Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, LA CENERENTOLA - Gioacchino Rossini, IOCO Kritik

Am 17.2.2024 feierten wir in Duisburg die Wiederaufnahme einer fast schon denkmalgeschützten Produktionvon LA CENERENTOLA, seit 50 Jahre auf der Bühne der Rheinoper Duisburg Düsseldorf . Das Werk von Gioacchino Rossini, vielleicht eine der besten Komödien der Operngeschichte.

Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, LA CENERENTOLA - Gioacchino Rossini, IOCO Kritik
THEATER DUISBURG @ IOCO

 von Uli Rehwald

Heute, am 17.2.2024 feiern wir in Duisburg die Wiederaufnahme einer fast schon denkmalgeschützten Produktionvon LA CENERENTOLA, die sich sagenhafte 50 Jahre auf der Bühne der Rheinoper Duisburg Düsseldorf, die Deutsche Oper am Rhein, gehalten hat. Und das Werk von Gioacchino Rossini, das vielleicht eine der besten Komödien der Operngeschichte ist.

GIOACCHINO ROSSINI Grabstätte in Paris @ IOCO

Der viel zu früh verstorbenen Regisseur Jean-Pierre Ponnelle (1932-1988) war ab Mitte der 60er Jahre eine der Größen der Opernregie. Viele seiner Opern-Inszenierungen gingen erfolgreich um die ganze Welt. Und so hat er uns auch ein Regiewerk hinterlassen, das bis heute noch nicht das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat. Sondern sicher noch über die bisherigen 50 Jahre hinaus leben wird, wenn man die Begeisterungsstürme des Publikums zugrunde legt. Ponnelle zeigt uns kein Regietheater, kein Experiment, was man an (damals) aktuellen Themen aus dem Stück herauslesen könnte, keine leere Bühne, sondern er trifft mit seiner Inszenierung geradezu genial den Kern dessen, was Rossini geschrieben hat: Ein fast atemlos-überschäumend heiteres Werk voller Situationskomik, alles fühlt sich leicht, beflügelt, zeitlos an. Heute gibt es ein konsequentes Nein zu der düsteren Seite der Oper: Tief-abgründigen Sinnfragen bleiben aus, die großen schmerzhaft-tragischen Gefühle finden nicht statt. Sondern es wird konsequent nur heiter-ausgelassen gefeiert. Und wahrscheinlich hat sich diese Inszenierung genau deshalb 50 Jahre gehalten.

Das Theater Duisburg bietet die heutige Oper unter dem Format „Zahl, so viel du willst“ an. Mit einem ganz erfreulichen Ergebnis: Das Haus ist ausverkauft, außerdem ist der Altersschnitt deutlich jünger als sonst.

LA CENERENTOLA hier vl Clorinda, Tisbe, Alidoro, Angelina @ Hans Jörg Michel

Der Name „Cenerentola“ ist die italienische Bezeichnung für das Märchen „Aschenputtel“. Es ist eines der ältesten Märchen überhaupt, das es in vielen Ländern in unterschiedlichen Ausführungen gibt. Jacopo Ferretti, der das Libretto für Rossini geschrieben hat, erzählt das Märchen mit einigen Änderungen:

-        Das junge Mädchen Aschenputtel heißt in dieser Oper Angelina. Die böse Mutter gibt es nicht, sondern – weil es eine komische Oper ist – den obligatorischen Bass-Buffo als Vater der 3 Töchter. Auch die Rolle des Prinzen-Dieners Dandini und des Philosophen Alidoro gibt es im klassischen Märchen nicht.

-        Die Schuhprobe in der grausamen Form der Gebrüder Grimm (mit abgeschnittenen Zehen und „Blut im Schuh“) bleibt uns erspart. Vielmehr ist es ein Armreif, an dem der Prinz Amiro seine geliebte Angelina wiedererkennen soll.

Aber selbstverständlich gibt es die Einladung des Prinzen zum großen Ball. Und natürlich das Kernstück des Märchens, die weibliche Form der Heldenreise: Angelina bei der Entwicklung von der schikanierten Dienstmagd zur Königin der Herzen. Ihre Heldenreise besteht sie nicht mit dem Schwert in der Hand (das wäre die männliche Form), sondern allein mit ihrem beispielhaft guten Herzen.

