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PESARO/ Rossini Opera Festival: AURELIANO IN PALMIRA von Gioacchino Rossini

24.08.2023 | Oper international

PESARO/ ROSSINI OPERA FESTIVAL: AURELIANO IN PALMIRA von Gioacchino Rossini

am 15., 18. und 21.8. 2023 (dreimal besucht)

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„Die Welt des Krieges“. Copyright: ROF

Im Laufe seiner fast 50 jährigen Geschichte hat das Rossini Opera in Pesaro schon viele Wunder vollbracht, schon viele Opern des großen Meisters, die seit zweihundert Jahren kein lebender Mensch mehr gehört hatte, dank historisch-kritischer Editionen und dementsprechender Sängerausbildung und – besetzung wieder ins Bewusstsein der Melomanen auf der ganzen Welt gerückt.

Heuer ist vielleicht ein noch größeres Wunder geglückt: denn diesen Sommer wurde ein Werk, das hier schon 2014 aufgeführt worden war, aber damals keinen bleibenden Eindruck hinterließ, nun endlich in seiner ganzen Größe, in seinem ganzen Glanz, in seiner ganzen Würde, in seiner ganzen Grossartigkeit für alle sichtbar und von allen Anwesenden auch so – fast wie ein kollektives Erweckungserlebnis –  wahrgenommen: Aureliano in Palmira.

Woran das gelegen haben mag ? Schwer zum Sagen…

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„Die Welt der Ziegen“. Copyright: ROF

Vor allem vermutlich an George Petrou, dem barockerfahrenen griechischen Dirigenten, der dieser  Partitur (die keinen besonders guten Ruf genoss) eine Delikatheit, eine Sublimität,eine nahezu überirdische Schönheit entlockte, die bisher niemand wahrgenommen hatte und die selbst den strengen Intendanten des Festivals zu Begeisterungsstürmen hinriss. Dieser wiederum, der peruanische Exsänger und Exsängeragent Ernesto Palacio, ist der zweite entscheidende Demiurg dieses über die Massen verdienten rauschenden Erfolges. Denn Palacio ist ein Stimmtrüffelhund wie es kaum einen anderen gibt (er hat z.B. den nunmehrigen Weltstar Juan Diego Florez entdeckt, als er erst 23 war). Denn er kann nicht nur bestehende Qualitäten erkennen, sondern vor allem auch das P o t e n z i a l von Sängerinnen entdecken. Und er hat auch den ungeheuren Wagemut,  weitgehend unbekannten Sopranistinnen so riesige Aufgaben zuzutrauen, dass selbst seine engsten Mitarbeiter darob den Kopf schütteln und ihn für verrückt halten. Doch wer wagt, kann gewinnen. Und in diesem Fall sind es seine Schützlinge Sara Blanch und Raffaella Lupinacci, die sozusagen über Nacht zu Königinnen von Pesaro aufstiegen.

Ich persönlich habe die Blanch zwar bereits in Wildbad und in Firenze gehört und habe sie immer als sehr gut und sehr begabt empfunden, aber was sie hier im „Aureliano“ als Zenobia abliefert – mit der gefühlt 15 Minuten langen Arie  “Là pugnai; la sorte arrise” als Höhepunkt – liegt mindestens zwei Ligen drüber.

Die Lupinacci wiederum war im Aureliano von 2014 in der Nebenrolle der Publia zu sehen gewesen, aber niemand (außer Palacio) hätte sie auf dem Radar gehabt, dass sie zu so einer Weltklasseleistung wie zu diesem schlichtweg atemberaubenden Arsace fähig wäre.

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„Die Welt der Liebe“. Copyright: ROF

Allen kleingläubigen, engstirnigen Countertenorfetischisten (und einige meiner besten Freunde sind solche), die heuer nicht nach Pesaro kamen, „weil schon wieder ein Alt und kein Counter singt (ja, es stimmt, der Arsace ist die einzige Rolle, die Rossini für einen Castraten geschrieben hat, aber was soll’s ?)“, sei ins Stammbuch geschrieben, dass sie damit diesmal halt a Pech gehabt und definitiv etwas versäumt haben.

Aber auch alle anderen Mitwirkenden – Alexey Tartarintsev (Aureliano), Marta Pluda (Publia), Sunnyboy Dladla (Oraspe) etc. waren optimal besetzt und auf der Höhe des allgemeinen Geschehens.

Und sogar die Inszenierung von Mario Martone, die 2014 auch keinen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen hat, hat mir diesmal  in all ihren liebevollen Details (und mit den wunderbaren, farbenprächtigen Kostümen von Ursula Patzak) ausnehmend gut gefallen. Nur die Ziegen im bucolischen Akt waren 2014 eindeutig begabter als die von 2023…

Der absolut unvergesslichste Moment dieses an sich in seiner Gesamtheit schon denkwürdigen Aureliano in Palmira war jedoch das Liebesduett Arsace-Zenobia „Mille sospiri e lagrime“.

Es ist – zumindest wenn es so wie hier von Sara Blanch und Raffaella Lupinacci gesungen und von George Petrou dirigiert wird – möglicherweise neben „Pur ti miro“ das allerschönste Liebesduett der Operngeschichte. Es dauert zwar nur wenige Minuten, fühlt sich aber an wie eine endlose Sternstunde. Welt, steh still. Mond, schau zu. Glück, lass nach…

Robert Quitta, Pesaro

 

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