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KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater: „DIE SCHWEIGSAME FRAU“ – Maskerade im Breitwand-Blick

17.12.2023 | Oper international

Badisches Staatstheater Karlsruhe: „DIE SCHWEIGSAME FRAU“ 16.12. 2023 (Pr.9.12.) – Maskerade im Breitwand-Blick

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Brillantes Ensemble im Breitwand-Format. Copyright: Felix Grünschloß

Ohne den durchaus weltweit berechtigt erfolgreichen „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti in Frage stellen zu wollen, macht die Begegnung mit der auf der gleichen Vorlage, „Epicoene or the silent woman“ des nach Shakespeare bedeutendsten Renaissance-Dichters Ben Jonson, fußende einzige komische Oper Richard Strauss auf Anhieb deren sowohl textlich-geistige als auch musikalische Überlegenheit bewusst. Doch einerseits verhinderten die politischen Umstände des Nationalsozialismus (der nach Hofmannsthals Tod als andersartig genialer Textautor fungierende Stefan Zweig war jüdischer Abstammung und Pazifist) eine breitere Bekanntmachung des Werkes, andererseits übersteigen teils die vokalen als auch die instrumentalen Ansprüche die Fähigkeiten mancher Theater, weshalb dieses opus bislang hauptsächlich hin und wieder an wenigen großen Bühnen realisiert wurde.

Nun wurde es in Karlsruhe, wo auch Wert auf geeignete Gast-Interpreten gelegt wird und ein überdurchschnittlich qualifiziertes Orchester zur Verfügung steht, auf Wunsch seines GMDs Georg Fritzsch in Angriff genommen. Ursprünglich im ersten Corona-Jahr 2020 geplant, kam es nun mit Verspätung zur Realisierung. Damit sind wir sogleich beim ersten Trumpf dieses verdienten Repertoire-Lückenschlusses: die Badische Staatskapelle servierte die mit vielen Eigen- und auch Fremd-Zitaten der Operngeschichte gespickte, rasante Parlando-Virtuosität und blühend abgeklärtes Melos brillant miteinander verzahnende Partitur agil, leicht, selbst in den vom Komponisten die Hör-Empfindlichkeit des Protagonisten Sir Morosus aufs Korn nehmenden, köstlich bewusst lärmenden Ausbrüchen so austariert, dass die Singstimmen nicht ins Hintertreffen gerieten. Schwebend schön realisierte Streicherpassagen, ohne markantere Trübungen auffallende Bläser und ein mit Lust eingesetztes Schlagwerk vereinten sich zu einem ob ihres raffinierten Einsatzes reichen Vergnügen, das auch eine Wiedergabe ohne Spiel getragen hätte.

Doch die Szene erwies sich hier mit Zunahme der Aufführung als Gewinn bringende Komponente. Mag die Verlegung der Handlung in die Gegenwart sich manchmal am Libretto und musikalischen Geist reiben und erst im Verlauf des Geschehens Charme entwickeln –  die Regisseurin Mariame Clément greift für ihre Inszenierung auf die erwähnte Vorlage zurück, in dem sie den Generationen-Konflikt zwischen dem pensionierten Kapitän Morosus und seinem zuerst als Erbe eingesetzten, dann ob seines Lebenswandels als Kopf einer italienischen Operntruppe wieder enterbten und schließlich nach lehrreicher Versöhnung doch wieder eingesetzten Neffen Henry, als Synonym für das auch durch den Lärm der heutigen Welt geplagte Gehör des Onkels interpretiert. Auch das aktuell sehr überzogene Gendern findet sich bereits in Jonsons Bühnenstück, in dem sich die als „schweigsame Frau“ präsentierte Aminta bzw. Timidia als Mann entpuppt. Das tut sie hier nicht, stattdessen befindet sich unter der durch Statisten erweiterten Truppe Henrys ein Transvestit, ein anderer erscheint als vorgetäuschter Notar in weiblichem Gewand. Dieses Künstler-Ensemble wird auch durch die szenische Lösung von Julia Hansen (ebenso für Kostüme verantwortlich) funktional aufgewertet, bei der die zunächst in zwei, dann in drei nebeneinander liegende Zimmer aufgeteilte Bühne rechts durchgängig deren Garderobe und ihre wechselnden Kostümierungen sichtbar macht.  Dadurch kommt es kaum einmal zu einem Stillstand, die Umtriebigkeit des musikalischen Flusses spiegelt sich immer wieder brillant in den Aktionen der Akteure. Erst wenn Morosus am Ende glücklich und zufrieden seine Ruhe wiedergefunden hat, gehört die Bühne ihm alleine. Friedemann Röhlig vermag sie nicht nur hier mit präsenter Persönlichkeit, schauspielerischer Sensibilität und vor allem einem raumgreifenden Bass mit anständiger Tiefe, substanzvoller Mittellage und nicht überstrapaziert wirkender Höhe durchgängig zu füllen und den Charakter des Gepeinigten, der zuletzt über sich selbst lachen kann, mit teils berührender Menschlichkeit zu erfassen.

