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STUTTGART/Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL – Märchenhaftes zwischen Kommerz und Natur

26.02.2024 | Oper international

Staatsoper Stuttgart

„HÄNSEL UND GRETEL“ 25.2. 2024– Märchenhaftes zwischen Kommerz und Natur

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Eliza Bloom (Gretel), Linsay Coppens (Hänsel). Foto: Martin Sigmund

Bei dieser 30. Vorstellung des Märchen-Klassikers von Engelbert Humperdinck seit der Premiere vor gut zwei Jahren klafften doch einige Lücken im Zuschauerraum, die bei der Bekanntheit und Beliebtheit des Werkes etwas erstaunen. Ob die Eintrittspreise für ein gerade auch an ganze Familien gerichtetes Stück nicht doch zu hoch sind oder ob sich herum gesprochen hat, dass die Inszenierung von Axel Ranisch keine heile Märchenwelt, sondern einen immer mehr abbrennenden Wald als Ausbeutung der Natur durch den Kommerz am Beispiel der monopolistischen  Lebkuchen- bzw. hier Drops-Fabrikantin namens Rosina Leckermaul zeigt? Abschrecken sollte bzw. tut dies jedenfalls nicht, weil Ranisch trotz dieser deutlichen aktuellen Thematisierung märchenhafte Elemente und Stimmungen nicht scheut. Die Bühne von Saskia Wunsch, die Kostüme von Alfred Mayerhofer sowie die hier wirklich zum Stück beitragende Video-Gestaltung von Philipp Contag-Lada schaffen einen Kosmos, in der sich die vergegenwärtigte Handlung mit allen wesentlichen Details entfalten kann. Allein das immer mehr vom Feuer bestimmte, von einer Kamera bewegte Wald-Panorama mit fliehenden Tieren während des Orchestervorspiels ist ein Beispiel dafür, wie sehr da auch auf die Musik gehorcht wurde. Der erwähnte Kosmos trägt auch zum Wohl individueller Rollengestaltung neuer Besetzungen bei. Davon ist hier in fast allen Partien die Rede.

Bei Eliza Booms vokal beweglicher, das Liedhafte und das symphonisch Auswachsende mit gut tragendem Sopran gleichsam beherrschender Gretel und Linsey Coppens hell timbriertem und klar pointierendem Mezzo als Hänsel mit jungenhaftem Gebaren ist nur zu bedauern, dass ihre Stimmen bei aller spielerischen Harmonie in der Farbe zu wenig kontrastieren.

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Martina Mikelic (Hexe), Linsay Coppens (Hänsel). Foto: Martin Sigmund

Martina Mikelic lockt die Geschwister wie alle ihre Opfer mit verführerischem Auftreten als Geschäftsfrau, die ihren Zauberstab in der Tasche mitführt, in ihre mörderische Fabrik, deren Mechanismus im Hintergrund immer wieder in Gang gesetzt wird. Das traditionell Urwüchsige einer Hexe, das auch die Premieren-Kollegin noch ein Stück weit mitbrachte, fehlt bei ihr völlig. Stattdessen gebietet sie über einen attraktiven Mezzosopran dunkel abgründiger Farbe und bis in die Spitzen unbegrenzt müheloser Entfaltung.

Dem Vater verleiht Jasper Leever mit fülligem Bass-Bariton fast stürmischen vokalen Überschwang im Versuch die desolate Haushaltslage der Besenbinder positiv zu überspielen. Im Gegensatz zu Clare Tunneys überreagierender Mutter mit dafür legitim verhärmten Spuren in ihrem zur Härte neigenden Sopran. Alma Ruoqi Sun ist ein auch vokal zauberhaftes Taumännchen, das zuletzt eine naturverbundene Lösung für die Versorgungsprobleme armer Menschen bietet. Die eingespielte Stimme des aus einer fahlen Gesichtsscheibe singenden Sandmännchens stammt von der Premieren-Interpretin Claudia Muschio.

Bernhard Moncado hat den Kinderchor der Staatsoper, der sich auch choreographisch bewegen darf, wie immer sicher vorbereitet. Am Pult stand jetzt Karsten Januschke, der die romantisch üppige Musik mit dem Staatsorchester Stuttgart weitgehend klar im Klangbild und so großzügig zu ihrem Recht kommen ließ, dass die Vokalisten bisweilen ins Hintertreffen gerieten. Das Etikett einer letztlich doch mehr für Erwachsene geeigneten Märchenoper wurde damit wieder einmal bekräftigt, was natürlich das Vergnügen und Erstaunen so mancher Kinder und Jugendlichen nicht ausschließt.                                                                                                                                                    

Udo Klebes

 

 

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