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Orpheus in der Unterwelt

Opéra-bouffon in zwei Akten und vier Bildern
Libretto von Hector Crémieux und Ludovic Halévy
Deutsche Textfassung von Ludwig Kalisch mit Ergänzungen von Frank Harders-Wuthenow
Musik von Jacques Offenbach (Mixed Version 1858/1874)

in deutscher Sprache mit Übertitelung der Gesangstexte

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 11. November 2023
(rezensierte Aufführung: 8. Dezember 2023)




Theater Dortmund
(Homepage)
Orpheus am Pool

Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

Jacques Offenbach gilt im Allgemeinen als Schöpfer der Operette, und sein erster großer Erfolg Orpheus in der Unterwelt markiert dabei die Geburtsstunde dieser Gattung, auch wenn das Stück eigentlich als "Opéra-bouffon" bezeichnet wird. Unter "Operette" verstand man zur damaligen Zeit nämlich noch etwas ganz anderes, kurze komische Einakter, von denen Offenbach für sein 1855 in Paris eröffnetes Théâtre des Bouffes-Parisiens über 50 kreierte, die heutzutage jedoch nur noch selten auf der Bühne zu erleben sind. Mit der mythologischen Parodie griff Offenbach auf den Ursprung des Musiktheaters zurück, was ihm in der Presse nicht nur Zuspruch brachte. Der große Kritiker des Journal des Débats, Jules Janin, eröffnete sogar einen regelrechten Zeitungskrieg gegen das Stück, was Offenbach aber schlussendlich nur damit kommentierte, dass ihm die harsche Ablehnung nur mehr Publikum ins Haus und damit höhere Einnahmen gebracht habe und er daher Janin sogar dankbar sei. So konnte er die 1858 ursprüngliche zweiaktige Fassung 1874 um zahlreiche musikalische Nummern zu einer gigantischen Opéra-féerie ergänzen, in der die vier Einzelbilder zu großen Akten ausgebaut wurden. In Dortmund bedient man sich bei der Neuproduktion einer Mischfassung und erweitert die ursprüngliche 1858er-Fassung um die wichtigsten Höhepunkte der späteren Fassung. Dazu verwendet man eine deutsche Textfassung von Ludwig Kalisch mit Ergänzungen von Frank Harders-Wuthenow und fügt auch bei den Liedtexten einige humorvolle Neuerungen ein.

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Eurydike (Rinnat Moriah) liebt Aristeus (Fritz Steinbacher).

Regie führt Nikolaus Habjan, der in den vergangenen Jahren in Dortmund mit Mozarts Entführung aus dem Serail, Zauberflöte und Puccinis Tosca große Erfolge verbuchen konnte. Offenbachs Parodie setzt er als knallbuntes Spektakel in Szene. Die Kostüme von Denise Heschl und das Bühnenbild von Heike Vollmer haben dabei einen comic-haften Charakter. Das beginnt schon bei der öffentlichen Meinung, die wie eine strenge Gouvernante durch den Zuschauerraum auftritt und auf deren dunkelblauem Sakko eine knallrote Krawatte in einem von gelben Blitzen umrahmten aufgezeichneten Ausschnitt prangt. Mit dem Regenschirm à la Mary Poppins verschafft sie sich nicht nur Autorität sondern lässt auch den einen oder anderen Blitz sprühen. Maria Hiefinger spielt dabei die übertriebene Moral der Figur mit großartiger Slapstick-Komik aus. Warum der Anfang der Geschichte an einen Swimming Pool verlegt wird, in den der musikalische Leiter des Abends, Koji Ishizaka, mit Taucherbrille zum Orchester hinabsteigt, erschließt sich nicht wirklich, stört die weitere Handlung jedoch auch nicht, zumal textlich zum großen Teil darauf Bezug genommen wird. Aristeus ist hier kein Schäfer, sondern der Bademeister oder Personal Trainer von Eurydike und wird im Streitgespräch zwischen Orpheus und Eurydike von ihr heftig verteidigt, weil er immerhin in der Sauna für den Aufguss verantwortlich sei.

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Eurydike (Rinnat Moriah mit dem Tanzensemble) wird in die Unterwelt gebracht.

