Bühnen Bern: Standing Ovations für das Musical „La Cage aux Folles“

Bühnen Bern/ LA CAGE AUX FOLLES/ Foto: Florian Spring

Als 1978 die französische Filmkomödie „La Cage aux Folles“ in die Kinos kam, war dies der erste Welterfolg eines Films über die queere Szene. Der Ohrwurm Song „I am what I am“ drückt das Aufbegehren der Schwulenszene gegen die Unterdrückung und Diffamierung der Homosexuellen aus. Damals spielte sich die Schwulenszene hauptsächlich in der Verborgenheit ab. Das offene Schwulsein genoss noch nicht die Akzeptanz, wie dies heutzutage der Fall ist. Das gleichnamige Musical in zwei Akten mit Musik und Songtexten von Jerry Herman zum Buch von Harvey Fierstein feierte 1983 in New York im Palace Theatre am Broadway seine Uraufführung und war sogleich ein Riesenerfolg. Bis 1987 wurde dort das Stück 1761 mal aufgeführt. (Rezension der Premiere vom 9. März 2024)

 

Die Premiere im Stadttheater Bern reiht sich perfekt in den Reigen der Publikumserfolge des Stücks ein. In der Regie von Axel Ranisch, der Bühne von Falko Herold, den Kostümen von Axel Aust, der Choreographie von Alex Frei und der raffinierten Lichtgestaltung von Christian Aufderstroth wird dem Besucher eine spektakuläre Inszenierung geboten. Schon gleich bei der Ouvertüre wird man in die Stimmung hineingezogen und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.

Bühnen Bern/ LA CAGE AUX FOLLES/ Foto: Rob Lewis

Axel Ranisch‘s Inszenierung ist humorvoll bunt und fröhlich, ist aber nie nur oberflächlich. Er verzichtet auf nur schrille, hysterisch kreischende Schönlinge auf der Bühne. Im Gegenteil: er hat die Rollen der acht jungen „Les Cagelles“ genannten Cabaretkünstler durch Typen gesetzteren Alters besetzt. Zwar immer noch amüsant exzentrisch gay, aber zuweilen auch nachdenklich bei Passagen die Empathie und Lebenserfahrung vermitteln sollen. Es ist der Spiegel einer Generation homosexueller Menschen, für welche ein „coming out“ undenkbar war und die es zur Zeit ihrer Jugend schwer hatten „I am what I am“ zu sagen und trotzdem geachtet zu werden.

Mit Tom Zahner als Francis, Arne David als Nicole, Arthur Büscher als Angelique, Angela H. Fischer als Hanna, Andreas Goebel als Clo-Clo, Sara Hidalgo als Phädra, Denis Lakey als Chantal und Matthias Schuppli als Mercedes, stehen schillernde Charakter auf der Bühne. Jede Partie war überzeugend besetzt.

Wenn am Anfang Tobias Bonn als Georges, bestens bekannt als einer der „Geschwister Pfister“, vor den Vorhang tritt und die Show gestenreich eröffnet und schon da für viele Lacher sorgt, weiss man, dass diese Rolle bei ihm in besten Händen ist. Ob als Conférencier des Cabarets oder geduldiger Ehemann von Albin/Zaza, jedes kleine Detail seines Handelns nimmt man ihm ab, genau so wie die teilweise sentimentalen Songs, welcher Tobias Born, mit viel Innigkeit und sehr schöner Stimme präsentiert.

Bühnen Bern/ LA CAGE AUX FOLLES/ Foto: Rob Lewis

Christoph Marti als Albin/Zaza, ebenfalls bestens bekannt von den „Geschwister Pfister“, und Lebenspartner von Tobias Bonn, ist eine Idealbesetzung und überzeugt sowohl mit seiner schauspielerischen, gesanglichen und tänzerischen Leistung vom Anfang bis zum Schluss. Ihm gelingt es durch Mimik und Körpersprache Stimmungen wie beleidigt sein oder divenhaft, aber bei den emotionalen Passagen auch nachdenklich, zu vermitteln. Bei ihm stimmt einfach alles und man staunt auch über seine in allen Lage beherrschte Stimme. Grandios!

Wenn Laurent N‘Diaye als Jacob die Bühne betritt, ist man schlicht hingerissen. Stets zieht er die ganze Aufmerksamkeit auf sich, sei es als hektischer Diener, oder als unterwürfig dienende Zofe seiner Herrin Zaza. Ebenfalls eine Idealbesetzung.

Georges Sohn Jean-Michel wird von Wolfram Föppl gespielt und gesungen. Er verkörpert die Rolle eines jungen Mannes, der wegen seiner Liebe zur Tochter des rechtskonservativen und radikal christlichen Politikers Dindon in viele Schwierigkeiten gerät. Wolfram Föppl meistert dieses Lavieren zwischen den zwei Extremen bestens. Seine angehimmelte Braut, Anne Dindon wird von der sympathischen Beatrice Reece mit Schwung und viel Liebe gespielt.

Bühnen Bern/ LA CAGE AUX FOLLES/ Foto: Florian Spring

Anne‘s Eltern, das Politiker-Ehepaar Edouard und Marie Dindon, werden von Jan Henning Kraus und Sylvia Heckendorn herrlich gespielt. Sie sorgen für viele Lacher, sei es bei der Begegnung mit Jean-Michels schwulen Eltern im eigens für diesen Anlass zu einer fast christlichen Kapelle umdekorierten Zimmer, oder im Nachtclub „Chez Jaqueline“, wo das ganze eskaliert. Mit großer Bühnenpräsenz spielt Silvia Maria Jung die Clubbesitzerin Jacqueline und rundet das herausragende Ensemble ab.

Das Berner Symphonieorchester unter dem Dirigat von Hans Christoph Bünger spielte mit viel Schwung und glänzte durch große Präzision. Auch bei ihnen konnte man die Begeisterung spüren, welche diese Aufführung so besonders machte.

Wer an diesem Abend nur pure Unterhaltung erwartet hatte, der wurde mit den sehr berührenden Szenen und oftmals klugen Dialogen eines besseren belehrt. Hier halten sich fulminante Show und Emotionen die Waage. Es kommt nicht oft vor, dass in Bern das aus allen Altersstufen bestehende Publikum außer Rand und Band gerät und sich mit lange andauernden Standing Ovations für einen grandiosen Abend bedankt.

DIESE PRODUKTION SOLLTE MAN NICHT VERPASSEN!

 

 

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