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Wexford Festival Opera
24.10.2023 - 05.11.2023


Suor Angelica

Oper in einem Akt
Libretto von Giovacchino Forzano
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h (keine Pause)

Premiere im Jerome Hynes Theater in Wexford am 25. Oktober 2023
(rezensierte Aufführung: 29. Oktober 2023)



 

 

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Nonnendrama ohne Kloster

Von Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant

Die "Pocket Operas / Opera Beag", die das ehemalige beim Publikum äußerst beliebte Format der "Short Works" abgelöst haben, sollen sich von den "Short Works" eigentlich nur in einem Punkt unterscheiden: Wie die Hauptproduktionen auf der großen Bühne sollen sie einen Bezug zum Motto des Festivals haben. Bei Puccinis Operneinakter Suor Angelica, der im Rahmen der "Short Works" in Wexford zuletzt 2010 auf dem Programm stand, fällt es auf den ersten Blick schwer, einen Bezug zum Thema des diesjährigen Festivals, "Women and War", herzustellen. Krieg im eigentlichen Sinn herrscht in diesem dramatischen Werk eigentlich nicht. Fasst man den Begriff jedoch etwas weiter, kann man die Qualen, die die Protagonistin in Puccinis Oper erleidet, durchaus mit einem Krieg vergleichen. Wie La fille du régiment von Donizetti findet auch diese "Pocket Opera" im Jerome Hynes Theater und ohne Übertitel statt. Man setzt halt auf die Bekanntheit des Werkes und vertraut darauf, dass man durch die Inszenierung alles versteht.

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Angelica (Lorna McLean) sehnt sich nach ihrem Kind.

Suor Angelica ist eigentlich der zweite Teil eines dreiteiligen Opernabends mit dem Titel Il trittico, den Puccini selbst trotz der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Geschichten, immer als zusammengehörendes Stück betrachtet hat. Lange Zeit wehrte er sich auch dagegen, dass die einzelnen Teile allein aufgeführt oder mit anderen Kurzopern kombiniert wurden. Für ihn war das Werk gleichbedeutend mit einem Triptychon auf einem Altar, bei dem häufig ein Bildnis der Mutter Gottes von zwei anderen Erzählungen der Kirchengeschichte eingerahmt wird. So sah er auch seine Suor Angelica als das Zentrum dieses Dreiteilers und bezeichnete dieses Stück als seinen Lieblingsteil. Beim Publikum wurde Puccinis Begeisterung dafür nicht von Anfang an geteilt. Bei der ersten Aufführungsreihe in Covent Garden 1920 wurde der Teil bereits nach zwei Aufführungen unter einem nicht ganz nachvollziehbaren Vorwand gestrichen. Der dritte Teil, Gianni Schicchi, entwickelte bald ein Eigenleben und schaffte losgelöst von den anderen beiden Teilen den Sprung ins Repertoire, während Suor Angelica lange Zeit ein Schattendasein im Gesamtwerk des Komponisten führte.

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Angelicas Tante (Grace Maria Wain) will, dass Angelica auf ihr Erbe verzichtet.

Zum Thema "Frauen" passt Suor Angelica jedenfalls sehr gut, weil in dieser Oper keine Männer vorkommen. Die Geschichte spielt im 17. Jahrhundert. Angelica ist von ihrer Familie in ein Kloster abgeschoben worden, nachdem sie aus einer vorehelichen Beziehung ein Kind zur Welt gebracht hatte. In der Abgeschiedenheit sehnt sie sich nach ihrem Kind und wird von großen Schuldgefühlen geplagt. Dabei weiß sie nicht, dass das Kind mittlerweile gestorben ist, da die Familie den Kontakt zu ihr völlig abgebrochen hat. Erst als sie von ihrer gefühlskalten Tante aufgesucht wird, um den Erbanspruch zugunsten ihrer jüngeren Schwester aufzugeben, nutzt die Tante diese Information, um Angelica völlig zu brechen und auf ihr Erbe verzichten zu lassen. Angelica erholt sich von diesem Schock nicht. Den einzigen Ausweg sieht sie im Freitod, braut sich einen giftigen Trank und hofft darauf, ihr Kind im Jenseits wiedersehen zu können.

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Angelica (Lorna McLean) hofft, im Jenseits wieder mit ihrem Kind vereint zu sein.