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Im Mittelpunkt Danae Kontora (Aminta) und Friedemann Röhlig (Morosus), umgeben von Florence Losseau (Carlotta) und Tomohiro Takada (Barbier). Copyright: Felix Grünschloß

Drahtzieher des scheinhaften Spiels zur Heilung Morosus ist sein Barbier Schneidebart, von Ks.Tomohiro Takada mit beweglicher baritonaler Substanz und nur geringfügigen Schwächen in der Tiefe nicht übertrieben lebhaft in Szene gesetzt. Durchaus bewundernswert wie er mit den für nicht deutsche Muttersprachler sperrigen Wortkaskaden zurecht kommt.

Als Henry lässt Eleazar Rodriguez einen im Kern lyrisch gebliebenen Tenor mit Strauss typisch vertrackte Höhenausuferungen leicht und schlank bewältigendem Einsatz hören, nebst sympathischem Anstrich eines Liebenden, der mit dem gehörnten Onkel auch Mitleid empfindet. Seine als eben jene gesuchte schweigsame Gemahlin vorgeführte Frau Aminta ist mit der zierlichen Griechin Danae Kontora goldrichtig besetzt. Einfühlsam, beherzt, temperamentvoll und in der Verkleidung glaubhaft schüchtern – in dieser Mischung zieht sie alle Register, in Klang verwandelt durch einen bis in die extremen Spitzen und Koloraturen klangvoll, klar und präzise bis in die kleinste Wendung agierenden Sopran. Auf einen solchen Schatz, der seit dieser Spielzeit zum Ensemble gehört, sollte die Repertoire-Planung unbedingt abgestimmt werden.

Als geschwätzig neugierige Haushälterin ist Christina Niessen mit passend derb eingefärbtem und teils vehement aufbrausendem Sopran voll auf dem Posten. Zum Opernensemble gehören Carlotta, die im falschen Spiel als bayerischer Bauerntrampel glänzende Mezzo-Sopranistin Florence Losseau, sodann Isotta, die sich trefflich in eine wortreiche standesbewußte Frau verwandelnde Sopranistin Henriette Schein; der überzeugend eine Notarin mimende Morbio, wozu allerdings der männlich kernige Bariton von Konstantin Ingenpass einen seltsamen Bruch ergibt; der als gewandter Pfarrer fungierende Vanuzzi des kräftig intonierenden Bassbaritons Renatus Meszar und der mit bauchfreiem Top und Haarschwanz zwischen den Geschlechtern pendelnde Farfallo, von Gabriel Fortunas wendig in Szene gesetzt und vokal manchmal etwas grobkörnig verlautbart.

Ein kleiner Teil des Badischen Staatsopernchors verstärkte die Hochzeitsgesellschaft und damit eine Aufführung, die Lust darauf machte, diesem Werk in seiner schillernden Zutatenmischung öfter zu begegnen, zumal in dieser um etwa 50 Minuten gekürzten Fassung, die der Uraufführungsdirigent Karl Böhm bereits 1959 anlässlich einer mustergültig besetzten und zum Glück auf Tonträgern erhaltenen Festspiel-Produktion in Salzburg präsentierte.

Das Werk hätte es verdient populärer zu werden, um nicht wie an diesem (wohlgemerkt) Samstag abend erst eine Woche nach der Premiere vor vielen freien Plätzen und relativ schnell endendem Applaus stattfinden zu müssen.

 Udo Klebes

 

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