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WIEN / Volksoper: SALOME

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Fotos: Volksoper

WIEN / Volksoper:
SALOME von Richard Strauss
Besucht wurde die dritte Vorstellung am 22. September 2023    

Die „Salome“ von Richard Strauss und Oscar Wilde aus dem Bibel-Ambiente heraus zu holen, ist heute auf den Opernbühnen selbstverständlich. „Zimmer-Lösungen“ für das Stück gibt es mittlerweile viele – als Luc Bondy sie vor mehr als 30 Jahren bei den Salzburger Festspielen fand, war das noch nicht gänzlich alltäglich. Dieser einst hoch gejubelter Inszenierungs-Klassiker ist nun in der Volksoper zu überprüfen.

Übrigens, nebenbei gesagt, gab es – abgesehen von der Wiener Erstaufführung das damaligen Skandalwerks 1910 in diesem Haus, nicht an der Hofoper! –  schon vor ziemlich genau 12 Jahren eine „Salome“-Inszenierung hier. Dennoch – wenn Lotte de Beer nun für das Jubiläum „125 Jahre Volksoper“ nach „Salome“ griff, hat sie eine gute, weil anspruchsvolle Wahl getroffen.

„Salome“ in der  nüchternen Bühnenbildlösung von Erich Wonder begibt sich offensichtlich im Foyer einer hochherrschaftlichen Villa, seitlich hohe Fenster, im Hintergrund eine bedrohliche Ziegelmauer, und unter einer Rampe führt offenbar eine Klappe in einen Keller, wo man unliebsame Zeitgenossen unterbringt. Die Kostüme von Susanne Raschig, teils zeitlos, teils seltsam bunt gemixt, sagen uns nicht, wann und wo man sich befindet. Eines ist jedenfalls klar – sämtliche Nebenrollen (inklusive die sonst oft so starken fünf Juden) verlieren an Funktion und Bedeutung.

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Luc Bondy konzentrierte sich in seiner Inszenierung, die von seiner Witwe Marie-Louise Bischofberger-Bondy revitalisiert wurde, auf die Heldin – auf die Begegnung mit Jochanaan, die zu einem Akt der existenziellen Erotisierung Salomes wird, und auf ihren Widerstand gegen Herodes, der sie im wahrsten Sinn des Wortes an einen „Verhandlungstisch“ zwingt, ihr aus einer Schatulle alle Schätze zeigt (die von ihrer Mutter mit totaler Gier betrachtet werden) , während Salome in zittriger Erregung offenbar nur daran denken kann, was sie mit dem Kopf des Mannes, der sich dann nicht mehr wehren kann, anfangen wird… Im Psychoduell wird Herodes jedenfalls von Salome besiegt . Hat sie den Kopf des Jochanaan aus spürbar wütender Leidenschaft und Verletztheit (er hat sie schließlich abgewiesen) gefordert, so kippen ihre Gefühle – deren Abnormalität eigentlich immer flackert – am Ende in irreale Abgehobenheit. Ihren Tod bietet die Inszenierung auch – von Soldaten fast erschlagen, versucht sie am Ende noch mit letzter Kraft zum Kopf des Jochanaan zu kriechen…

Dass diese Homestory-Salome, die so gar keinen prunkvollen und auch keinen pompösen historischen Rahmen bietet, so spannend wird, dankt man Astrid Kessler. Auf Privatfotos eine Blondine, ist sie hier zur rassigen Schwarzhaarigen von Hedy-Lamarr-Zuschnitt geworden, kein trotziger Teenager, sondern eine sehr entschlossene junge Frau.

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Sie spielt die vordringlich sexuell geprägten Aktionen ebenso differenziert wie überzeugend aus und schafft stimmlich, fern von einer  „Hochramatischen“, alle Spitzentöne der Rolle mit Leichtigkeit. Dass der Tanz nicht wirklich gelingt, ist man eigentlich gewöhnt – wann hätte man diesen je überzeugend gesehen (zumal mit den geforderten „sieben Schleiern“)? Aber alle anderen Schlachten der Salome gewinnt Astrid Kessler souverän.

Als schöner großer Mann ist Tommi Hakala ein Jochanaan, der verführerisch wirken kann, zumal wenn er Salome tätschelt (allerdings nur, um sie zu bekehren) – stimmlich fehlte das großé, pastose Strömen dee Baritons, was die Rolle auszeichnet. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (der den Herodes schon vor zwölf Jahren am Haus gesungen hat) legt den Mann, der kein Tetrarch mehr ist, sondern einfach nur reich, anfangs fröhlich und lüstern an, beeindruckt in seinem verzweifelten Versuchen, Salome umzustimmen, und in der Fassungslosigkeit, ihr bei dem Umgang mit dem Kopf des Jochanaan zuzusehen. Bemerkenswert Ursula Pfitzner als Herodias, eine Rolle, aus der auch die Besten nicht viel machen können, aber immerhin ist sie gewissermaßen ein älter gewordenes Ebenbild der Tochter, JunHo You als schönstimmiger Narraboth und Stephanie Maitland als gleichfalls schönstimmiger Page haben in dieser Inszenierung keine Funktion.

Bei Omer Meir Wellber war die „Salome“ tatsächlich spürbar um mindestens zehn Minuten kürzer als sonst, ohne dass man den Eindruck von Unausgewogenheit bekommen hätte. Sensibles Begleiten der Sänger schien ihm wichtiger als das Setzen irgendwelcher auffallender Akzente. Das Publikum der sehr gut besuchten dritten Vorstellung bejubelte allerdings kaum den Dirigenten (ist man ihm böse, weil er weggeht?), aber die Hauptdarstellerin so nachdrücklich, wie sie es verdiente.

Renate Wagner

 

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