Luc Bondys Produktion von Salome für die Salzburger Festspiele 1992 ist eine Erfolgsgeschichte, unter anderem wurde sie am Royal Opera House in Covent Garden gezeigt – die englischen Opernbesucher*innen sind damit quasi aufgewachsen. Doch warum eine über dreißigjährige Produktion auf die Bühne bringen?

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Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Herodes), Astrid Kessler (Salome) und Ursula Pfitzner (Herodias)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Die Volksoper hat mit Omer Meir Wellber einen (mit Jahresende scheidenden) Musikdirektor, der das Werk schon in seiner Dresdner Zeit (also am Uraufführungsort der Salome anno 1905) dirigiert hat. Und nachdem die Volksoper 1910 die Wiener Erstaufführung auf die Bühne brachte, ergab sich wohl die Idee, eine neue Salome-Inszenierung herauszubringen. Das ließ sich mit diesem Regieklassiker wohl rascher als mit einer völligen Neuinszenierung umsetzen, vielleicht wollte man aber auch im Hinblick auf die Auslastung auf Nummer sicher gehen und mit Bewährtem einen Kontrapunkt zur brandneuen Staatsopern-Salome setzen.

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Tommi Hakala (Jochanaan) und Astrid Kessler (Salome)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Die Rechnung geht jedenfalls auf, denn das Bühnenbild von Erich Wonder erfüllt immer noch mehr als seinen Zweck (über Jochanaans Zisterne verläuft eine Art Laufsteg, der nicht nur für Salomes Tanz eine gute Plattform ist), und die Neueinstudierung durch Luc Bondys Witwe Marie-Louise Bischofberger-Bondy betont die Quintessenz des Stücks. Mit der Reduktion auf die wichtigsten Figuren bzw. durch Weglassen der üblichen Statisterie wird klar, warum gerade mit diesem Werk eine Überwindung von Richard Wagner gelang, dessen Werk bis dahin die deutsche Opernlandschaft dominierte (und auch lähmte). Die Verdammnis in Salome ist quasi die Antithese zu Wagners Streben nach Erlösung durch Kunst und Überwindung des Willens, der laut Schopenhauer grundloser Drang und Ursache des irdischen Übels ist.

Salome ist jedenfalls eine Oper über den unbändigen Willen: Herodes und Narraboth wollen Sex mit Salome, Salome will – angestachelt durch Jochanaans Schmähungen ihrer Mutter – ihre Mutter übertreffen (worin, braucht nicht näher erläutert werden), und bekanntermaßen begehrt sie gerade diesen Jochanaan, den unbeugsamen Propheten. Herodias will wiederum dessen Tod, während jener überall Sünde sehen will und die Juden die Auslieferung Jochanaans fordern.

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Salome
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Dass das kein gutes Ende nehmen kann, ist bekannt, und trotzdem bleibt dieses Werk spannend, gerade wenn man eine umwerfende Salome wie Astrid Kessler zur Verfügung hat. Sie ist zwar keine hochdramatische Sängerin, hat an der Volksoper etwa die Titelpartien in Die Zirkusprinzessin, Gräfin Mariza und La Wally gesungen, doch für die Größe des Hauses reicht das stimmliche Volumen allemal. Sie wirkt klein, zierlich, jugendlich und anfangs verletzlich, was zur Missbrauchsthematik in diesem Stück nicht besser passen kann, und den am meisten missverstandenen Tanz der Musikgeschichte tanzt sie mehr als kompetent. Salome tanzt nicht für Herodes, sie tanzt zu ihrer eigenen Lust, schon in Gedanken an Jochanaan und in der Vorfreude, wie sie mit ihrem Wunsch nach Jochanaans Kopf dem Stiefvater die Zudringlichkeiten heimzahlen kann. Gesanglich wie darstellerisch bleiben im Finale keine Wünsche offen, und Bondys Idee, dass Salome Jochanaans Kopf in einem Leintuch überreicht bekommt, gibt dem Kopf auch andeutungsweise einen Körper, an den sich Salome schmiegen kann – ein gespenstisches wie faszinierendes Schauspiel.

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Astrid Kessler (Salome; Probenfoto)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Die beschriebenen Szenen waren handwerklich kompetent dirigiert und vom Volksopernorchester bestens ausgeführt, davor ging es Omer Meir Wellber am Pult aber oft viel zu schnell an – die hitzigen Konversationen bis zu Herodes‘ Aufforderung zum Tanz brauchen nicht noch atemloser gespielt werden, als sie komponiert sind. Das heftige Tempo führte dazu, dass diese Salome zehn bis fünfzehn Minuten kürzer als üblich ausfiel und damit nahm der Dirigent dem singenden Personal – insbesondere der Diva – einige Möglichkeiten, Töne auszusingen und damit zu glänzen. Wesentlich besser gefiel seine Einrichtung der Partitur für die akustischen Verhältnisse der Volksoper – es war einiges hörbar, das in den Klangwellen an den größeren Häusern oft verschwimmt.

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Astrid Kessler (Salome)
© Barbara Pálffy | Volksoper Wien

Jochanaan – von Strauss als der Perverseste in dem Stück beschrieben – darf anfangs ruhig so klingen, als ob Opa im Weinkeller seine Verschwörungstheorien aufstellt, und muss sich dann in eine vokale Autorität verwandeln, die Salome in ihre Schranken weist. Tommi Hakala gelang das ebenso gut wie Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ein Porträt des Herodes zwischen Lustmolch und liebem Onkel, der das vermeintliche Kind Salome gewaltig unterschätzt. Ursula Pfitzner holte aus der undankbaren Rolle der Herodias das Beste heraus. Stephanie Maitland als ihr Page und JunHo You als Narraboth seien stellvertretend für die vielen guten Leistungen in den kleinen und kleinsten Partien genannt.

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