Rinnat Moriah und Zachary Wilson geben ein herrlich zerstrittenes Ehepaar Eurydike und Orpheus, das sich eigentlich einig ist, dass eine Trennung die einzige Lösung wäre, wenn da nicht die öffentliche Meinung wäre, auf die Orpheus als Künstler, der auf ein positives Image angewiesen ist, nicht verzichten kann. Wilson gibt den Musiker mit herrlich arroganter Attitüde und wirft sich kunstvoll seinen Schal um den Hals. Moriah ist als Eurydike so giftig wie ihr grelles gelbes Haar und schert sich nicht um die Karriere ihres Mannes oder die öffentliche Meinung. Großartige Komik verströmen die beiden in ihrem Duett "So ist's gemeint". Da Eurydike vorher Orpheus' Geige zerstört hat, muss ein Geiger (Nemanja Belej) aus dem Orchestergraben emporsteigen und Orpheus' Melodie auf der Bühne spielen. Moriah kommentiert das Spiel mit herrlich schrillen Tönen und einer großartigen Mimik. Danach hat sie nichts Besseres zu tun, als sich sofort ihrem Personal Trainer Aristeus in die Arme zu werfen. Dieser tritt zunächst mit schwarzer Perücke in einem Bademantel auf, unter dem sich ein Muscle Suit wölbt. Hier kommt bereits ein Tanzensemble zum Einsatz, das sich später als Plutos Gefolge entpuppt. Zunächst scheint es sich um Bedienstete am Pool zu handeln, die sich nach dem Schlangenbiss wie Aristeus in finstere Kreaturen verwandeln, die Eurydike dann in die Unterwelt entführen. Fritz Steinbacher vollzieht als Aristeus / Pluto einen überzeugenden Wandel vom verführerischen Beau zur unansehnlichen Kreatur der Unterwelt. Da verwundert es nicht, dass es Eurydike später dort nicht gefällt.

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Die öffentliche Meinung (Maria Hiefinger) erinnert Orpheus (Zachary Wilson) an seine Pflicht.

Orpheus' Freude über das Verschwinden seiner Frau währt nur kurze Zeit. Schon wird er von der öffentlichen Meinung gedrängt, mit ihr in den Olymp aufzusteigen und die Götter zu bitten, ihm die Gattin zurückzugeben. Die kurze Umbaupause zum zweiten Bild wird dann vor dem Vorhang von dem Tanzensemble recht unterhaltsam gestaltet, wobei das Publikum in einer Art Mitmachaktion aufgefordert wird, die Bewegungen des Ensembles im Takt mitzuklatschen. Danach hat sich die Bühne dann in den Olymp verwandelt, der ebenfalls an eine Comic-Zeichnung erinnert. In zwei Ebenen werden nun die Göttinnen und Götter in weißen Gewändern gezeichnet, wobei den zentralen Figuren jeweils ihre Attribute zugeteilt sind. Jupiter und Juno thronen in der oberen Ebene in einem riesigen Himmelbett, während der Chor sich in der unteren Ebene platziert hat. Mit großartiger Komik planen die Göttinnen und Götter dann die Revolte gegen Jupiter, die von Pluto unterstützt wird. Hier amüsiert vor allem beim berühmten Couplet "Um einst Alkmene zu verführen" die neue Zeile im Refrain "Alter Gott, du wirst nicht jung, auch nicht durch einen Seitensprung". Wenn dann die öffentliche Meinung mit Orpheus auftritt, muss auch der Geiger wieder auf die Bühne, um die berühmte Melodie aus Glucks Oper, "Ach ich habe sie verloren", anzustimmen. Danach geht es dann freudig in die Unterwelt und in die Pause.

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Eurydike (Rinnat Moriah) und Hans Styx (Steffen Schortie Scheumann)