Das Bühnenbild, bestehend aus zwei auf die Kulisse aufgemalten Villen (die baufällige Villa der Aschenputtel-Familie und die glanzvolle Villa des Prinzen), mag etwas aus der Zeit gefallen sein, funktioniert aber mit den einzelnen Räumen für die sich überschlagenden Handlungsstränge gut. Die Kostüme (ebenfalls von Ponnelle) sind klassisch gehalten, aber sehr aufwendig gestaltet, ein Fest für die Augen.

Das größte Fest ist heute aber die leichte, beschwingte Form der Heiterkeit sowohl in der Musik als auch bei der Inszenierung. Ponnelle hat es geschafft, dass sich seine überbordenden Regie-Einfälle wie bei einem guten Tanzpaar eng und effektreich an heitere Rossini-Musik anschmiegen.

-        Der Herrenchor (unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut) tritt als Brautwerber komisch-grotesk auf: Alle Herren grinsen übertrieben-plakativ ins Publikum, jeder mit Zylinder und einer Rose, fast schon ironisch Balletthaft gemeinsam genau zum Rhythmus der Musik stolzierend.

-        Wenn Don Magnifico (der Vater) vom Diener Dandini über die Verwechslungskomödie aufgeklärt wird, zeigt die Szene nur einen einzigen Stuhl, auf den sich beide setzen wollen, um sich musikalisch durchzusetzen und dabei auch ihre „jeweilige Wahrheit“ behaupten wollen.

LA CENERENTOLA hier Angelina, Don Ramiro, Chor @ Hans Jörg Michel

-        Großzügig verzeiht Angelina am Ende der Oper ihren beiden bösen Schwerstern. Diese suchen verlegen quiekend die Flucht. Jeder im Publikum freut sich über ihren langen Weg bis zum Bühnen-Seitenabgang, der von den beiden herzhaft quiekend und grotesk gestikulierend zurückgelegt wird. Tatsächlich gibt es für diese Quiek-Szene spontanen Szenenapplaus.

-        Als Schlussbild der Oper schenkt uns Ponnelle ein ironisch gestelltes Familien-Foto aller Beteiligten: Sie müssen bei feierlicher Musik dabei so tun, als ob große Zuneigung zwischen der gerade entstandenen Familie herrschen würde.

Maria Kataeva in der Rolle der Angelina ist zweifelsohne der Star des Abends. Ihr gelingt es, die rührende Großherzigkeit des „Aschenputtels“ beeindruckend zu zeigen. Und auch die unglaublich schwere Abschlussarie besteht sie mit Bravour. Alasdair Kent zeigt seine mühelos-strahlenden Töne in der Rolle des Prinzen Don Ramiro. Die Rolle des Don Magnifico ist eine Paraderolle für jeden Bass-Buffo. Wie sich heute Günes Gürle in dieser Rolle allein schon schauspielerisch überragend schlägt, ist den Weg nach Duisburg wert. Mara Guseynova (als Clorinda) und Kimberley Boettger-Soller (als Tisbe) geben selbstbezogen herumzickend ein Abziehbild der beiden bösen Schwestern. Auch Jake Muffett (in der Rolle des Dieners Dandini) und Luke Stoker (als Alidoro) tragen zur geschlossenen guten Leistung aller Sänger bei.

Besonders beeindruckend sind die großen Ensembles, wo alle Beteiligten auf ihrer individuellen Melodie zu vollem Orchester singen und daraus - es ist das Geheimnis von Rossini, wie das funktioniert - etwas gemeinsam Strahlend-Heiteres wird. Die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Harry Ogg schaffen es, diese überaus schwierigen Stellen zusammenzuhalten und dabei die Größe dieser Musik zu zeigen.

Wer hier in diesem heiteren musikalischen Feier-Kosmos seinen Alltag nicht vergessen hat, wer sich nicht in dem musikalisch-szenischen Strudel mit in den Flow mitreißen lässt und seine Heiterkeit wiederfindet, dem ist nicht zu helfen.

Zu Recht anhaltender Applaus und Bravorufe. Das begeisterte Duisburger Publikum feiert die gelungene Wiederaufführung dieser erhaltenswert-ehrwürdigen Inszenierung.

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