die schemenhaft die Abwesenden zeigen kann. Er hat auch nicht nur fabelhafte Karnevalskostüme entworfen für die schillernde Statisterie und sechs markante Sängerinnen. Er hat vor allem einen Weg gefunden, im schicken Schabernack Menschen zu zeigen, zagende, verärgerte, gekränkte, unverschämte, gleichgültige. Am gleichgültigsten ist Angelica selbst, Nadja Stefanoff, die als einzige nicht lustig aussieht, sondern kühl und streng. Ihre großformatige Stimme kontrastiert perfekt mit den aufgeregten Leutchen um sie her.

Frauenstimmen unter sich

Es hat seinen irritierenden Reiz – von Falaschi mit genderfluiden Elementen verstärkt –, dass Soprane und Mezzosoprane hier so ganz unter sich bleiben. Julietta Aleksanyan ist als süßer, edler Medoro zu hören, Karina Repova als grundverzweifelter Orlando. Beim Hirtenpaar gibt es die Finesse, dass Hirtin Licori, Gaia Petrone, deutlich tiefer liegt als ihr süßer Tirsi, Barbara Massaro mit besonders hell timbriertem Sopran.

Felice Venanzoni dirigierte die ausgezeichnete Spezialistentruppe La Lira di Orfeo – der Abend ist eine Koproduktion mit dem Festival della Valle d’Itria – mit der dortigen Besetzung entstand schon eine CD für die, die den Hals nicht voll kriegen können, also fast alle.

Staatstheater Mainz im Hof des Landesmuseums: 16., 19., 21. Juli. www.staatstheater-mainz.com

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