Während in manchen Inszenierungen die Mutter Gottes bei Angelicas Erlösung als stumme Figur auftritt, verzichtet Grace Morgan in ihrer Inszenierung nicht nur auf ein Erscheinen Marias, sondern macht auch deutlich, dass die Geschichte in ihrer Lesart nicht in einem Kloster spielt. Sie rechtfertigt diese Entscheidung im Programmheft damit, dass es um den Kult gehe, der mit dem damaligen Klosterleben verbunden gewesen sei, und nicht um das Kloster als Institution. Daher sucht sie nach einem anderen Kult, der die Geschichte in die heutige Zeit übertragbarer macht, und ist bei den "Sister Silverhood" fündig geworden, die von 1982 - 1992 in Donegal ein Leben führten, das dem der Schwestern in der Oper relativ ähnlich gewesen sein soll. So sieht man im Bühnenbild von Lisa Krugel zwar in der Mitte der Bühne einen pittoresken Brunnen, wie er durchaus auch in einem Klostergarten stehen könnte. Die Schwestern tragen allerdings keine Nonnentracht, sondern weiße Kleider und darüber ein türkisfarbenes Tuch, das zunächst wie ein Schleier ihr Gesicht bedeckt.

Erhalten bleibt der kleine Junge, der häufig in Inszenierungen als Vision der sterbenden Angelica erscheint und eine tröstliche Wiedervereinigung im Himmel andeutet. Morgan lässt ihn direkt zu Beginn der Oper in weißem Kostüm mit einer Pflanze auftreten, die er in das Beet legt, das im weiteren Verlauf von Angelica bearbeitet wird. Handelt es sich dabei, um die giftige Pflanze, die Angelica für das Brauen ihres Todestrankes verwendet? Am Ende erscheint er dann in etwas kitschigem Goldkostüm, geht auf seine sterbende Mutter zu und schließt sie in die Arme. Giorgio D'Alonzo fängt am Klavier die sentimentale Atmosphäre der Musik wunderbar ein. Anders als bei La fille du régiment wird das Orchester hier nicht so schmerzlich vermisst. Die Nonnen werden von sechs Sängerinnen verkörpert, die sehr eindringlich spielen und stimmlich wunderbar harmonieren. Ohne Übertitelung ist es allerdings schwierig, genau zu wissen, wer wer ist, so dass individuelle Züge der einzelnen Figuren verloren gehen.

Anders verhält es sich natürlich bei den beiden zentralen Figuren des Stückes, Angelica und ihrer Tante. Lorna McLean verfügt in der Titelpartie über einen vollen Sopran, der auch in den Höhen große Dramatik besitzt, bei einzelnen Spitzentönen allerdings an seine Grenzen stößt. Darstellerisch überzeugt sie als still leidende Angelica, die ihr Schicksal eigentlich nicht nach außen trägt und erst bei der Ankunft ihrer Tante ihren Emotionen freien Lauf lässt. Grace Maria Wain gestaltet die Tante in schwarzem Hosenanzug und dunklem Mantel als absolut herzlosen Charakter mit kaltem Mezzosopran. Wie berechnend sie Angelica die Verzichtserklärung auf ihr Erbe unterschiebt und sich nach kurzem Überlegen doch von der verzweifelten jungen Frau abwendet, ist erschreckend boshaft umgesetzt. Unklar bleibt beim Auftritt von Dominica Williams als La Badessa, was das Blumengeflecht in ihrem Haar und der lange rote Schleier bedeuten soll, den sie bei der Ankündigung des Besuchs der Tante trägt. Die Intensität der Erzählung beeinträchtigt es jedoch nicht.

FAZIT

Puccinis Einakter geht musikalisch unter die Haut, ob mit oder ohne Kloster.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Giorgio D'Alonzo

Inszenierung
Grace Morgan

Bühne und Kostüme
Lisa Krugel

Licht
Maksym Diedov

 

Solistinnen und Solisten

Suor Angelica
Lorna McLean

La Zia Pincipessa
Grace Maria Wain

La Badessa
Dominica Williams

La Suora Zelatrice
Emma Jüngling

La Maestra delle novizie
Erin Fflur

Suor Genovieffa
Zita Syme

Suor Osmina
Susie Gibbons

Suor Dolcina
Kathleen Nic Diarmada

La Suora Infermiera
Helen Maree Cooper

 


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