La rondinwe
Leonardo Capalbo als Ruggero, als Magda Matilda Sterby.
Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Bei Puccini ist das schon so eine Art Idée fixe, und sie hat ihn zu Höhenflügen der Inspiration animiert: Kaum wähnen sich seine Opernfiguren auf dem Weg zum Glück, geht es auch schon ins Jenseits. Manon Lescaut verdurstet, Mimi wird von Schwindsucht dahingerafft, und Tosca springt von der Engelsburg. Madama Butterfly befördert sich schließlich per Messer an jenen Ort, von dem niemand zurückkam. Und auch in La rondine hat Puccini für Magda ein abruptes Glücksende vorgesehen.

Zwar hat Puccini in den verschiedenen Finali, die er im Werk hinterließ, für die Kurtisane kein Ticket ins Jenseits gebucht. Allerdings verordnet jeder Schluss dieser operettenhaften Oper Trennungsschmerzen. Magda hat ihren Ruggero bezüglich ihrer Vergangenheit als Kurtisane nichts erzählt. Im entscheidenden Liebesaugenblick hält sie sich dann seiner für unwürdig und gibt ihn frei, oder er wendet sich – in einem anderen Schluss – von ihr ab.

Sie geht Richtung Freiheit

Volksopernintendantin und Regisseurin Lotte de Beer hat Puccinis Schlussvorschläge allesamt – als nicht zeitgemäß – ignoriert. In einer ironischen Schlussvolte setzt sie auf die Selbstermächtigung einer Frau, welche kurz in die Rollen der großen Tragödinnen Puccinis schlüpft. Während eine Collage aus Musikthemen des Werkes, welche Dirigent Alexander Joel effektvoll-elegant arrangiert hat, ertönt, simuliert Magda Toscas Sprung in die Tiefe, Mimis Dahinscheiden und Butterflys verzweifelte Selbstbeseitigung. Schließlich bricht sie jedoch mit ihrer Freundin/Zofe Lisette (quirlig, aber doch ziemlich schrill: Rebecca Nelson) Richtung Freiheit auf. Die Männer werden zurückgelassen, sind keine Glücksquellen mehr.

Was geschieht bis zu dieser Neuerfindung des Schlusses? Es unterhält eine nette konventionelle Erzählung. Die Figuren wirken, als wäre sie aus einem Fin-de-Siècle-Gemälde herausgesprungen, um feucht-fröhlich über die Idee der echten Liebe zu diskutieren. Als munterer Kontrapunkt wirkt jene mittig postierte Leinwand, auf der mit Zusatzkommentaren verzierte Übertitel zum Teil des Bühnenbilds werden.

Streit mit Freundin

Wirkt der Wortschwall zunächst dem Publikum gegenüber etwas pädagogisch überambitioniert, wird später evident: Hinter der Leinwand klopft ein Dichter ein Libretto in seine Schreibmaschine, das märchenhaft surreal in Echtzeit als Oper abläuft. Dabei gerät der Dichter mit seiner Freundin Lisette in Streit, die ganz andere Textideen ersinnt.

All diese Kunstgriffe können nicht verbergen, das La Rondine zwar stilistisch auf ein Genie verweist. Es ist aber Puccini gleichsam ohne Puccini, bis auf ein paar kostbare Walzermomente. So zieht sich die Sache, leider auch dank bescheidenen Gesangs.

Während Joel mit dem Orchester prägnant und extrovertiert die Handlung befeuert, ohne das süße Innehalten zu vernachlässigen, quälen sich die Hauptfiguren. Leonardo Capalbo versucht als Ruggero, durch Outrieren seinen Tenor vergeblich Strahlkraft zu verleihen. Timothy Fallon klingt fragil und blass als Prunier. Und als Magda versucht Matilda Sterby nuancenfrei mit bisweilen aufdringlicher Lautstärke imposant zu wirken. Etwas Poesie bringt nur die finale Zweisamkeit mit Ruggero. Buhs allerdings nur für Regieintendantin Lotte de Beer. (Ljubiša Tošić, 11.4.2024)