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LUZERN/ Theater: LA BOHÈME / 8, Vostellung. Grossartige Spannungsbögen!

07.04.2024 | Oper international

Giacomo Puccini: La Bohème • Luzerner Theater • Vorstellung: 06.04.2024

(8. Vorstellung • Premiere am 09.03.2024)

Grossartige Spannungsbögen

Puccinis «La Bohème» scheint zu jenen Werken zu gehören, die nur schwierig zu «modernisieren» sind.  Lucía Astigarraga gelingt dies am Luzerner Theater aber absolut überzeugend.

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Foto © Xenia Zenzi

Lucía Astigarraga (Regie) holt die Geschichte der vier Freunde in die Gegenwart und lässt sie in einem der Immobilienfirma Benoît SA spielen. Ob Rohbau im 21. Jahrhundert oder Dachwohnung im 19. Jahrhundert; man darf sich beides gleich zugig, kalt und ungemütlich vorstellen. Ähnlich die Probleme der Künstler: Kunst kann immer brotlos sein und entsprechend immer Träume zerstören.  Träumen kann man immer, ob am alten Ofen oder der nicht sehr effektiv zur Wärmequelle umfunktionierten Schubkarre. Und die Liebe ist zeitlos… Den Heiligen Abend verbringen die Künstler und ihre Freundinnen auf einem improvisierten Markt mit Billigst-Ramsch. Hier zeigt sich dann auch, dass Benoît nicht nur ein einfacher Vermieter ist. Er verdient sein Geld mit unsauberen Geschäften und ist auch hier aktiv: so wird er so unsympathisch, dass man es ihm fast gönnt, dass die Bohème ihn ihre Zeche zahlen lässt. Das dritte Bild zeigt dann einen Unterhaltungsnatur zwielichtiger Art. Einmal mehr hat Benoît seine Finger im Spiel. Die Arbeiter, die ihr Tagwerk beginnen sind die Strassenfeger und die Verkäuferinnen des Ramsch-Markts. Das letzte Bild spielt wieder in einem Rohbau: einem anderen als zu Beginn. Das ändert aber nichts Wesentliches. Astigarraga setzt diese Modernisierung so sensibel um, dass das Stück genausogut funktioniert wie in einer klassischen Inszenierung. Aída-Leonor Guardia hat das dazu passende Bühnenbild entworfen, die Kostüme von Eva Butzkies unterstützen den frischen Wind, den Astigarraga auf der Bühne wehen lässt.

Jonathan Bloxham (Musikalische Leitung) hat das musikalische perfekt im Griff und setzt mit dem Luzerner Sinfonieorchester grossartige Spannungsbögen und schwelgt in Puccinis Melodien. Zahlreiche Details, die sonst gerne untergehen, kommen zur Geltung und doch bleibt das grosse Ganze gewahrt. Die Kinder der Luzerner Kantorei (Leitung: Eberhard Rex) und der Opernchor und Extrachor Luzerner Theater (Leitung: Manuel Bethe) sind perfekt vorbereitet und agieren stimmprächtig und wie die Statisterie Luzerner Theater mit grosser Freude am Spiel.

Eyrún Unnarsdóttir überzeugt als hoch emotionale Mimì mit intensiver Bühnenpräsenz. Etwas mehr Legato wäre dem Vortrag sicher zuträglich. Tania Lorenzo Castro gibt eine herrlich selbstbewusste Musetta. Die Neigung der Stimme phasenweise übertrieben scharf zu klingen muss unter Kontrolle bleiben. Der Rodolfo von Merūnas Vitulskis ist die Entdeckung des Abends. Sein höhensicherer Tenor hatte des gewisse Etwas und schier endlosen Atem. Vor allem erliegt Vitulskis angesichts seines Materials nicht der Versuchung zu übertreiben. Umgekehrt neigt er phasenweise dazu, die Stimme nicht ausklingen zu lassen. Vladyslav Tlushch als Marcello ist, wie schon in den vorangegangenen Vorstellungen, mit seinem markantem, kernigem Bariton und grosser Bühnenpräsenz ein idealer Marcello. Daniel Holzhauser kann als Schaunard seine Freude über das verdiente Geld kaum zügeln. Mit der Umwandlung zum Rock-Musiker hat die Maske ganze Arbeit geleistet. Christian Tschelebiew nimmt als Colline mit wunderbar sonorem bewegend Abschied von seinem Mantel. Andreas Daum geniesst die Rolle des Benoît und überzeugt sowohl als «kleiner Hausmeister» im ersten Bild wie auch als halbseidener Immobilienhai in den übrigen Bildern. Daniel Foltz-Morrison ist als Parpignol eine Luxusbesetzung. Stephan Lieb als Zöllner und Sergeant ergänzt das Ensemble.

Eine moderne Bohème, wie man sie sich überzeugender kaum vorstellen kann.

Weitere Aufführungen: So. 26.05.2024, Sa. 08.06.2024 und Di. 18.06.2024.

07.04.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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