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Kritik – Glucks "Orfeo ed Euridice" in Salzburg Wagner konnte davon lernen

Schon an Pfingsten stand Cecilia Bartoli – seit 2012 künstlerische Leiterin des Festivals – als Orpheus in Glucks "Orfeo ed Euridice" in Salzburg im Blickpunkt, nun wurde die Inszenierung traditionell wieder aufgenommen und zeigt sich erneut in ganz schlichtem Gewand.

Glucks "Orfeo ed Euridice" bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF/Monika Rittershaus

Bildquelle: SF/Monika Rittershaus

Am Anfang eine stumme Szene. Langsam füllt sich der von Johannes Leiacker gebaute, holzvertäfelte Wartesaal mit den Tänzerinnen und Tänzern, die Regisseur Christof Loy als kommentierendes Kollektiv in seine "Orfeo"-Inszenierung integriert hat. Zur Totenklage des Chores formieren sie in weich fließenden Bewegungen lose Paarbeziehungen, teils über die vielen Treppen der Bühne hindrapiert, als wären es Tote. Ein Mann klagt über den Verlust seiner Frau. Cecilia Bartoli, im schwarzen Hosenanzug mit streng nach hinten gebundenem Haar, fügt sich mühelos in die Choreografie und gibt dem Sänger Orpheus den ganzen Schmerz einer gequälten Seele. Mit ihrem herben, dunkel gurrenden Timbre, mit viriler Attacke und melancholisch verhauchten Tönen.

Ein Gesamtkunstwerk

Cecilia Bartoli, immerhin 57, wollte wenigstens einmal im Leben Glucks Orpheus singen. Zusammen mit dem Dirigenten Gianluca Capuano hat sie sich für die kaum gespielte zweite Fassung entschieden, die Gluck 1769 für eine Fürstenhochzeit in Parma einrichtete. Die Rolle des mythologischen Sängers hatte der Komponist von der Altlage für einen Soprankastraten transponiert – und damit passte die Partie vom Stimmumfang her perfekt für den Mezzo der Bartoli. Außerdem läuft "Orfeo ed Euridice" in der Parma-Version wie ein Einakter pausenlos durch. Angereichert um Elemente aus der Wiener Urfassung und der späteren Pariser Fassung, ist dem Salzburger Produktionsteam mit Gesang, Tanz, Schauspiel und Musik – ganz im Sinne Glucks – tatsächlich ein Gesamtkunstwerk gelungen. Wagner konnte davon lernen.

Strenge Schwarzweiß-Ästhetik

Glucks "Orfeo ed Euridice" bei den Salzburger Festspielen | Bildquelle: SF/Monika Rittershaus Ganz in schwarz-weiß gehalten und schlicht zeigt sich Christof Loys Bühnenbild. | Bildquelle: SF/Monika Rittershaus Christof Loy ist kein Regie-Berserker. Szenisch hält er sich diesmal zurück, setzt auf Reduktion und strenge Schwarzweiß-Ästhetik. Staunen kann man in Salzburg, was für ein versierter Choreograf er zudem ist. Seine psychologische Feinzeichnung demonstriert Loy bei der Wiederbegegnung des Liebespaares in der Unterwelt: Da inszeniert er zwischen der enttäuschten Eurydike und dem verzweifelten Orpheus ein ganz heutiges Beziehungsdrama. Beklemmend gelingt der fatale Augen-Blick des Verbotsübertritts, der leidenschaftlichen Zuwendung. Die jugendlich strahlende Mélissa Petit ist der gestandenen Bartoli ebenbürtig – mindestens!

Herausragende Musik mit kleinen Überraschungen

Die unaufdringliche Szene lenkt das Ohr auf Glucks Musik. Und die ist bei Gianluca Capuano und den Musiciens du Prince aus Monaco in besten Händen. Was der Mailänder Originalklang-Spezialist an Klangfarben, Linienführung und Artikulationsschärfen aus dem alten Instrumentarium herausholt, grenzt an ein Wunder. Das ist ein Toben und Fauchen im "Furientanz", dass einem Hören und Sehen vergeht. Der Kontrast zum unmittelbar folgenden "Reigen seliger Geister" könnte nicht größer sein – ein elysisches Schweben. Die größte Überraschung gelingt Capuano und der furiosen Bartoli aber mit dem Hit "Che farò senza Euridice – Ach, ich habe sie verloren": Da steigen die beiden, durch alternative historische Quellen belegt, in rasendem Tempo ein, um erst später zum gewohnten elegischen Zeitmaß umzuschwenken. Und auch der Chor "Il Canto di Orfeo" macht seinem klangvollen Namen alle Ehre.

Kein Happy End, sondern magisches Ersterben

Capuano gelingt ein starkes Plädoyer für Glucks oft unterschätzte Musik, weg vom Klassizismus, hin zum frühromantischen Drama. Und Cecilia Bartoli, die hier nicht mit ihren Koloraturen prunken kann, gibt sich Glucks Belcanto hin, wagt im Affekt aber auch mal hässliche Töne. In der Salzburger Produktion kann es kein Happy End geben, Loy lässt die Eingangssequenz wiederholen, bis der Klagegesang im Pianissimo verstummt – ein magisches Ersterben.

Sendung: "Piazza" am 5. August ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Sonntag, 06.August, 17:28 Uhr

Gufo

Orfeo

„Weich fließende Bewegungen „? Wenn ich mir die beiden Bilder ansehe,erinnert mich das eher an etwas aus dem Takt geratene Hampelmänner.Doch solange sie Glucks herrliche Musik nicht störten, soll es mir recht sein.

Sonntag, 06.August, 11:38 Uhr

Klaus Thiel

Orfeo in Salzburg

Glucks "Orfeo ed Euridice" endlich einmal kein Langweiler ?
Man liest es mit Erstaunen - wird man es auch irgendwann hören können, wenn der BR schon sparen muss ?

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