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Männer ohne Nerven: Brigitte Fassbaender inszeniert „Die lustigen Weiber“

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Levente Páll (Sir John Falstaff),
Schwerenöter im vollen Saft: Levente Páll als Sir John Falstaff in der Oper von Otto Nicolai. © Marie-Laure Briane

Zuerst ist Brigitte Fassbaender mit der Machete durch die Dialoge gegangen und hat den Rest-Text sanft modernisiert. Aus Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ wird am Gärtnerplatz trotz des feinen Regie-Humors keine Idealkomödie.

Nur mal eine kurze Erinnerung: Nicht lange ist es ja her, dass Herr Fluth seine Gattin meucheln wollte. Dass er das gemeinsame Haus schnaubend und auf der Suche nach dem Widersacher durchpflügte. Und dass er sogar selbst, noch immer mit Adrenalinpegel im roten Bereich, bei Falstaff auftauchte. Doch jetzt, am Anfang von Akt drei? Sitzen sie alle zusammen. Die angeblich untreuen Frauen mit ihren Männern, da ein Knuff, dort ein Kuss. Und wir verstehen: Die lieben sich. Egal, ob die doppelte Zweisamkeit von einem adipösen, selbst erklärten Don Juan gestört wird.

Vielleicht ist das ja der entscheidende Unterschied zu Giuseppe Verdis „Falstaff“, der übermächtigen Shakespeare-Vertonung. Wo dort die Komödie ins Welttheater kippt, will es Kollege Otto Nicolai zweieinhalb Nummern kleiner und netter. Man könnte „Die lustigen Weiber von Windsor“ sicher übergrellen, in die Groteske treiben. Oder im Humormuff belassen, weshalb das tümelnde Stück heute kaum gespielt wird. Oder man macht es so wie Brigitte Fassbaender.

Erstmals inszeniert die Fassbaender das Stück

Erstmals hat sich die Opernlegende und Vielinszeniererin fürs Gärtnerplatztheater dem Stück zugewandt. Und zunächst mächtig ausgemistet. Mit der Machete gingen sie und Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz durch die Dialoge. Sogar Musikstrecken mussten dran glauben. Vorsichtig wurden die Texte verheutigt, ohne sie an die Gegenwartssprache zu verraten. Herr Fluth ist nun nicht mehr auf „Vogelbeize“, sondern auf „Geschäftsreise“. Falstaff säuft keinen Sekt, sondern ausschließlich Bier (das massweise). Und die ärgsten Machismen wurden getilgt: In Falstaffs Büblein-Lied etwa ersetzte man Frauenfeindliches à la „Da schlossen die Mädel sich vor mir zu“ durch „Da ließen die Weiber mir keine Ruh“. Und weil die Fassbaender gerade dabei war, gibt es für Nerds ein paar Anspielungen: Statt Madeira serviert der Kellner Hippokras mit Ingwer aus dem „Rosenkavalier“.

Wie immer hat die Fassbaender ein Sensorium für feinen Humor. Und dass Nicolai fast nur Karikaturen aus der Shakespeare-Vorlage destilliert hat, will sie gar nicht leugnen. Auch hier treffen also Flachreliefs, meist Männer ohne Nerven, aufeinander. Doch, und das ist eben auch typisch Fassbaender: Keiner wird denunziert, keine Figur wird bis in die Knallcharge überdreht. Alle sind sie schrullige, kuriose Typen, die doch nur eines wollen – geliebt werden. Ein klitzekleines Stück Richtung Mozart werden da Nicolais „Lustige Weiber“ gerückt, woran auch die Besetzung ihren Anteil hat.

Jugendfrisches Ensemble und ein flottes Dirigat

Die Premierenriege (traditionell ist am Gärtnerlatz das meiste doppelt besetzt) ist so jugendfrisch wie apart. Bei Levente Páll ist Falstaff ein kernig klingender Freier im vollen Saft, der bei Windsors Weibern durchaus für eine Liaison infrage kommt. Jennifer O’Loughlin gibt eine höhenquirlige, temperamentvolle Frau Fluth, Anna-Katharina Tonauer (Frau Reich) kontrastiert dazu mit aparter Mezzo-Wärme, während Andreja Zidaric in ihrer Anna-Arie für den Zaubermoment des Abends sorgt. Matija Meic, obgleich mit prächtigem Bariton gesegnet, gerät nicht ins Poltern, verprüht Bärchencharme, Timos Sirlantzis (Herr Reich) ist eher auf der noblen Seite unterwegs. