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Wexford Festival Opera
24.10.2023 - 05.11.2023


Gianni Schicchi

Oper in einem Akt
Libretto von Giovacchino Forzano
Neue englische Version von Timothy Knapman
Musik von Giacomo Puccini

In englischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 15' (keine Pause)

Premiere im Grain Store at Stonebridge in Wexford am 24. Oktober 2023
(rezensierte Aufführung: 27. Oktober 2023)



 

 

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Erbschaftsstreit mit Lokalkolorit

Von Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant

Als neues Projekt hat Rosetta Cucchi, die künstlerische Leiterin des Wexford Festival Opera, die "Community Opera" ins Leben gerufen. Darin erarbeiten ortsansässige Bürgerinnen und Bürger aus Wexford mit Künstlerinnen und Künstlern der von Cucchi 2020 gegründeten "Wexford Factory" ein Werk, das dem Publikum an einem ungewöhnlichen Ort als "Walk-Through-Production" präsentiert wird. Die Wahl ist in diesem Jahr auf Puccinis komische Oper Gianni Schicchi gefallen, die von ihm eigentlich als dritter Teil von Il trittico gedacht war und seinem Wunsch nach eine Einheit mit Il tabarro und Suor Angelica bilden sollte. Bald musste Puccini jedoch einsehen, dass diese komische Oper des Dreiteilers größeren Anklang beim Publikum fand als die beiden anderen recht dramatischen Werke, und so wurde die berühmte Geschichte über den gewitzten Gianni Schicchi, der in die Rolle des verstorbenen Buoso Donati schlüpft und die Verwandten mit der Änderung des Testamentes prellt, bald auch von vielen Theatern losgelöst von den anderen beiden Werken präsentiert. Im Rahmen des Festivals stand dieser Einakter zuletzt 2011 als "Short Work" in einer Inszenierung von Roberto Recchia auf dem Programm (siehe auch unsere Rezension), der gemeinsam mit Cucchi, Elizabeth Drwal, Stefania Panighini und Peter McCamley als Tutor bei dem Projekt in diesem Jahr mitwirkt.

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Entsetzt nimmt die Familie (Ensemble) zur Kenntnis, dass der verstorbene Buoso Donati seinen gesamten Besitz der Kirche vermachen will.

Da das alte Getreidelager in Wexford hinter den Talbot Suites natürlich ursprünglich nicht für Theaterstücke gedacht war und es aufgrund der Räumlichkeiten auch nur für ca. 70 bis 80 Zuschauer*innen Platz bietet, wird Puccinis Einakter als eine Art Museumsgang in Szene gesetzt. Das Publikum wandert während des Stückes von einem Raum zum nächsten, wird ebenfalls Teil der Inszenierung und erlebt so eine interaktive Aufführung. Diese wird mit viel Spielwitz und Liebe zum Detail umgesetzt, und auch die Wexforder Laiendarsteller*innen werden nicht nur auf bloße Statistenrollen reduziert. So gibt es zahlreiche zusätzliche - wenn auch entferntere - Verwandte, die ebenfalls wie die übrigen Figuren des Stückes hoffen, in Donatis Testament großzügig bedacht zu werden. Außerdem übernehmen sie die Rollen des Notars und der beiden Zeugen, denen Schicchi als verkleideter Buoso den neuen letzten Willen diktiert. Dabei verbreitet vor allem Pat Whelan als Notar mit endlosen lateinischen Monologen großen Spielwitz.

Eingeführt wird die Rolle eines Erzählers, der als MC das Publikum am Eingang begrüßt und klare Anweisungen gibt, wann von einem Raum zum anderen gewechselt wird. Peter McCamley gestaltet die Rolle mit großer Originalität und Spontaneität und übernimmt auch noch die Partie des verwirrten Maestro Spinelloccio, der nicht zum verstorbenen Buoso vorgelassen wird, da dieser zu diesem Zeitpunkt bereits von Gianni Schicchi gespielt wird. Vereinzelte Zuschauerinnen und Zuschauer aus dem Publikum werden dafür als "Wand" zwischen Spinelloccio und Schicchi eingesetzt, damit der Betrug nicht auffällt. In diesem Ambiente erlebt das Publikum unterhaltsame 75 Minuten. Dass das Stück länger als im Original ist, ist dem Wechsel der Örtlichkeiten geschuldet und den damit einhergehenden erforderlichen Erläuterungen des Erzählers.

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Lauretta (Ami Hewitt) und Rinuccio (Conor Prendiville) lieben einander.

Insgesamt werden vier Räume auf zwei unterschiedlichen Etagen des Getreidelagers genutzt. Mehrere Säulen in der Mitte der jeweiligen Räume grenzen den Bereich für das Publikum von dem der Darstellerinnen und Darsteller ab. Wenn man den ersten Raum betritt, befindet sich auf der linken Seite das Bett, in dem Buoso stirbt. Die engeren Verwandten haben sich um das Bett versammelt. Die zusätzlich eingeführten Figuren werden vom Erzähler vorgestellt und befinden sich in einiger Entfernung zum Bett im gleichen beziehungsweise in dem daran angrenzenden Raum. Einige Requisiten deuten liebevoll den verspielten Charakter des Stückes an. Wenn Buoso gestorben ist und Betto di Signa die Vermutung verbreitet, dass Buoso sein ganzes Vermögen eventuell der Kirche vermacht hat, geht es in den benachbarten Raum. Hier bringen nun die Darstellerinnen und Darsteller auf der Suche nach dem Testament alles durcheinander. Man kann hierbei auch nicht mehr zwischen Rollen des Stückes und eingefügten Charakteren unterscheiden. Hier bilden sie alle eine stimmige Einheit. Als dann der letzte Wille gefunden und das Gerücht bestätigt worden ist, geht es bedrückt in den ersten Raum zurück. Eine Lösung muss her, die Rinuccio sehr zum Missfallen der Familie in Gianni Schicchi sieht.

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Noch feiert der Donati-Clan (Ensemble) Gianni Schicchi (Rory Musgrave, in der Mitte auf dem Bett).

Anschließend wechselt man die Etage. Auf dem Weg dorthin rekapituliert der Erzähler noch einmal mit dem Publikum, ob man bis jetzt der Handlung folgen konnte. Natürlich wird in diesem Ambiente nicht auf Italienisch sondern in einer englischen Übersetzung gesungen. Außerdem weist er darauf hin, dass man im Folgenden besonders auf den Bentley, die Apartments in Dublin und das große Haus in Wexford achten solle. Diese drei Dinge gehören zum Erbe Donatis und sind für die Familienangehörigen von besonderer Bedeutung. Die obere Etage ist dann ähnlich aufgebaut wie die beiden Räume darunter. Im Bett auf der linken Seite liegt nun die Leiche Donatis, die von Zita, Nella und La Ciesca in einen Teppich eingerollt und einen Schacht hinuntergeworfen wird. Andere Requisiten sind in mehreren Bereichen aufgestellt, so als ob man das Vermögen des Verstorbenen hier bereits sortiert habe. Auf diese Gegenstände stürzen sich dann auch die Angehörigen, nachdem Schicchi sie um das Erbe der drei oben erwähnten Dinge gebracht hat, bevor sie von Schicchi aus dem Haus getrieben werden.

Begleitet wird die Produktion von drei Musikern, die den nahezu familiären Charakter der Veranstaltung wunderbar einfangen. Auch gesungen wird auf hohem Niveau. Conor Prendiville gestaltet die Partie des Rinuccio, der Gianni Schicchis Tochter Lauretta liebt und eigentlich noch der Sympathischste aus der Familie Donati ist, mit kraftvollem Tenor, der in den Höhen für die Größe des Raumes an einigen Stellen ein bisschen zu weit aufdreht. Hier hätte er sich vielleicht ein wenig zurücknehmen können. Ami Hewitt punktet als Lauretta mit lieblichem Sopran und macht die bekannte Arie, hier "O beloved Father", zu einem musikalischen Höhepunkt der Produktion. Deirdre Arratoon und Peter Lidbetter punkten als Zita und Simone mit großartiger Komik. Leah Redmond und Vladimir Sima nimmt man als Nella und Gherardo die habgierige Verwandtschaft genauso ab wie Marta Pluda und Eoin Foran als La Ciesca und Marco. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Die neue Community Opera ist ein herrliches Projekt, ein wenig Lokalkolorit ins Festival zu bringen und auch Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt einzubeziehen.

Weitere Rezensionen zum Wexford Festival Opera 2023



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Luca Capoferri

Tutoren
Rosetta Cucchi
Elizabeth Drwal
Stefania Panighini
Peter McCamley
Roberto Recchia

Stage Manager
Emma Kehoe

 

Cello
Adriam Mantu

Klarinette
Seamus Whily

 

Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Gianni Schicchi
Rory Musgrave

Lauretta
*Ami Hewitt /
Federica Raja

Zita
*Deirdre Arratoon /
Sarah Luttrell

Rinuccio
Conor Prendiville

Gherardo
Vladimir Sima

Nella
Hanna O'Brien /
*Leah Redmond /
Corina Ignat

Gherardino
Oisin O'Leary

Betto di Signa
William Kyle

Simone
Peter Lidbetter

Marco
Eoin  Foran

La Ciesca
Marta Pluda

Maestro Spinelloccio
Peter McCamley

Ser Amantio di Nicolao
Pat Whelan

Pinellino
Rosheen Jones

Guccio
Raymond Moloney

Erzähler
Peter McCamley

Weitere Personen
Pat Carberry
Olga Doroshchuk
Lorraine Dowling
Helen Gaynor
Cate Hartigan
Bernadette Honohan
Rosheen Jones
Fiona McDermott
Raymond Moloney
Mairéad Sinnott
Ciara Tierney

 


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