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WIEN / Staatsoper: LA CENERENTOLA

Hohe Erwartungen, doch die erhoffte Sternstunde bleibt aus. Aber gut ist es allemal

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Vasilisa Berzhanskaya (Angelina)m Roberto Tagliavini (Alidoro) und Juan Duego Floréz (Don Ramiro). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: LA CENERENTOLA

54. Aufführung in dieser Inszenierung

15. März 2024

Von Manfred A. Schmid

Der überraschend angekündigte Einsatz von Juan Diego Floréz als Don Ramiro (Rollendebüt!) beim Start der neuen Aufführungsserie, aber auch die Mitwirkung der russischen Mezzosopranistin Vasilisa Berzhanskaya, die schon im Vorjahr in der Titelrolle Lob einheimsen konnte und eben erst in Chicago als wunderbare Angelina in begeisterten Kritiken geradezu in den Himmel gelobt worden ist, hat die Erwartungen entsprechend in die Höhe geschraubt. Schließlich steht mit Roberto Tagliavini auch für die Rolle des Alidoro ein maßgeblicher Sänger/Darsteller auf der Besetzungsliste. Nicht zu vergessen der georgische Bass Misha Kiria, der eben erst mit Erfolg den Don Pasquale gegeben und auch schon einen guten Don Magnifico – an der Volksoper – abgeliefert hat. Aber gleich vorweg: Trotz guter Einzelleistungen wird an diesem Opernabend die erwartete Sternstunde ausbleiben. Die ganz großen Momente fehlen. Das Ganze, das bekanntlich mehr ist als die Summe seiner Teile, offenbart sich nicht in der Strahlkraft, mit der man gerechnet hat. Ob es allein am Dirigenten Gianluca Capuano liegt, wie es ein hartnäckiger Buhrufer schon beim Applaus nach dem 1. Akt und dann auch beim Schlussbeifall, nunmehr assistiert von einem zweiten lautstarken Kritiker, rechthaberisch wissen wollte? Der Italiener, der an der Staatsoper erst vor zwei Jahren debütiert und sich dabei als solider bis exzellenter musikalischer Leiter von Belcanto-Komödien wie Il Barbiere di Siviglia und Don Pasquale bewährt hat, geht diesmal tatsächlich etwas behäbiger ans Werk, die angegebene Dauer der Aufführung wird auch um gute 15 Minuten überzogen. Dazu dürften aber auch die spürbar länger ausgedehnte Pause und die Umbauten im 2. Akt beigetragen haben. Capuano und dem von ihm geleiteten Orchester gänzlich die Schuld zuzuweisen, wäre wohl zu einfach. Eher scheint es so, dass diesmal der Zauber, der sich in Ausnahmesituationen eben einstellen und Wunder wirken kann, ausgeblieben ist.

Vasilisa Berzhanskaya lässt schon in Ihrem Anfangslied „Una volta  c‘era un re“  ihren dunkel umflorten, satten und dennoch stets ungemein beweglichen Mezzo erklingen, nimmt sich dann stimmlich erwas zurück, passend zur Rolle der von ihren Halbschwestern und íhrem Stiefvater an den Rand gedrängten und missachteten Haushaltskraft. Im Duett „Un soave bon so che“ ist sie wieder voll da du überzeugt mit ihrer fabelhaften Stimmtechnik, die brillante Koloraturläufe und klare Triller in veritabler Rossini-Manier ermöglicht. Berzhanskaya ist auch darstellerisch ein Gewinn. Ihre Angelina blüht in der entflammten Zuneigung zu Don Ramiro, den sie als Diener des Prinzen wahrnimmt, erst so richtig auf, gewinnt an Selbstbewusstsein. Auch nachdem sie erfährt, dass ihr Geliebter in Wahrheit ein Prinz ist und sie seine Frau wird, bleibt sie im Grunde noch die bescheidene, überaus großzügige im Vergeben und liebenswerte Magd.

Juan Diego Floréz, der diese Rolle schon ein Vierteljahrhundertlang im Repertoire hat, sie an der Staatsoper aber noch nie gesungen hat, ist ein imponierend höhensicherer und sympathischer Don Ramiro. Einmal mehr wird klar, dass das Belcanto jene Bereich ist, in dem er sich stimmlich voll entfalten kann. Der warme, helle Glanz seines Tenors ist weiterhin ausgeprägt da, nur darstellerisch ist eine leichte Müdigkeit zu erahnen, möglicherwiese eine Folge der Luftröhrenentzundung, die jüngst seine Mitwirkung bei der Wiederaufnahme von Rossinis Guillaume Tell verhindert hat.

Wie Floréz ist auch Misha Kiria ein Rollendebütant, der bereits als Dulcamara in L‘ elsir d’amore an der Staatsoper aufgetreten ist. Ein geschmeidiger, stimm- und ausdrucksstarker Bass, prädestiniert für komische Rollen. Den ungerechten, zu Handgreiflichkeiten neigenden Don Magnifico stellt er im ersten Akt aber überhaupt nicht als Person dar, über die man lachen kann. Da steht vielmehr ein verabscheuungswerter Kerl auf der Bühne. Zur komischen Figur wird er erst im zweiten Akt, wenn er sich schon als Schwiegervater des Herrschers sieht und selbstherrliche Pläne als einflussreicher, korrupter Kellermeister am Hofe schmiedet.

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Misha Kiria (Don Magnifico) und Michael Arivony (Dandini)

Michael Arivony ist eine junge, vortreffliche Hausbesetzung für den Dandini, der für ein paar Stunden mit seinem Herrn die Rolle tauschen darf, dieses Privileg sichtlich genießt und genüsslich auskostet. Ebenfalls aus dem Ensemble kommen Ileana Tonca und Isabel Signoret als dümmliche , eingebildete, verzogene Gören namens Clorinda und Tiseb, mit gute Stimmen und unbändiger Spiellaune.

Roberto Tagliavini ist mit seinem mächtigen, voluminösen Bass fast schon etwas zu aufdringlich im Kreis der ansonsten – mit Ausnahme von Vasilisa Berzhanskaya – eher feinen und nicht so markanten Stimmen. Bei seinen Soloauftritten als verkleideter Bettler und Strippenzieher bei der Brautschau-Maskerade seines auf ihn vertrauenden Herrn fällt er durch seine Wuchtigkeit stimmlich etwas aus dem Rahmen, in den wichtigen Gesangsensembles (Quintett und Sextett) nimmt er sich aber entsprechend zurück und ordnet sich hervorragend ein. Was Tagliavini  weiters auszeichnet: Sein Alidoro mag ein gelehrter Philosoph, angesehener Lehrer und humanistischer Mentor sein, ihm sitzt aber auch dee Schalk hinter den Ohren. Beleg dafür ist seine witzig augenzwinkernde, mit ein paar Tanzschritten versehenen Einlage vor dem Bühnenvorhang, zur Überbrückung einer szenischen Umbauphase.

Extralob verdient der in Sven-Eric Bechtolfs burlesker Inszenierung szenisch sehr geforderte Chor mit seinen auf Stöckelschuhen anmutig stolzierenden Herren-Damen.

Der dankbar zustimmende Schlussapplaus wird mit dem Erklingen der Buhrufe immer lauter, um diese zu übertönen, was aber nicht gelingt. Nach fünf Minuten gibt man auf und geht nach Haus.

 

 

 

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