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Verdis „Macbeth“ in Salzburg – Die Sonnenstrahlen der Tyrannei

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„Macbeth“ in Salzburg.
„Macbeth“ in Salzburg. Foto: Bernd Uhlig/SF © Bernd Uhlig/SF

Es könnte alles so einfach sein, aber Krzysztof Warlikowski überbildert Verdis „Macbeth“ in Salzburg nach Kräften.

Die Opernregie hat in den vergangenen 30 Jahren insgesamt viel zu viel Schwung genommen, um Festspiele nicht unter Druck zu setzen. Die rücksichtslose m/w/d-Hexenhorde, die Dietrich Hilsdorf in seinem „Macbeth“ vor Jahr und Tag in Wiesbaden über die Bühne fegen ließ, ist nicht einzuholen, aber in Salzburg wird dafür viel mehr Aufwand getrieben. Manchmal weiß man nicht, wo man zuerst hinschauen soll, während sich die Einfälle stapeln und aus dem Blick gerät, dass Shakespeares und Giuseppe Verdis „Macbeth“ nicht die komplizierteste aller Geschichten ist, dafür aber eine der blutigsten. Im Klein-Klein der Bilder – auch Blut ist zu sehen und es gibt ein prominent platziertes Waschbecken, um es sich allenthalben vergeblich abzuwaschen – geht das Zwingende und schrecklich Simple der Gewalt und Tyrannei weitgehend verloren.

Es ist eine Menge zu sehen und zu erraten, wogegen nichts zu sagen ist, es steht einer Oper, Schauwerte zu bieten und etwas zum Grübeln. Störend aber, wenn sich vieles bloß doppelt, statt den Horizont zu erweitern. Der Musik bekommt der Mangel an Fokussierung auch nicht, obwohl Philipp Jordan – erst Anfang des Monats für Franz Welser-Möst eingesprungen – mit den Wiener Philharmonikern flotten, aber nicht groben Verdi bietet.

Ausstatterin Malgorzata Szczesniak hat im Großen Festspielhaus einen überbreiten Saal gebaut, eine in der Geschichte der Operninszenierungen schon oft verwendete und immer wieder ganz brauchbare Wartehalle. Am Boden wird vielleicht eine alte Tennishalle angedeutet – das Programmheft legt das nahe und macht vielfach darauf aufmerksam, dass die Renaissance das Spiel bereits kannte. Söhnchen Macduff wird nachher mit einem Tennisschläger hantieren. Man hat allerdings den Eindruck von einer ursprünglichen Idee, die dann nicht weiter verfolgt wurde.

Oberhalb der Halle gibt es einen gläsernen Gang, der die Oberkörper verbirgt, von rechts kann ein mit milchiger Folie umhüllter weiterer Gang reingeschoben werden, so dass immer wieder einmal Figuren halb oder nur vage zu sehen sind. Von links kommt der Hexensalon herein, ebenso eine Zuschauertribüne. Für die dort bereits platzierte Konzertvereinigung Wiener Staatstopernchor (musikalische Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen) ist das immerhin besser als das unmotivierte Hereintapern nach dem Königsmord. Gut geführte Chöre müssten doch heute eine Selbstverständlichkeit sein.

Ganz viel Gewalt

Für die alle Intensität pulverisierende Wirkung der Doppelungen ist das Thema des Kindsmordes das drastischste Beispiel. Dutzende Kinder werden von der Tribüne getragen und an der Rampe aufgebahrt (rührend ist vor allem, wie das möglichst schonend vonstatten geht). Aber obwohl das schon sehr viel ist, reicht es noch lange nicht, und auf einer der Videowände ist der Kindermord von Bethlehem aus Pasolinis „Il Vangelo secondo Matteo“ zu sehen, und weil das immer noch nicht reicht, wird eine Babypuppe auf Gemüse serviert.

Die Kinderschar ist dann auch eventuell wieder Teil der Hexengruppe, hier eindeutig weiblich und mit – betrügerischen? – Blindenbinden am Arm. Auch die Minihexen sehen aus wie Minifrauen, und sie tragen Menschenmasken. Für den Popanz der Hexeninszenierung insgesamt – inklusive schön schauriger Erscheinungen – hat Krzysztof Warlikowski natürlich einiges übrig und hier liegt er auch nicht falsch.

Schwerer tut er sich mit den Macbethens, die freilich diesseits und jenseits des Bühnengeschehens unter besonderem Erfolgsdruck stehen. Denn die Lady ist Asmik Grigorian, die als Salzburger Salome den spektakulären Start ihrer Weltkarriere vollzog. Auch hier spielt sie hingebungsvoll, aber die Inszenierung verkompliziert ihre Figur ins Unbestimmte hinein. Vor allem wird ihre fabelhafte 20er-Jahre-Frisur zunehmend ruiniert. Statt mit Kerzenleuchter nachtwandelt sie mit Tischlampe. Irgendwo zwischen Coolness und moderner Verzweiflung bleibt sie jedenfalls hängen, und im Gedächtnis setzt sich im Grunde nur fest, dass sie eingangs einen Termin beim Gynäkologen hat. Unfreiwillige Kinderlosigkeit ist eine naheliegende Setzung, aber hier folgenlos.

Das Finale: grotesk

Ebenso ist Vladislav Sulimsky ein Sängerdarsteller mit Ausstrahlung, aber wohin damit? Als die Inszenierung sich ihrem grotesken Finale nähert – das Paar schwer lädiert und Micky-Maus-mäßig aneinandergefesselt, aber (noch?) nicht tot –, sitzt er schon im Rollstuhl. Teilnahmslos singt er seinem Untergang entgegen.

Sie singen beide hervorragend, aber – passend zur fahrigen Personenführung – auch nicht übermäßig zwingend. Sulimsky bei aller Stimmschönheit temperamentloser als sonst. Grigorian ohne das besondere Extra einer Sängerin ihrer Klasse. Fast interessanter, weil wuchtiger, leidenschaftlicher, mehr bei der Sache: Tareq Nazmi als Banco und Jonathan Tetelman als Macduff.

Kontur bekommen Warlikowskis Ideen am ehesten, wenn es darum geht, wie Macht sich inszeniert. Unter schicken Neon-Sonnenstrahlen. Mit dem perfekten Kleid für jede Situation. Das sind dann wieder so direkte Anschlüsse an eine Festspielstimmung, dass das Premierenpublikum vielleicht auch deshalb nicht ewig, aber wohlwollend jubelte.

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus: 6., 10., 14., 19., 24. August. www.salzburgerfestspiele.at

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