Martinus Griechische Passion bei den Salzburger Festspielen

Christus wird ein zweites mal gekreuzigt

Bohuslav Martinus Flüchtlingsdrama „Die griechische Passion“ bei den Salzburger Festspielen

Von Robert Jungwirth

(Salzburg, 13. August 2023) Griechen wurden von Türken überfallen und vertrieben, nun suchen sie Zuflucht in einem griechischen Dorf. In ihm bereiten sich die Einwohner gerade auf das bevorstehende Passionsspiel vor. Die Rollen sind verteilt, da erreichen die Flüchtlinge das Dorf. Danach bricht das Chaos aus, und die christlichen Passionsspieler verlieren ganz plötzlich ihre christlichen Tugenden und gehen auf Distanz zu den Flüchtlingen. Allen voran der Priester Grigoris, der seine Gemeinde regelrecht gegen sie aufhetzt.

Bohuslav Martinu hat 1961 mit seiner „Griechischen Passion“ nach dem Roman „Christus wird wiedergekreuzigt“ von Nikos Kazantzakis ein veritables Flüchtlingsdrama auf die Opernbühne gebracht, das in unsere Zeit passt wie kaum eine andere Oper und dennoch wenig bekannt ist und kaum gespielt wird. Jetzt war die Oper bei den Salzburger Festspielen zu erleben – als Statement für menschliche Empathie und gegen „politische Heuchelei“, wie Regisseur Simon Stone im Programmheft schreibt.

Während sich also die meisten Dorfbewohner von den Flüchtlingen abwenden oder allenfalls noch mit ihnen Geschäfte machen wollen, identifizieren sich die Darsteller des Petrus und des Jesus immer stärker mit ihren Rollen und ergreifen Partei für die Flüchtlinge. Im Dorf dagegen werden sie  zu Außenseitern.

Martinu hat aus dem Roman nach einem selbst verfassten Libretto eine suggestiv plakative Choroper gemacht, mit expressiv-aufwühlenden Szenen auf der einen und weihevoll-kirchenmusikalischen auf der anderen Seite. Mehr Oratorium als Oper, weshalb die Felsenreitschule auch der richtige Spielort für das Werk ist und Simon Stone in dem schmucklos grauen, aber interessant beleuchteten Niemandsland von Lizzie Clachan richtigerweise auf eine mehr blockhafte als gezwungen individualistische Darstellung setzt. Immerhin darf Petrus einen Esel über die Bühne führen, der am liebsten dort geblieben wäre…
Von ein paar Liebesszenen abgesehen, sehen wir einer grausamen Volksverhetzung mit tödlichem Ausgang zu, die das Festspielpublikum spürbar ergriffen hat.

Maxim Pascal am Pult der Wiener Philharmoniker sorgte für ebenso große Klarheit in der dualistischen Diktion wie für massive, aufwühlende Dringlichkeit. Grandios die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und auch die gesanglichen Leistungen der Solistinnen und Solisten, allen voran Charles Workman als Petrus und Sebastian Kohlhepp als Jesus.

„Die Welt ist aus den Fugen.“ Dieses Motto für die diesjährige Ausgabe der Salzburger Festspiele ist ohne Frage gut gewählt – auch wenn man es vermutlich für die nächsten Jahre beibehalten kann. Ja, unsere Welt ist aus den Fugen geraten. Die Klimakatastrophe, die Fake-News Populisten, die extreme Ungleichheit in den Einkommen und Vermögen, die Menschen fliehen vor Bränden oder Überschwemmungen, vor Kriegen, Hunger und Armut. Und das in vielen Ländern dieser Erde, und es scheinen immer mehr zu werden. Flüchtlinge werden zur Normalität. Sie auszublenden ebenso. Auch deshalb ist Martinus “Griechische Passion” das richtige Stück zur richtigen Zeit und eine mutige Programmentscheidung des Intendanten der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser.

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