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OLDENBURG/ Stadttheater: PETER GRIMES von Benjamin Britten als sehr erfolgreiche Opernpremiere

11.03.2024 | Oper international

PETER GRIMES von Benjamin Britten als sehr erfolgreiche Opern-Premiere am Oldenburgischen Staatstheater – 9. März 2024

„Es ging mir darum, meinem Wissen um den ewigen Kampf der Männer und Frauen, die ihr Leben, ihren Lebensunterhalt dem Meer abtrotzen, Ausdruck zu verleihen“ schrieb Benjamin Britten zum Anliegen seiner ersten Oper, die für die Opernentwicklung Englands von nachhaltiger Bedeutung werden sollte. Das Werk stellt an die Ausführenden hohe Anforderungen, insbesondere der Chor wird in hohem Maße gefordert, denn der „Kampf der Männer und Frauen“ wird plastisch geschildert, erfordert qualitative und auch quantitative Höchstleistungen! Das Oldenburgische Staatstheater kann mit seinem Opern- und Extrachor, zusammen immerhin eine Körperschaft von 55 Personen hier beeindrucken und nachhaltig beachtliche hohe Qualität beweisen – sicher einstudiert von Chordirektor Thomas Bönisch (Haus-Chor) und Felix Schauren (Extra-Chor). Dass der Chor insgesamt auch seitens der Regie optimal gefordert wurde und – den szenischen Situationen geschuldet – in den verschiedensten Formationen sicher und klangschön zum Tragen kam, sei besonders hervorgehoben. Diese grandiose Chorleistung reihte sich ein in eine sehr differenzierte höchst sensibel gestaltete musikalische Interpretation durch Vito Cristofaro am Pult des hervorragend disponierten Oldenburgischen Staatsorchesters, die die sichere Grundlage des beeindruckenden Abends waren. Auf ihr konnte Hinrich Horstkotte seine sehr überzeugende szenische Gestaltung aufbauen (in Personalunion als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner) und es entstand eine Aufführung, die nicht nur durch Opulenz, sondern durch viele Details der Nachdenklichkeit beeindruckte. Manches blieb so auch in der Schwebe, im Unklaren, nicht jede Frage wurde restlos beantwortet, man wurde zum Nachdenken gezwungen. Optisch bei aller gebotenen Knappheit, ja Kargheit (den Original-Schauplätzen der englischen Küstenlandschaft geschuldet) nicht mit theatralen Effekten (Sturmflut!) und technischen Besonderheiten (die Hütte des Grimes) sparend. Was mich immer wieder fesselte, war die Notwendigkeit des Überdenkens der Vorgänge, das Beteiligtsein am Geschehen.

Das war natürlich auch den einzelnen solistischen Leistungen zu danken, ein recht gutes eigenes Ensemble, bereichert durch zwei wichtige Gäste: Roman Payer gestaltete die sehr kraftaufwendige Titelpartie mit dem erfoderlichen Aufwand und durchaus verschiedenen Facetten der Gestaltung. Was mir Sorgen bereitete, war der stellenweise schonungslose Umgang mit seiner stimmlichen Disposition; der Einsatz war lobenswert, aber – wie lange hält die Stimme das durch? Es wäre schade, wenn die eigentlich lyrisch veranlagte Stimme durch Überforderung in der heldischen Attacke Schaden nehmen würde. Tenöre sind nicht nur knapp, sondern auch kostbar; Rollenprofile sind oft erbarmungslos – man braucht nicht unbedingt den Tristan, um eine Stimme zu ruinieren! Um den zweiten Gast, Sally du Randt, muss man sich diese Sorgen nicht machen, sie hat eine umfangreiche und langjährige Karriere mit vielen Facetten und Ausbrüchen bereits hinter sich und die Ellen Orford ist für sie keine grenzwertige Partie. Sie beherrscht sie stimmlich ohne Fehl und Tadel und gerade an ihr konnte man ablesen, wie wichtig eine Inszenierung für Sängerinnen und Sänger ist. Mit ihrer Bühnenpräsenz steht sie immer im Mittelpunkt eines Abends, hier allerdings kam es einem vor, als sei die Partie viel größer, gewichtiger, als in früheren Aufführungen, die ich von ihr kenne. Das lag natürlich an der Art der szenischen Führung und – im besonderen Falle – auch an der sehr glaubhaften Gestaltung des Jungen durch Philip Bethke, eine der beeindruckendsten Szenen des Abends.

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Philip Bethke (Junge), Sally du Randt (Ellen Orford) in PETER GRIMES am Oldenburgischen Staatstheater – Foto: Stephan Walzl

Aus dem eigenen Ensemble gibt es Gutes zu berichten: Kihun Yoon beeindruckte als Balstrode mit einem kräftigen, großen Bariton, Leonardo Lee als Apotheker stand ihm an Volumen kaum nach. Eine besondere Erscheinung war Melanie Lang als Mrs. Sedley – offensichtlich eine Sängerin, die sich in Oldenburg besonderer Beliebtheit erfreuen kann. Die beiden Nichten, rollendeckend gespielt und gesungen von Paola Leoci und Elena Harsányi vervollständigten das wunderschöne Damen-Quartett (mit Sally du Randt und Melanie Lang). Der vor Beginn der Vorstellung wegen Indisposition entschuldigte Johannes Leander Maas trug (ohne merkliche Beeinträchtigung) ebenso zum Gelingen des Ganzen bei, wie Marie-Sophie Janke als Auntie, Mark Serdiuk als Pastor Adams, Joao Fernandes als Swallow und Alwin Kölblinger als Hobson. Das Publikum folgte dem langen Abend mit spürbarem Interesse und spendete am Ende starken und langanhaltenden Beifall.

Mich hat die Aufführung stark beeindruckt und oft zum Nachdenken gezwungen, das war gut. Und dennoch möchte ich kritisch anmerken, dass der Abend gegen Ende hin sich doch sehr in die Länge zieht, ich würde überlegen, ob die zweite lange Pause wirklich erforderlich ist. Das freilich ist Meckern auf sehr hohem Niveau.

Werner P. Seiferth

 

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