Opernhaus Zürich: „Carmen“ – Premiere vom 7. April 2024

Opernhaus Zürich/CARMEN/Foto: Monika Rittershaus

Als im März 1875 Bizets „Carmen“ in der Opéra-Comique in Paris ihre Uraufführung erlebte, war ihr kein großer Erfolg beschieden. Das damalige Publikum war weniger aufgeschlossen und konnte den gewagten Inhalt und das fast schon provokative Verhalten der Figur Carmen nicht goutieren. Erst einige Monate später, als das Werk in Wien uraufgeführt worden war, begann die grosse Erfolgsgeschichte des heute in keinem internationalen Opernrepertoire fehlenden und zu den am meisten gespielten Werken gehört. Bizet konnte den Erfolg nicht mehr erleben, denn nur 2 Monate nach der Uraufführung verstarb er, erst 36 jährig. 

 

Die Zürcher Inszenierung, welche als Ko-Produktion mit der Opéra-Comique Paris dort bereits zu sehen war, führt uns zurück an den Ort der Uraufführung. Die dramatische Handlung findet auf der detailgetreuen Nachbildung der Opéra-Bühne statt.  Am Anfang erscheint Don José in gewöhnlicher Straßenkleidung und wird, einem Albtraum gleich, mehr und mehr in die tragische Handlung hineingezogen.

Opernhaus Zürich/CARMEN/Ensemble/Foto: Monika Rittershaus

Andreas Homoki, unterstützt durch die Co-Regie und Choreografie von Arturo Gama, lässt zusammen mit dem Bühnenbildner Paul Zoller, den Kostümen von Gideon Davey und mit der Lichtgestaltung von Franck Evin bei dieser Inszenierung die ersten beiden Akte in der Zeit um 1875 stattfinden. Der dritten Akt spielt in der während der deutschen Besatzung stillgelegten Opéra-Comique, welche damals als Warenlager für den Schwarzmarkt diente. Im letzten Akt befinden wir uns dann in der Gegenwart. So entstehen auf der mit einem prächtigen Vorhang versehenen Bühne und mit nur ganz wenigen Requisiten abwechslungsreiche eindrückliche Bilder. Hier wird ganz auf die sonst in dieser Oper gewohnten Klischees verzichtet. Kein sonniger Arena-Vorplatz, keine düsteren Gebirge und keine Militäruniformen.

Wenn beispielsweise am Anfang der Oper, dort wo sich für gewöhnlich Soldaten die Szene beleben, in dieser Inszenierung im grellem Licht eine flanierende Volksmenge steht und mit den Fingern auf das Publikum zeigt, verfließen die beiden Räume für einen Moment. Auch das Bild mit den rauchenden Tabakfabrikarbeiterinnen und die immer wieder mit starken Beleuchtungseffekten hervorgehoben Sänger/innen, vermitteln eine sonderbare, aber passende Stimmung. Man wird Zeuge von Liebes- und Eifersuchtsszenen und kann der Handlung mühelos folgen. Ein durchaus gelungenes Konzept.

Auch auf der musikalischen Seite gibt es viel erfreuliches zu berichten.

Opernhaus Zürich/CARMEN/M. Viotti, S. Pirgu/Foto: Monika Rittershaus

An diesem Abend gab die Sopranistin Marina Viotti in der Titelpartie ihr Debüt. Mit ihr erlebte man eine selbstsichere Frau, welche mit Ihren verführerischen Reizen zu spielen versteht. Sie vermittelt diese mit so vielen Klischees behaftete Rolle überzeugend. Mit Ihrer vollen und sicher sitzenden Stimme kann Marina Viotti alle Feinheiten dieser anspruchsvollen Partie überzeugend interpretieren.

Auch das Kartenterzett, zusammen mit Niamh O‘Sullivan als Mercédes und Uliana Alexyuk als Frasquita, sowie im schwierigen Schmugglerquintett mit Spencer Lang als Le Remendado und Jean-Luc Ballestra als Le Dancaire, überzeugen in jeder Hinsicht.

Im Finale wird mit größter Emotion gesungen und gespielt. Dies ist auch dem Tenor des Abends, Saimir Pirgu, zu verdanken. Er sang den Don José hervorragend und voller Emotionen. Es gelang ihm, mit kraftvoller Stimme seine jugendliche Leidenschaft ohne übertriebenes Forcieren zum Ausdruck zu bringen. Aber er vermochte auch mit feinsten Tönen zu begeistern.

Opernhaus Zürich/CARMEN/M. Viotti, L. Goliński/Foto: Monika Rittershaus

Die Rolle des Machos Escamillo, dem die Frauenherzen allein schon durch seine Präsenz zu Füssen liegen, war mit dem Bassbariton Lukasz Goliński besetzt. Er debütierte in dieser Rolle im Opernhaus Zürich. Obwohl mit viel Einsatz gespielt und gesungen, fehlte da noch der zündende Funke. Es war eine große Freude, die Sopranistin Natalia Tanasii in der Partie der Micaëla zu erleben.  Sie war ehemaliges Mitglied des Internationalen Opernstudios in Zürich und konnte an diesem Abend einen beeindruckenden Erfolg für sich verbuchen. Mit groer, sicherer Stimme bewegte sie das Publikum besonders mit Ihrer Arie „Je dis que rien ne m`épouvante“. Aksel Daveyan als Moralés und Stanislav Vorobyov als Zuniga ergänzten das Ensemble.

Der Chor der Oper Zürich, einstudiert von Janko Kastelic, zusammen mit dem Kinderchor und SoprAlti der Oper Zürich boten eine großartige Leistung.

Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda gelang zusammen mit seiner Philharmonia Zürich ein ganz grosser Opernabend. Bereits beim Vorspiel gab es keine Zweifel, dass man eine äusserst fein ausgearbeitete Wiedergabe dieses allseits bekannten musikalischen Werkes erleben wird. Stets wurde für die Sänger/innen ein Klangteppich ausgelegt, welcher sie nicht zum forcieren zwang, sondern aufs schönste begleitete. Die musikalischen Highlights liess Noseda mit geradezu umwerfender Kraft erklingen und man konnte immer wieder neue Nuancen entdecken.

Wie bereits anfangs erwähnt, gehört „Carmen“ zu den beliebtesten Opern überhaupt. Dies bestätigt sich auch in Zürich, wo schon vor der Premiere alle Vorstellungen ausverkauft sind. Es gibt jedoch noch die Möglichkeit, diese Aufführung im Rahmen von OPER FÜR ALLE am 15. Juni 2024 auf dem Sechseläutenplatz gratis zu erleben. Die Tickets für Volksvorstellung welche direkt übertragen wird, gelangen ab 15. Mai 2024 in den Verkauf.

 

  • Rezension von Marco Stücklin / Red. DAS OPERNMAGAZIN-CH
  • Opernhaus Zürich / Stückeseite
  • Titelfoto: Opernhaus Zürich/CARMEN/Marina Viotti/Foto: Monika Rittershaus

 

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