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BRISBANE/ Lyric Theatre, Queensland Performing Arts Centre. Premiere der Opera Australia. DIE WALKÜRE – Erster Abend “Der Ring des Nibelungen”

03.12.2023 | Oper international

“Die Walküre” – Premiere der Opera Australia, Lyric Theatre, Queensland Performing Arts Centre, Brisbane, 03. 12. 2023

Erster Abend des Opernzyklus “Der Ring des Nibelungen”; Text und Musik von Richard Wagner

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Die versammelten Walküren. Foto: Wallis Media / Opera Australia

 In der tropischen Mittagshitze um 13 Uhr oder 1 p. m., startet das erste Großereignis innerhalb des Wagner’schen Riesenunternehmens. Keine Angst, das Theater ist gut klimatisiert – wahrscheinlich auch eine Herausforderung, die richtige Einstellung zu erwischen, mit der man den Stimmen nicht schadet…

Die Herausforderung, die sich Regisseur und künstlerischer Gesamtleiter Chen Shi-Zheng mit seinem Gestaltungsteam, angeführt von Leigh Sachwitz, selbst auferlegt haben, ist nicht weniger als den ersten wirklich und komplett digital ausgestatteten „Ring“ zu produzieren. Dementsprechend werden die schon im Vorabend so eindrucksvollen computerproduzierten Hintergründe und Szenarios auch nicht projiziert – diese Technik haben wohl die Gestalter des Met-Ringes 2011 um Robert Lepage schon auf die unüberbietbare Spitze getrieben. Nein, hier arbeitet man mit 23 Stück 9 m hohen und bis zu 2,5 m breiten LED-Tafeln, die natürlich auch eine höhere Leuchtkraft und Farbintensität als Projektionen entwickeln. Der Regisseur ist übrigens der Meinung, so eine Riesenarbeit (Vorbereitungszeit original drei Jahre, durch Covid aber deren 6) zahle sich ohnedies nur aus, wenn man etwas völlig Neues schaffen kann.

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Siegmund (Rosario La Spina) mit Notung vor der Weltesche. Foto: Wallis Media / Opera Australia

Weil es aber doch nicht ohne konkrete Gegenstände auf der Bühne geht, wird die Haus- und Weltesche bei Hundings als vergrößerte 3D-Druckreplika eines in China aufgefundenen tausend Jahre alten Bonsaibaumes gestaltet. Und: war der witzige Kontrapunkt zur digitalen Perfektion im „Rheingold“ die ganz klassisch wie im „Schwarzen Theater“ menschenbetriebene Schlange, so ist das Gegenstück heute ein silbriger Totenvogel, der auf die selbe Weise wie die Schlange zum Leben erweckt wird und die Szene der Todesankündigung an Siegmund intensiviert. Außer einigen Schildern und Lanzen, an deren Form man die Zugehörigkeit zu Hundings wildem Geschlecht oder der Götterwelt erkennen kann, gibt es noch einen großen Phönix, auf dem die 8 Walküren einschweben und einen chinesisch anmutenden Drachen als Erscheinungsform Loges, der den Feuerring um den Brünnhildenfelsen bildet. Die chinesisch-australische Freundschaftsgesellschaft ist einer der Sponsoren der Produktion…

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Einführungsgespräch Tim Muno mit Pilippe Auguin . Foto: Petra und Helmut Huber

Die Aufführung beginnt (nach einem Einführungsgespräch des Musikers und Lehrers Tim Munro mit dem Dirigenten 45 Minuten vor dem Auftakt) wieder mit der Titelprojektion auf den Vorhang mit einem weltumspannenden „Buchstabenregen“. Beim Heben des Vorhanges wird auf  nordlichtartige Wellenmuster überblendet, die sich dann auch auf den LED-panels findet, während der flüchtende Siegmund hereinstürzt. Seine beginnende Annäherung an Sieglinde wird sehr fein detailliert von den beiden gespielt, etwa bei der Rückgabe des Trinkbechers mit einem zarten Berühren beider Finger. Hunding strahlt eine bedrohliche Aura aus.

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Sieglinde (Anna Louise Cole) und Hunding (Andrea Silvestrelli). Foto: Wallis Media / Opera Australia

Als die Winterstürme dem Wonnemond weichen, werden auf den Baumstamm Rosenblüten projiziert – anscheinend kann man noch nicht LED-Leuchten drucken, aber das kommt sicher auch noch. Und zusätzlich strahlt ein graphisch abgewandelter Mond vom Himmel – es ist ja Nacht, und Hunding narkotisiert. Der Akt endet mit einem farblich changierenden Konfettiregen, zuerst bei Schluß der Arie gelb, dann schließlich, als das Welsungenblut blüht, weiß. Ob dieser paßte oder doch etwas zuviel des Guten war, darüber sind wir geteilter Meinung.

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Wotan (Daniel Sumegi) und Brünnhilde (Lise Lindstrom). Foto: Wallis Media / Opera Australia

Der zweite Akt wird mit feurigen Orangetönen ähnlich Lavaeruptionen begleitet, die die Konflikte Wotan/Fricka und Wotan/Brünnhilde unterstreichen. Brünnhildes Todesverkündigung wird nebst dem schon erwähnten Vogel auch mit einem abstrakten Idealbild von Walhall im Hintergrund illustriert, erneut eine Reminiszenz an Wieland Wagners Stil. Ganz in einheitliches Orange getaucht ist schließlich der Kampf Siegmund-Hunding-Brünnhilde-Wotan.