Nach der Pause ist dann der "Pool", in dem das Orchester sitzt, verschwunden. Zum großen Höllenfest im vierten Bild werden dann am Orchestergraben lodernde Flammen aufgerichtet, so dass man sich nun wirklich in der Unterwelt wähnt. Zunächst sieht man nur eine schwarze Wand, in der sich in einiger Höhe ein kleines feuerrotes Zimmer befindet, in dem Eurydike ein tristes Dasein fristet. Mit herrlichen Koloraturen beklagt Moriah als Eurydike ihre Langeweile und sehnt sich sogar nach ihrem Mann zurück. Steffen Schortie Scheumann tritt nun als Hans Styx auf und erinnert optisch an eine Mischung aus Nosferatu und einem Kobold aus dem Harry-Potter-Universum. Da verwundert es nicht, dass Eurydike sein Liebeswerben nicht erwidert. Mit herrlicher Komik präsentiert er das berühmte Lied des Prinzen von Arkadien, wobei selbst die Übertitel bei der dritten Strophe streiken und nur kommentieren, dass er leider noch eine weitere Strophe singen werde. Wenn Jupiter dann mit seinem Bruder Pluto die Bühne betritt, wird eigentlich nicht wirklich deutlich, dass er Eurydike in dem hochgelegenen Zimmer erblickt hat. Von daher ist die Verwandlung in eine Fliege nicht wirklich motiviert, auch wenn sie mit großer Komik umgesetzt wird. Morgan Moody versprüht als Jupiter-Fliege großartige Komik und hat das ganze Tanzensemble als Fliegen zur Unterstützung, um die schwirrenden Flügel zu simulieren. Umständlich ist lediglich, dass anschließend wieder die hohe Treppe vorgefahren werden muss, damit Jupiter wirklich "durch das Schlüsselloch" in Eurydikes Zimmer Einlass finden kann. Wenn er dann aber auf der Treppe von der Bühne geschoben wird, nutzt Moody das zaghafte Wegschieben für wunderbare Komik aus. Zu erwähnen ist in diesem Bild auch noch das in der 1874-er Fassung eingefügte Couplet des Cupido, das von Soyoon Lee mit großem Charme präsentiert wird.

Das letzte Bild ist dann ein rauschhaftes Höllenfest, bei dem sich die Göttinnen und Götter in der Unterwelt so richtig austoben. Eurydike tritt nun als Bacchantin in schwarzem Gewand auf und hat ihre blonden Haare gegen eine ausladende feuerrote Perücke getauscht. Nun kommt der eingängige "Galop infernal", der häufig auch als "Cancan" bezeichnet wird und mit dem Offenbach die Bühnen der ganzen Welt erobert hat. Das Tanzensemble setzt ihn mit großer Freude um und auch die Zuschauenden hält es dabei nur schwer auf ihren Sitzen. Wie schon am Ende des zweiten Aktes schießen die Göttinnen Konfetti in den Zuschauerraum. In dieses bunte Treiben platzt die öffentliche Meinung als Spaßbremse und fordert, dass Eurydike Orpheus zurückgegeben wird. Da sieht Jupiter nur einen Ausweg. Orpheus darf sich auf dem Weg zurück zur Erde nicht nach seiner Gattin umdrehen, um sie nicht zu verlieren. Da das bei Offenbach ja nicht in Orpheus' Interesse liegt, muss Jupiter zu einer List greifen und einen Blitz abschießen, so dass Orpheus sich vor Schreck umdreht. So bleibt Eurydike auf ewig eine Bacchantin, die nun dem Gott Bacchus dient und darüber nicht traurig zu sein scheint. Koji Ishizaka begleitet mit den Dortmunder Philharmonikern das durchweg spielfreudige Ensemble mit viel Esprit und Präzision aus dem Orchestergraben, so dass es für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

Nikolaus Habjan gelingt es mit einer relativ modernen Inszenierung, den Charme von Offenbachs Werk zu erhalten, und liefert gute Unterhaltung mit einem spielfreudigen Ensemble und guter musikalischer Umsetzung.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi /
Andrea Alessandrini /
*Koji Ishizaka

Regie
Nikolaus Habjan

Bühne
Heike Vollmer

Kostüme
Denise Heschl

Mitarbeit Kostümbild
Nicola Gördes

Choreographie
Adriana Naldoni

Licht
Florian Franzen

Choreinstudierung
Fabio Mancini

Dramaturgie
Daniel Andrés Eberhard

 

Dortmunder Philharmoniker

Opernchor Theater Dortmund

 

Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Orpheus
Zachary Wilson

Eurydike
Rinnat Moriah

Die Öffentliche Meinung
Maria Hiefinger

Aristeus / Pluto
Fritz Steinbacher

Hans Styx
Steffen Schortie Scheumann

Jupiter
Morgan Moody

Juno
Christine Groeneveld

Venus
Hyejun Melania Kwon

Diana
Ruth Katharina Peeck

Minerva
Subin Park

Merkur
Min Lee

Cupido
Soyoon Lee

Tanzensemble
Marlou Düster
Elisa Fuganti Pedoni
Nathalie Gehrmann
Helena Sturm
Iván Keim
Lorenzo Malisan
Evaldo Melo
Christian Meusel

Swing
Eva Kwasny

Ein Geiger
*Nemenja Belej /
Wojciech Wieczorek

 


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