Oldenburgisches Staatstheater: „Flight“ – Oper von Jonathan Dove

Oldenburgisches Staatstheater/FLIGHT/Foto ©Stephan Walzl

Jonathan Dove ließ sich bei seiner 1998 uraufgeführten Opernkomödie Flight vom Schicksal des iranischen Flüchtlings Mehran Karimi Nasseri inspirieren, der achtzehn Jahre ohne Papiere auf dem Pariser Flughafen lebte. Auch Flight spielt auf einem Flughafen. Die Passagiere hängen in der Abflughalle fest, weil alle Flüge wegen eines Gewittersturms gestrichen sind. (Besuchte Vorstellung am 5.10.2023)

 

 

Da sind das Ehepaar Bill und Tina, das ihre Beziehungskrise im Urlaub überwinden will, dann der Steward und die Stewardess, die auf ihr munteres Sexleben fixiert sind. Beim Diplomatenehepaar zweifelt die hochschwangere Frau, ob sie wirklich nach Minsk auswandern will. Eine „Older Woman“ wartet vergeblich auf ihren dreißig Jahre jüngeren Liebhaber. Der Geflüchtete steht zwischen den Welten – durch die Besetzung mit einem Countertenor auch stimmlich. Über allem wacht die Controllerin auf ihrem Turm wie eine barocke Hexe. Sie scheint die Herrin über das Gewitter zu sein und „kommentiert“ die Probleme der Menschen im Terminal stets mit maliziösem Lächeln.

Oldenburgisches Staatstheater/FLIGHT/Foto ©Stephan Walzl

Der Flüchtling bietet allen einen „magischen Stein“ an gegen das Versprechen, ihm zu helfen. Der Stein soll Wünsche erfüllen. Alle äußern sie und geben so Einblicke in ihr Seelenleben. Eigentlich ein guter Ansatz, aber das Libretto von April De Angelis bleibt oft an der Oberfläche. Erst wenn der Flüchtling von seinem Schicksal und seiner Flucht erzählt, gibt es wirklich berührende Momente. Bis dahin passiert einiges: Ehebruch, Rauchen eines Joints, ein homosexueller Ausrutscher mit vertauschten Hosen und einer Prügelei, ein (albernes) Besäufnis oder die Geburt eines Kindes.

Sehenswert ist die bildgewaltige, multimediale Inszenierung von Kobie van Rensburg. Er arbeitet mit beeindruckenden Projektionen auf den Hintergrund und auf einen Gazevorhang, mit Bluescreen-Technik und atemberaubenden Flugzeug-Videos. Das ermöglicht Schauplatzwechsel im Sekundenbereich und hat großen Unterhaltungswert. Auch wie die deutschen Texte auf dem Gazevorhang erscheinen, ist Teil der Inszenierung und entwickelt einen eigenen Witz.

Oldenburgisches Staatstheater/FLIGHT/Foto ©Stephan Walzl

Oldenburg kann mit einer bestechend homogenen Ensembleleistung überzeugen. Brianna Meese und Johannes Leander Maas sind Tina und Bill, Stephen K. Foster und Hanna Larissa Naujoks verkörpern Steward und Stewardess und João Fernandes ist der Einwanderungs-Offizier. Verdiente Kräfte wie Melanie Lang und Paul Brady sind die Older Woman und der Diplomat. Ann-Beth Solvang kann als seine Gattin in der Szene „I bought this suitcase in New York“ mit wunderbaren, großformatigen Gesangslinien begeistern. Als Flüchtling überzeugt Nicholas Tamagno mit durchgehend variationsreichem Countertenor. Martha Eason schraubt als Controllerin ihren ergiebigen Sopran souverän in schwindelerregende Höhen.

Die Musik von Jonathan Dove ist eine gelungene Mischung aus Musical, Filmmusik und großer Oper. Sie ist geprägt vom Schlagwerk, von Rhythmen, die sie in die Nähe der „West Side Story“ rücken, aber auch von vollen Orchesterklängen, wie man sie bei Richard Strauss findet. Kontemplative Momente sind ebenso vorhanden wie munteres Geplapper a la Rossini. Vito Cristofaro und das Oldenburgische Staatsorchester setzen diese gut hörbare Musik spritzig und engagiert um, ein paar Ausflüge in Jazz-Bereiche eingeschlossen.

 

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