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WIEN / Volksoper: SALOME inszeniert von Luc Bondy 1992

Ein mehr als solide bewältigter Prüfstein für Orchester und Ensemble

19.09.2023 | Oper in Österreich
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Astrid Kessler (Salome), Ursula Pfitzner (Herodias), Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Herodes). Alle Foto: Vilksoper Wien / Barbara Palffy

WIEN / Volksoper: SALOME in Luc Bondys rekreierte Inszenierung aus dem Jahr 1992

2. Aufführung in dieser Inszenierung

18. September 2023

Von Manfred A. Schmid

Dass die 1905 in Dresden uraufgeführte Oper Salome von Richard Straus fünf Jahre später an der Volksoper in Österreich erstaufgeführt worden war, mag mit ein Grund sein, warum sich Lotte de Beer dazu entschlossen hat, zur Eröffnung ihrer zweiten Saison als Direktorin des Hauses diese Oper anzusetzen. Allerdings nicht als Neuproduktion, sondern als „Rekreation“ einer 1992 von Luc Bondy für die Salzburger Festspiel geschaffene Inszenierung, die dann in weiterer Folge „die Runde um die Welt gemacht hat,“ wie von Bondy nicht ohne Stolz vermerk worden war. Gut vierzig Jahre später ist dieses Schaustück aus dem Museum der Opernregie nun auch in Wien gelandet. Gut Ding braucht Weile, besonders hierzulande. Es ist wohl kein Zufall, dass auch von Staatsoperndirektor Roscic in seiner ersten Saison eine Hanns-Neuenfels-Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail aus dem Jahr 1998 herausgebracht wurde. Ein Fundstück aus der Geschichte des Regietheaters, ausgestellt in dem in den ersten zwei Jahren vor allem als Museum der Moderne fungierenden Haus am Ring. Traditionspflege der besonderen Art.

Obwohl Luc Bondy, wie er selbst zugab, weder Oscar Wildes Libretto noch die Musik von Strauss geschätzt, sondern eher verachtet hat, ist die von seiner Witwe Marie-Louise Bischofberger-Bondy wieder zu Leben erweckte Inszenierung durchaus gelungen und stellt tatsächlich einen in einer kaputten Familie spielenden „archaischen Thriller“ auf die Bühne. Das Thrillerhafte an der Oper bleibt aber doch in erster Linie der packenden Musik und der schockierenden Handlung geschuldet und nicht der Regie und dem dunklen Bühnenbild von Eric Wonder. An Bondys Meinung, „dass es schwieriger sei, ein allzu geliebtes Werk zu inszenieren“, und dass eine „gewisse Distanz“ vonnöten sei, mag schon etwas dran sein: „Mit einem Kunstwerk muss man kämpfen,“ lautet sein Befund. Bondy hat jedenfalls gut gekämpft.

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Tommi Hakala (Jochanan)m Astrid Kessler (Salome)

Ein weiterer Grund für die Wahl dieser Oper liegt wohl auch darin, dass sich ein Dreispartenhaus wie die Volksoper, die sich der Oper, der Operette und dem Musical verschrieben hat, in jeder diese Sparten hin und wieder besondere Herausforderungen zu stellen hat, um das Leistungsniveau zu prüfen, daran zu feilen und es zu fördern. Neben dem ureigenen Terrain, der deutschen Spieloper beispielsweise, eben auch ein Werk von Benjamin Britten herauszubringen, wie das in der Ära Meyer der Fall war, oder, wie jetzt, die Salome von Richard Strauss. Ein Prüfstein, besonders für das Orchester, der unter der Leitung von Omer Meir Wellber, dessen Zusammenarbeit mit den Musikerinnen und Musikern nicht immer gerade rund laufen soll, mit Anstand und z.T. sogar mit Bravour gemeistert wird. Wenn auch durchgehend zu rasch gespielt wird, was vor allem das Blech über Gebühr fordert. Töne im Fortissimo, um dann sofort wieder die Lautstärke extrem zurückzunehmen, ist eine schwere Kunst. Ganz abgesehen davon, dass die konstante Hetzerei auch den Sängerinnen und Sängern auf der Bühne Schwierigkeiten bereitet. Wenn die übliche Spieldauer von ohnehin nur eindreiviertel Stunden um fast zehn Minuten kürzer ausfällt, ist das schon ziemlich krass. Und völlig unnötig. Ein Opernabend ist kein Wettrennen.

Aber auch gesanglich kann man zufrieden sein. Die zierlich-zarte Astrid Kessler in der Titelrolle passt gut zur ebenso kindlichen wie selbständigen, sich von ihren Eltern ablösenden Salome und verleiht ihr mit ihrem tragfähigen, ausdrucksstarken Sopran und starker Bühnenpräsenz ein eindrucksvolles, unergründlich bleibendes Profil. Wie sie bei der ersten Begegnung mit Jochanaan den Propheten umtanzt und physisch bedrängt und später seinen abgeschlagenen Kopf an die Wange schmiegt und sich mit ihm im Tanze dreht, um ihn danach wie ein Baby im Schoß zu wiegen, geht unter die Haut. Es gibt keinen Zweifel, dass man es hier mit einer schwer gestörten Person zu tun hat.

Tommi Hakala ist ein durchaus solider Jochanaan, der mit seinem wohltönenden Bariton aus dem Verlies heraus wortdeutlich vernehmbar und kraftvoll singt.

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Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Herodes), Ursula Pfitzner (Herodias), Jason Kim (Dritter Jude), Stephen Chaundy (Vierter Jude), Karl-Michael Ebner (Erster Jude), David Kerber (Zweiter Jude), Alexander Fritze (Fünfter Jude), Komparserie

Nicht ganz so kraftvoll ist die Herodias von Ursula Pfitzner, die zwar über einen feinen Mezzosopran verfügt, aber fast durchgehend zu leise singt. Da sie das Geschehen meist aus der Ferne beobachtet und schnippisch kommentiert, wirkt sich ihre Distanz von Bühnenrand negativ aus. Mag sein, dass das zum Teil auch der Bühne geschuldet ist, denn auch die beiden Soldaten, die sich von hinten zu Wort melden (Ben Connor, Daniel Ohlenschläger), könnten um einiges lauter sein. Pfitzners Darstellungskunst, die in Gestik und Mimik spöttische Haltung gegenüber ihrem Mann, dem sie nur Verachtung zollt, ist beeindruckend und entschädigt für die nicht so starke stimmliche Präsenz.

Der Charaktertenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke sorgt als geschwätziger, penetranter Herodes mit der lüsternen Art, wie er seine Tochter umschwirrt, für eine komisch-kauzige Note. Seine Gestaltung der Figur des Herodes, der sich der Lächerlichkeit preisgibt, erinnert an die Art, wie Herwig Pecoaro sie vor Jahren an der Staatsoper gesungen hat.

In kurzen, aber prägnanten Auftritten gelingt es dem markanten Tenor JunHo You als Hauptmann Narraboth das Publikum auf sich aufmerksam zu machen, ja, es in seinen Bann zu schlagen. Ein Sänger, von dem man gerne mehr gesehen und gehört hätte.

Stimmlich unauffällig agiert Stephanie Maitland als Page. Ganz und gar nicht unauffällig, sondern geschäftig und streitbar, wie von ihnen erwartet, sind die fünf Juden, Karl-Michael Ebner, David Kerber, Jason Kimm, Stephen Chaundy und Alexander Fritze.

Viel dankbarer Applaus für eine mehr als solide, eindrucksvolle Aufführung.

 

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