Essen: „Aida“, Giuseppe Verdi

© Saad Hamza

Als Dietrich Hilsdorfs Essener Inszenierung von Verdis „Aida“ am 9. Dezember 1989 ihre Premiere hatte, lief der Spielbetrieb im Aalto-Theater erst ein Jahr. Die Berliner Mauer war genau einen Monat vorher geöffnet worden, aber die DDR existierte noch, ebenso wie der Warschauer Pakt. Dass diese Inszenierung zur langlebigsten und damit auch erfolgreichsten „Aida“-Produktion der wiedervereinigten BRD werden sollte, wagte damals wohl niemand zu träumen. 35 Jahre nach der Premiere gab es jetzt eine erneute Wiederaufnahme der Erfolgsproduktion.

Damals galt Dietrich Hilsdorf als Regie-Schocker und böser Provokateur. Die erneute Begegnung mit der Aufführung zeigt ihn aber in den Szenen, in denen nur die Solisten auf der Bühne stehen, als feinfühligen Meister des Kammerspiels. In den großen Chor- und Ritualszenen des Stückes erlebt man Hilsdorf als klugen Analytiker politischer Mechanismen und Propaganda, der dabei gerne gegen traditionelle Sehgewohnheiten verstößt.

Bei der Segnung Radames als Feldherr wird sein Schwert mit dem Blut eines Kindes beschmiert. Im Hintergrund ragt ein goldener Adler als faschistisches Symbol empor. Höhepunkt dieser Aufführung ist der Triumphmarsch, als grelle Politsatire: Da treten Showgirls, Kriegsveteranen auf Krücken, Rüstungsmagnaten als Elefanten und die Kinder gefallener Soldaten auf, die dem König zujubeln.

Beeindruckend ist das verschachtelte Bühnenbild von Johannes Leiacker: Ein bemalter Vorhang zeigt eine Wüstenlandschaft mit Pyramiden und Positionslichtern einer Landebahn. Wenn die Figuren vor diesem Vorhang stehen, werden sie zu Beobachtern des Geschehens auf der Hauptbühne, wo sich ein bunkerartiger Innenraum befindet. Dahinter fahren mal Monumentalköpfe vorbei, oder eine Pyramide schwebt im leeren Raum. Im Schlussbild wird der Bunker zu einem Tunnel, der in die Unendlichkeit führt.

Nach 35 Jahren steht hier natürlich niemand mehr aus der Originalbesetzung auf der Bühne. Die Akteure von damals sind zum größten Teil jenseits der 80 und im Ruhestand. Dirigent Guido Ajmone-Marsan verstarb 2014, Therese Renick, die damals die Amneris sang, betreibt heute eine Sänger-Agentur. Lediglich Franz-Josef- Selig, der 1989 frisch von der Kölner Musikhochschule engagiert den König sang, ist immer noch eine internationale Bassgröße und gerade vor allem als König Marke, Daland und Gurnemanz unterwegs.

© Saad Hamza

Am Pult der Essener Philharmoniker steht der neue GMD Andrea Sanguineti. In den Arien ist er ein sorgfältiger Begleiter, in den Ensembles und Chorszenen führt er die Musiker zu dramatischer Intensität. Als hervorragende Aida präsentiert sich Astrik Khanamiryan: Sie glänzt sängerisch mit dramatischer Mittellage und starker Höhe. Die Amneris von Bettina Ranch verfügt über kräftige Spitzentöne, klingt in der tieferen Lage aber unangenehm kehlig.

Den Radames singt Gianluca Terranova mit einem kraftvollen Tenor, der auch viel heldischen Glanz besitzt, in „Celeste Aida“ aber auch mit viel Schmelz in der Stimme glänzt. Den Amonasro verkörpert Heiko Trinsinger mit seiner vollen und weichen Stimme. Mit kräftigem Bass gefällt Sebastian Pilgrim in der Rolle des intriganten Oberpriesters Ramphis. Einen sonor-seriösen König singt Baurzhan Anderzhanov.

Opernfans, die diesen „Aida“-Klassiker live erleben wollen, sollten sich rechtzeitig um Karten bemühen, denn erfahrungsgemäß sind die Vorstellungen stets ausverkauft.

Rudolf Hermes, 22. Februar 2024


Aida
Giuseppe Verdi

Aalto Theater Essen

Besuchte Vorstellung: 16. Februar 2024
Premiere: 9. Dezember 1989

Inszenierung: Dietrich Hilsdorf
Musikalische Leitung: Andrea Sanguineti
Essener Philharmoniker