Der (naheliegenden) Versuchung, den Walkürenritt zum zentralen Prachtstück dieser Oper, wenn nicht der gesamten Inszenierung zu machen (was wir freilich noch nur vermuten können), ist das Ausstattungsteam mit ansteckender Freude erlegen. Die Schwestern Brünnhildes schweben auf einem stählern glitzernden Phönix von einem Himmel, der aus den wunderbarsten Aufnahmen des Hubble-Teleskops zusammengesetzt erscheint. Was folgt, ist ein geschickt wechselndes Arrangement der Walküren analog zu ihrer Diskussion mit Vater und den Versteckversuchen Brünnhildes. Kennen wir schon, ist hier jedenfalls sehr gut gemacht. Schließlich verschwindet das Walküren-Raumschiff und stattdessen wird der Brünhildenfelsen hereingefahren, umgeben von (digitalen, farbchangierenden) Bergesspitzen, die die Dolomiten vor Neid gelb werden lassen könnten.

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Siegmund (Rosario La Spina) und Hunding (Andrea Silvestrelli) im Kampf. Foto: Wallis Media / Opera Australia

Philippe Auguin läßt das Queensland Symphony Orchestra erneut phantastisch aufspielen – die Ouverture wird relativ langsam genommen, aber trotzdem mit innerem Feuer und Drang. Als Sieglinde zum ersten Mal dem noch unbekannten Gast Wasser reicht, blüht ein wahrhaft wundersam lyrisches Streicherensemble auf. Ähnlich gut geht es im zweiten Akt dahin, mit perfekter Transparenz und Definition der Instrumentengruppen und Soli, natürlich in bester Einbindung der Singstimmen und Darstellung der heftigen Konflikte auf der Bühne. Daß der Walkürenritt perfekt strahlt und drängt und rumort ist Ehrensache, aber die tief bewegende Musik von Wotans Abschied kommt genauso perfekt und berührend daher.

Daniel Sumegi als Wotan ist heute stimmlich besser drauf als vorgestern, der kehlige Beiklang verschwunden; manchmal wirkt die Stimme etwas trocken, hart und kantig – kein Wunder bei den vielen Streitduetten – aber läßt nie gute Tiefe oder Höhe vermissen. Und als es an den Abschied von seiner Lieblingstochter geht, wird er richtiggehend lyrisch und legatoselig. Vielleicht wird Herr Sumegi nie ein Michael Volle, aber nach diesem wahnsinnig anstrengendem Abend ist klar, daß er der riesigen (Debut!)Rolle auf sehr hohem Niveau gewachsen ist, auch schauspielerisch.

Als Brünnhilde wurde die international erfolgreich tätige (u. a. in Wien als Salome) US-Amerikanerin Lise Lindstrom engagiert, die ihre Rolle in allen Aspekten großartig ausfüllt – Stimme, Modulation, Ausstrahlung, Schauspiel: alles vom Besten!!

Sieglinde ist die Australierin Anna-Louise Cole mit großer Stimme, einfühlsamer Modulation und hohem schauspielerischen Können; anzumerken ist eine besonders gute Diktion, was vielleicht daran liegt, daß sie neben Gesang auch Deutsch studiert hat. Sie wird im dritten Durchlauf des Zyklus (15. bis 21. Dezember) die Brünnhilde singen. Natürlich auch immer schön, wenn der Gattin Hundings ihr Bruder Siegmund ähnlich sieht, was auf Coles Landsmann Rosario La Spina absolut zutrifft. Und nicht nur das: er ist ein ganz großartiger Tenor mit lyrischer Stimmführung, aber heldischer Fundierung, was sich hier natürlich sehr gut macht – und mit genug Luft für 2 x 9 Sekunden „Wälse!“ und ebenso lange für das Blühen des Wälsungenblutes. Auch er in perfekter Artikulation und ein ausdrucksstarker Schauspieler. Der Hunding von Andrea Silvestrelli ist als Figur zum Fürchten und zum Hassen, für seine unendlich tief hinunter klangvolle Stimme aber zu lieben.

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Walkürenritt. Gerhilde (Jane Ede), Ortlinde (Jennifer Black), Waltraute (Deborah Humble), Schwertleite (Dominica Matthews), Helmwige (Mariana Hong), Siegrune (Agnes Sarkis), Grimgerde (Angela Hogan) und Rossweisse (Ruth Strutt). Foto: Wallis Media / Opera Australia

Auch die Rolle der Fricka ist mit Deborah Humble ausgezeichnet besetzt. Gleiches gilt für jede einzelne der Walküren: Gerhilde (Jane Ede), Ortlinde (Jennifer Black), Waltraute (Deborah Humble), Schwertleite (Dominica Matthews), Helmwige (Mariana Hong), Siegrune (Agnes Sarkis), Grimgerde (Angela Hogan) und Rossweisse (Ruth Strutt).

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Schlusssapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber)

Auf dem Weg, DEN Ring den 21. Jahrhunderts zu schaffen, haben die Beteiligten jedenfalls ein paar wichtige Kilometer zurückgelegt. Das ist eine gänzlich andere Liga als das, was wir zuletzt in Berlin oder Bayreuth ansehen mußten, das Wort Weltklasse scheint uns nicht übertrieben. Die 1998 anderen Zuschauer im Saal waren wohl ähnlicher Meinung, denn es gab tosenden Applaus, Jubel und standing ovation für alle Beteiligten – 10 Minuten, bis rigoros der Vorhang fiel.

Petra und Helmut Huber

 

 

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