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Bilderbogen mit Problemen: Wiederaufnahme von „Siegfried“ in Bayreuth

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Daniela Köhler und Andreas Schager
Im Finalduett vereint: Brünnhilde (Daniela Köhler) und Siegfried (Andreas Schager). © Enrico Nawrath

Wenigstens gibt es viel zu schmunzeln beim Bayreuther „Siegfried“ in der Inszenierung von Valentin Schwarz. Doch auch in der Wiederaufnahme des dritten „Ring“-Teils stellt sich der Regisseur selbst ein Bein.

Richard Wagner und der Humor, das ist so eine Sache. Darf man bei den Werken des Bayreuther Meisters lachen? Und das ausgerechnet auf dem Grünen Hügel? Für Regisseur Valentin Schwarz sind diese Fragen in seiner „Ring“-Inszenierung offenbar mit einem klaren Ja zu beantworten. Beim „Siegfried“ gibt es für das Festspiel-Publikum viel zu schmunzeln. Selbst wenn die Deutung sich auch im zweiten Jahr noch immer nicht wirklich runden will.

Der assoziationsreiche Bilderbogen bietet zwar viele interessante Denkanstöße, stellt sich aber oft selbst ein Bein. So sorgt etwa der Hyperaktionismus der Schmiedeszene – in der natürlich weder Schwert noch sonst etwas geschmiedet wird – mehr als einmal für Koordinationsprobleme zwischen Bühne und Orchestergraben. Deutlich konzentrierter dagegen der zweite Aufzug, der nun in der luxuriösen Residenz des im Sterben liegenden Fafner spielt. Wobei Tobias Kehrer den alternden Riesen mit jugendlichem Bass ausstattet.

Andreas Schager darf sein komisches Talent ausspielen.

Mehr als üblich hat ebenfalls Alexandra Steiner in der Rolle des sonst gern aus dem Off gesungenen Waldvogels zu tun. Als Fafners geschundene Pflegerin darf sie Siegfried von Angesicht zu Angesicht mit silbrigem Sopran bezirzen. Eine Szene, die dank der natürlichen Präsenz des Duos unmittelbar berührt. Auch Andreas Schager darf hier sein komisches Talent ausspielen und dem sich sonst laut und aggressiv durchs Leben schlägernden Titel-„Helden“ plötzlich menschliche Züge abtrotzen. Und solche lyrisch unbeschwerten Momente würde man sich von ihm gerne öfter wünschen – so bewundernswert es auch sein mag, wie mühelos Schager die gefürchtete Partie durchsteht und mit welchen Reserven er am Ende des langen Abends den Walkürenfelsen erreicht.

Denn durch seine permanente Kraftmeierei bleibt fürs ekstatische Finalduett mit Brünnhilde nicht mehr allzu viel Steigerungspotenzial übrig. Gerade, weil auch Daniela Köhler ihr Pulver schon früh verschießt. Ihre Spitzentöne haben zwar die nötige Strahlkraft und Volumen, lassen aber oft eine leichte Nervosität spüren. Routiniert der Wotan von Tomasz Konieczny, den das Publikum mit ähnlichen Ovationen aus dem „Ring“ verabschiedet.

Auch er protzt mit seinem ausladenden Bariton, irritiert aber immer wieder durch unschöne Vokalverfärbungen, die ihn eher für den Alberich zu prädestinieren scheinen, dem sein Kollege Olafur Sigurdarson mit angerautem Bariton und wilden Übertreibungen beizukommen versucht. Wobei diese Ähnlichkeiten dem Regiekonzept entgegenkommen, das beide als rivalisierendes Zwillingspaar deutet.

Pietari Inkinen legt immer wieder delikate Details frei

Dass daneben Alberichs anderer Bruder nicht untergeht, dafür sorgt Arnold Bezuyen, dessen Mime ohne grelles Zetern und Keifen auskommt und den neiderfüllten Nibelung mit süßlich einschmeichelnder Stimme umso gefährlicher wirken lässt. Okka von der Damerau bereitet als Erde mit ebenmäßig geführtem Mezzosopran ein weiteres Mal wahre Wagner-Wonnen.

Bleibt Dirigent Pietari Inkinen, der gerade im sensiblen Umgang mit den Holzbläsern immer wieder delikate Details der Partitur freilegt. Allerdings scheint er sich auf der dritten „Ring“-Etappe meist dann am wohlsten zu fühlen, wenn er mit dem Orchester allein ist und nicht von der Regie gestört wird. Etwa in den unheilvoll grummelnden Vorspielen oder im zart flirrenden „Waldweben“. Vor allem aber in den langen kontemplativen Passagen des dritten Aufzugs, wo sich nach einem anfangs noch zögerlich heraufziehenden Gewitter im zweiten „Feuerzauber“ die volle Wucht des Festspiel-Klangkörpers entlädt. Tobias Hell

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