Während Piotr Tschaikowskys symphonische Werke aus den Konzerthallen der Welt nicht wegzudenken sind und seine Ballette sich gerade in der Adventszeit Jahr ein, Jahr aus als wahre Kassenschlager erweisen, fristen seine Opern abgesehen von Eugen Onegin und Pique Dame noch immer ein wahres Schattendasein. In der vergangenen Saison hob die Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf erstmals Die Jungfrau von Orléans lose basierend auf dem Drama von Friedrich Schiller auf die Bühne. Die Geschichte, das Libretto stammt aus der Feder des Komponisten, erzählt das Schicksal der Jeanne d’Arc zerrissen zwischen dem Kampf für ihre Heimat und der Liebe zu einem feindlichen Soldaten.

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Maria Kataeva (Johanna)
© Sandra Then

Heldin, Kirchen- und Nationalheilige, politisch missbraucht – Johanna von Orléans ist eine der berühmtesten Frauen der Geschichte. Ihr Leben und Wirken scheint auch fast 600 Jahre nach ihrem Tod noch immer unglaublich. Ein Sujet, das fasziniert – und das sich einreiht in viele interessante und vielschichtige Frauenrollen in Tschaikowskys Bühnenwerken. Musikalisch zeichnet der Komponist bereits in der Ouvertüre das frühe Leben der Protagonistin nach. Rasch weichen pastorale Schönheit und Vogelzwitschern, dem Kriegsgrollen der großen Welt außerhalb des Heimatdorfes der Johanna.

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Maria Kataeva (Johanna)
© Sandra Then

Der designierte Chefdirigent der Rheinoper Vitali Alekseenok hat das Dirigat von Péter Hálasz in der Wiederaufnahme diese Saison übernommen. Gemeinsam mit den Düsseldorfer Symphonikern formt er ein vielschichtiges Klanggemälde. Immer wieder stechen dabei die Bläsersolist*innen, insbesondere Flöte und Klarinette, mit warm-wohliger Tonfarbe hervor. Der große Star des Abends ist jedoch der Chor der Deutschen Oper in Düsseldorf, denn Tschaikowskys Die Jungfrau von Orléans erweist sich als wahre Choroper. Mal als in den Krieg ziehende Menge, mal als verzweifelte Gemeinschaft – der Chor ist neben der namensgebenden Titelfigur der wahre zweite Protagonist.

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Maria Kataeva (Johanna)
© Sandra Then

Regisseurin Elisabeth Stöppler verlegt die Geschichte der Johanna aus dem Mittelalter in eine nicht näher definierte Neuzeit. Statt wechselnden Szenerien spielt die gesamte Oper innerhalb einer Wehrkirche. Graue Wände, fahles Licht – ist die Kirche (Bühnenbild: Annika Haller) zu Beginn noch Ort der inneren Einkehr, wird sie später zu einem Zufluchtsort und schließlich zu einem Schauplatz des Krieges. Immer wieder gelingt es Stöppler dabei eindrückliche Bilder zu zeichnen: Die Offenbarung durch den Johanna-gleichen Engel im gleißenden Licht; das Ende des ersten Aktes, als die Protagonistin gemäldegleich mit dem Schwert neben dem Altar kniet; oder ein ebenso monumentales Bild mit Johanna als Anführerin der Menschen am Ende des zweiten Aktes.

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Richard Šveda (Lionel), Alexei Botnarciuc (Kardinal), Maria Kataeva (Johanna)
© Sandra Then

Interessante Kontraste bieten dabei die Kostüme von Su Sigmund. Johanna ist über weite Strecken in einem grob-gestrickten grauem Wollpullover gekleidet, der stark an ein Kettenhemd erinnert. Das Volk hingegen trägt unverfängliche Pastellfarben, die mit den starken Schwarz-Blau-Rot-Tönen der Herrschenden kontrastieren. Besonders eindrücklich wirkt dabei das rote Kostüm der Königsgeliebten Agnes Sorel gegen die blutgetränkte Kleidung Johannas.

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Mara Guseynova (Engel), Maria Kataevea (Johanna) und Richard Šveda (Lionel)
© Sandra Then

In der zweiten Hälfte der Inszenierung versucht sich die Regisseurin schließlich an der Demontage der Heldin. Charakterstudie statt Kriegstableau scheint das Ziel. Johanna verliebt sich, wie auch in Schillers Vorlage, in den feindlichen Soldaten Lionel. In Stöpplers Inszenierung ist er ein kriegsmüder Deserteur, der in der Wehrkirche ebenso wie die leidende Bevölkerung Zuflucht sucht. Durch ihn und den Tod eines Dorfbewohners kommt Johanna ins Zweifeln, doch leider entwickelt keine der Regieideen Stöpplers die gleiche bildliche Stärke wie in den ersten Akten, sondern bleiben vor den gräulichen Kirchenwänden farblos. Zum Abschluss brennt die von feindlichen Truppen in Brand gesetzte Wehrkirche und Johanna steht eher vor dem Haufen ihres (menschlichen) Scheiterns als auf dem Scheiterhaufen.

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Maria Kataeva (Johanna) und Sami Luttinen (Thibaut d’Arc)
© Sandra Then

Verdient großen Applaus erntet am Ende des Abends Maria Kataeva als Titel(anti)heldin. Die Mezzosopranistin schafft ein gefühlvolles Charakterportrait einer jungen Frau zwischen Kampfesfrust und Liebeslust. Dabei meistert sie die große Tessitura der Rolle – Tschaikowsky schrieb sie ursprünglich für das Sopranfach und transponierte sie später aufgrund der Uraufführungsbesetzung in großen Teil für eine Mezzosopranistin – bravourös. Ihr zur Seite stehen Sami Luttinen als klangstark-patriarchaler Thibaut d’Arc, Aleksandr Nesterenko als farbreicher Raimond und Richard Šveda als glänzend-mitreißender Lionel. Sergej Khomov als bühnenpräsenter und schauspielerisch starker Karl VII, Luiza Fayol als unterschwellig-intrigante Agnes Sorel sowie Evez Abdulla (ein überzeugender Dunois) und Thorsten Grümbel (als stimmgewaltiger Kardinal) komplettieren das Ensemble.

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