Prinz Caprice (Aaron-Casey Gould) wirbt um Prinzessin Fantasia (Alexandra Flood).
barbara palffy volksoper wien

Fly me to the moon", forderte Frank Sinatra anno 1964 singenderweise. Fünf Jahre später waren Neil Armstrong und Kollegen vor Ort. Mittlerweile ist der Mond als außerirdisches Reiseziel aus der Mode gekommen. Himmelstürmende Fantastilliardäre wie Elon Musk wollen mindestens zum Mars.

Zu Jacques Offenbachs Zeiten hatte der Erdtrabant als Sehnsuchtsobjekt Hochkonjunktur – befeuert auch vom Erfolg von Jules Vernes Roman Von der Erde zum Mond. Das Industriezeitalter feierte sich und seine Hervorbringungen in den Weltausstellungen. Eine Reise zum Mond? Ein Kinderspiel.

Ein Kinderspiel

Als Kinderspiel zeigt die Volksoper auch Offenbachs Die Reise zum Mond. 1875 als spektakuläre Ausstattungsorgie konzipiert, wurde der Vierakter in der Inszenierung von Laurent Pelly unter dem Motto "Für die ganze Familie" auf zwei Stunden (exklusive Pause) zusammengekürzt. Kinder- und Jugendchor des Hauses singen engagiert und liefern zuhauf komische Bilder.

In der Produktion, die 2021 an der Pariser Opéra-Comique Premiere hatte, zeigt sich die Erde als eine von grauen Anzugmenschen bewohnte Plastikmülldeponie. Der leicht abgesandelte König Zack agiert fahrig und aggressiv, das Regieren des blöden Volkes soll bitte Kronprinz Caprice übernehmen. Doch der will, kaum von einer langen Reise zurückgekehrt, nichts wie auf den Mond. Der Gelehrte Mikroskop lässt eine riesige Kanone konstruieren, mit einem großen Wumms geht’s himmelwärts.

Die Riesenkanone befördert Caprice auf den Mond.
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Oben regiert der schneekugelrunde König Kosmos, des Weiteren herrscht eine Eiseskälte in emotionalen Belangen vor. Die Liebe – was soll das sein? Ein Apfel als Aphrodisiakum lässt nicht nur das Herz von Prinzessin Fantasia schmelzen, auch ihr Vater erwärmt sich spätestens nach einem Vulkanausbruch für die Erdlinge. Man beschließt, gemeinsam zum Blauen Planeten zu reisen. Schließlich wartet dort "eine Menge Arbeit".

Flauschig wie ein Pulli

Kindermusicaloptimismus, flauschig-weich wie ein Nicki-Pullover, am Ende von Le voyage dans la lune: Was hätte der große Offenbach-Verehrer Karl Kraus dazu gesagt? Prinz Caprice, ursprünglich eine Mezzopartie, ist hier ein zappeliger Teenager mit divaesken Einschüben und wird von Aaron-Casey Gould mit einem hellen, höhensicheren Tenor und starkem US-Akzent gesungen.

Alexandra Flood bewältigt die herausfordernde Partie der Prinzessin Fantasia mit einem agilen, robusten Koloratursopran und überzeugt auch als Sirene. König Zack wurde mit dem Singschauspieler Carsten Süss besetzt, klangschöner der Mikroskop von Paul Schweinester. Komödiantisch superb Christoph Stockers König Kosmos. Dirigierdoyen Alfred Eschwé, bei der Juni-Premiere der Entführung aus dem Serail noch Notnagel, überzeugt mit dem Volksopernorchester vor allem bei straffem Musikmaterial.

Der Unique Selling Point dieser Produktion sind aber die Kostüme. Speziell bei der schneeweißen, skulpturalen Adjustierung der Mondlinge liefert Pelly große Kreativkunst ab. Darauf ruht sich der Franzose aber auch etwas aus: Die Bühnentechnik kann bei dieser Produktion eine ruhige Kugel schieben. Eine gewisse weltraumweite Leere stellt sich nach der Konsumation dieser fröhlichen Reisedoku dennoch ein. Überirdischer Jubel. (Stefan Ender, 15.10.2023)