Kritik

Salzburger Festspiele: Der schwache "Falstaff" von Christoph Marthaler

Verdis Opern-Komödie mit dem indisponierten Gerald Finley im Großen Festspielhaus.
| Robert Braunmüller
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"Falstaff" bei den Salzburger Festspielen.
"Falstaff" bei den Salzburger Festspielen. © SF/Ruth Walz

Orson Welles lässt sich in einem Kino eine Szene aus seinem "Falstaff"-Film vorführen. Er bricht unzufrieden ab, die gesamte Mannschaft erscheint auf der Bühne. Klappe, dann setzen die Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus nach diesem szenischen Vorspiel mit Giuseppe Verdis Musik ein.

Es ist schon keine ganz neue Idee, Opernhandlungen in Anführungszeichen zu setzen und auf ein Filmset zu verlegen. In Christoph Marthalers Inszenierung ist es die pure Hilflosigkeit im Umgang mit dieser Komödie. Und ein weiteres Mal darf man sich darüber wundern, wieso dieser einst großartige Regisseur von Opernintendanten immer noch so hoch gehandelt wird, obwohl er seit Jahren nur schwache Arbeiten und  matte Wiederholungen abliefert.

"Falstaff"-Inszenierung: Marthaler misstraut Verdis Oper

Tatsächlich hat Orson Welles 1965 einen nicht unoriginellen Falstaff-Film gedreht, der mehr auf Shakespeares "Heinrich IV." basiert als auf den "Lustigen Weibern von Windsor", der Vorlage von Verdis letzter Oper. Welles war Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion. In Marthalers Inszenierung tritt er zweifach auf: als stumme Figur (Marc Bodnar), die in der Schlussfuge nur das allerletzte "Tutti gabati" sprechen darf. Und den Sänger Gerald Finley: Der sieht mit grauem Bart auch ein wenig wie Orson Welles aus, verweigert aber stets den angebotenen Bauch zum Umbinden.

Nur, was bringt es? Marthaler mißtraut Verdis Oper und inszeniert lieber allerlei Parallelgeschichten. Bei der Schlussfuge zieht ein dicker Ritter in Rüstung die Aufmerksamkeit auf sich. Während der – aus Sicht des Regisseurs offenbar langweiligen Szene – zwischen Falstaff und Ford üben Stuntmen die Szene mit dem Waschkorb. Letztendlich wird aber nicht Falstaff, sondern Orson Welles in das Schwimmbad auf der Bühne geworfen. 

Die szenische Ausbremsung bietet nur ödestes szenisches Mittelmaß

Nach der Pause interessiert sich Marthaler kaum mehr für das Filmset: Dann übernimmt – sehr erwartbar – Alice die Regie. Und die Inszenierung, die schon davor  in schwierigen Ensemblestenen zum Sitz- und Rumstehtheater im Kinosaal und auf Liegestühlen tendierte, nähert sich dann gänzlich an eine halbszenische Aufführung im Kostüm. 

Es bleibt ein Rätsel, wie eine musikverständige künstlerische Leitung auf die Idee kommt, einem Regisseur, dessen Theater seit Jahrzehnten auf Langsamkeit setzt, ein so schnelles und temporeiches Stück anzuvertrauen: Die szenische Ausbremsung bietet keinen Mehrwert, sondern nur ödestes szenisches Mittelmaß.

Der am Ende mit sehr mäßigem Beifall bedachte Abend litt auch unter der Indisposition von Gerald Finley. Der Brite könnte mit seinem Ernst und seiner musikalischen Genauigkeit eine echte Alternative zu den italienischen Klamauk-Falstaffs sein. In Ansätzen war es spürbar, dass er die Figur  mit tragischen Zügen und einem sehr bösen Ernst versehen wollte. Der enorme Umfang seines Baritons von einer schwarzen Tiefe bis zu einer tenoralen Höhe teilte sich mit, aber letztendlich lässt sich ein als indisponiert angekündigter Sänger nicht beurteilen.

Das Damenensemble war ordentlich

Dazu passt eigentlich ein Dirigent, der Verdi mit dem Hirn und nicht aus dem Bauch heraus interpretiert. Ingo Metzmacher betonte das Scharfe, Rhythmische und harte an der Musik, richtig spritzig oder gar italienisch klang es trotz der trockenen Bläser-Brillanz der Wiener Philharmoniker nie. Und leider begleitete Metzmacher die Sänger auch nicht besonders rücksichtsvoll.

Das Damenensemble Elena Stikhina (Alice), Tanja Ariane Baumgartner (Quickly), Cecilia Molinari (Meg) war ordentlich. Simon Keenlyside sang den Ford mehr mit Persönlichkeit als mit Stimme, das Liebespaar (Bogdan Volkov, Giulia Semenzato) und die Chargen blieben auf hohem Niveau unauffällig.

Marthalers kongenialer Ausstatterin Anna Viebrock fielen nur die üblichen Kittelschürzen, Hornbrillen und Schlaghosen ein. Auf den üblichen Einheitsraum verzichtete sie zugunsten dreier sehr lieblos aneinandergepappter Spielflächen. Manches, wie der riesige Felsen, wurde gar nicht bespielt, das zweite Studio mit London-Dekorationen schmeckte stark nach der Verschwendung eines offenbar sehr üppigen Dekorations-Etats.

Dieser Falstaff ist Flop, den man möglichst schnell vergisst. Marthaler und der ebenfalls offenbar unvermeidliche Krzysztof Warlikowski - heuer mit einem schwachen "Macbeth" in Salzburg vertreten - brauchen eine kreative Pause. Und der Intendant Markus Hinterhäuser müsste nach drei szenisch schwachen Inszenierungen innere Einkehr halten, um herauszufinden, was ihn an Oper wirklich interessiert.

Wieder am 20., 23., 25. und 30. August im Großen Festspielhaus, Restkarten. 3sat zeigt am 19. August um 20.15 Uhr eine Aufzeichnung 

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