Kinderoper Köln: „Die Bremer Stadtmusikanten“ (Premiere)

Oper Köln /BREMER STADTMUSIKANTEN/Ensemble/Foto © Thilo Beu

Die Kinderoper „Die Bremer Stadtmusikanten“ von Attila Kadri Şendil begeistert Kinder und Erwachsene in Köln

Etwa 60 Kinder im Kindergartenalter und 140 Erwachsene, vor allem natürlich die Eltern, waren in die Kinderoper gekommen, um die neueste Produktion für Kinder ab fünf Jahren zu erleben. Mucksmäuschestill saßen die Kinder auf Sitzkissen und spornten den Esel, den Hund, die Katze und den Hahn auf ihrem Weg nach Bremen an. Der aus Izmir stammende Komponist und Klarinettist Attila Kadri Şendil vertonte im Auftrag der Komischen Oper Berlin das Libretto von Ulrich Lenz, das der Geschichte der Bremer Stadtmusikanten von den Brüdern Grimm ein neues Gesicht gibt. Uraufführung war am 24. September 2017 in Berlin. (Besuchte Vorstellung: Premiere am 18. November 2023

 

„Bremen“ ist Sinnbild für den Aufbruch in ein neues, selbstbestimmtes Leben. Das Libretto ist mehrsprachig, denn die Tiere sprechen alle verschiedenen Sprachen, verstehen einander aber trotzdem. Sie sind Weltbürger*innen, denen es gelingt, durch ihre Freundschaft soziale und kulturelle Grenzen zu überwinden. „Yaparız biz herşeyi! Gemeinsam und vereint sind wir stark!“ singen die vier Tiere und machen sich auf den Weg nach Bremen, um dort ihr Glück zu finden. Sie sind Underdogs, Ausgestoßene und Individualisten.  Der Esel ließ seinen Besitzer stehen, als der ihn als dumm beschimpfte. Der Hund wurde von seinem Frauchen verstoßen, weil er beim Spielen immer alles kaputt machte. Die Katze weigerte sich, Mäuse zu fangen und wurde auf die Straße gesetzt. Dem Hahn gelang es nie, seine Gefühlsausbrüche zu kontrollieren, und so wurde er als Störenfried rausgeworfen. Doch nun bilden sie ein unschlagbares Team, das zusammen musizieren und berühmt werden will – „Un pour tous, tous pour un! Einer für alle, alle für einen!“ machen sich die vier Helden auf die Reise nach Bremen, zum Ort ihrer Sehnsucht. Natürlich tauchen am Weg zahlreiche Hindernisse auf, und es gibt auch Streitigkeiten untereinander. Wie die vier eigenwilligen Charaktere ihre Konflikte zu bewältigen und ihre Ängste zu überwinden lernen, erzählt diese außergewöhnliche Kinderoper.

„Die Bremer Stadtmusikanten“, 1819 von den Brüdern Grimm veröffentlicht, sind das berühmteste Beispiel für eine Tierfabel. Sie wurde weltweit übersetzt. Auch in der Türkei kennt man das Märchen und wünscht sich nach „Bremen“ als einem Ort der Freiheit und Utopie. Şendil benutzte traditionelle türkische Instrumente, orientalische Rhythmen und jazzige Harmonien und machte daraus eine ganz eigene fröhliche Mischung, die bei den Kindern und Erwachsenen sehr gut ankam.

„Die Bösen“ sind die Tierhalter, die ihre Hausgenossen weggeben, weil sie ganz bestimmte Anforderungen nicht erfüllen oder sich einfach nur artgerecht verhalten. Das Stück vermittelt die Botschaft, das (ethnische) Diversität und Vielfalt gut sind und dass man als Gruppe, die gut kommuniziert, alles erreichen kann. Der Beifall für den großen Auftritt der „Bremen animals“ zeigt, dass sie ihr Ziel mit Hilfe der Musik, die sie alle verbindet, erreicht haben.

Oper Köln/BREMER STADTMUSIKANTEN/Elena Plaza Cebrian, Julian Schulzki/Foto © Thilo Beu

Theresa von Halle, die die Oper inszenierte, und Brigitta Gillessen erarbeiteten die Kölner Fassung, die für Kinder ab fünf Jahren geeignet ist. Die genial-einfache Bühne und die fantasievollen Kostüme, die die Handlung eindeutig in der Gegenwart ansiedeln und die Tierhalter als etwas schrullige bizarre Erwachsenentypen in schwarz-weiß darstellt, entwarf Amelie Hensel, und Rhea Gubler arbeitete mit bei der Choreographie. Es wird ziemlich anspruchsvoll und temperamentvoll getanzt.

Rainer Mühlbach spielte mit dem Gürzenich-Orchester in kleiner Formation mit Sarang Choi am Klavier und Ercan Sahin mit einer Bağlama , einer türkischen Langhalslaute, die schmissige Musik.

Der Knaller aber waren die Sänger-Darsteller*innen, die mit überbordendem Witz und großer Spielfreude die Typen karikierten. Bassbariton William Socolov ist der dicke glatzköpfige Ernst, der seinen dummen Esel, Bariton David Howes, aussetzt, Mezzosopran Tina Drole ist die schräge Frau im Op-Art-Muster, die ihren ungeschickten Hund, den tolpatschigen Tenor Emanuel Tomljenović vor die Tür setzt, Julian Schulzki ist Karl im Schlafrock mit Sockenhaltern, der seine skrupelgeplagte Katze, die Sopranistin Elena Plaza Cebrian rausschmeißt, weil sie keine Mäuse fangen will, und die Mezzosopranistin Maike Raschke ist die herzlose Alte, die ihren lauten Hahn, die quirlige und in schwindelnden Höhen krähende Sopranistin Maria Koroleva, in die Fremde schickt.

Oper Köln /BREMER STADTMUSIKANTEN/Ensemble/Foto © Thilo Beu

Die Rollen sind alle typgerecht besetzt, und es ergeben sich wunderbare Songs, Duette und Ensembles und eine tolle Choreographie. Die Texte zwischen den Arien und Ensembles werden gesprochen, und es gibt zu den Songs deutsche Übertitel. Aber die Kinder verstehen die suggestive Musik auch so.

Am Ende überzeugen die „Bremen animals“ mit ihrem Vaudeville auch ihre ehemaligen Halter auf der ganzen Linie, und man geht beschwingt nach Hause, das Erkennungslied im Ohr.

Die Kinderoper wird im Saal 3 im 1. Stock der Ausweichspielstätte am Tanzbrunnen, der nur für 200 Zuschauer zugelassen ist, gespielt. Der Zugang ist barrierefrei, denn es gibt einen Aufzug für Rollstuhlfahrer, den man aber nur in Begleitung einer Mitarbeiterin nutzen kann. Auch die Kinderoper wird hoffentlich 2024 in ihre eigene neue Spielstätte am Offenbachplatz umziehen.

Zu den Vorstellungen der Kinderoper gibt es Material zur Vorbereitung im Unterricht.

 

  • Rezension von Ursula Hartlapp-Lindemeyer / Red. DAS OPERNMAGAZIN
  • Oper Köln /Kinderoper / Stückeseite
  • Titelfoto:Oper Köln/BREMER STADTMUSIKANTEN/Maria Koroleva, David Howes, Elena Plaza Cebrian, Emanuel Tomljenović/Foto © Thilo Beu / 

 

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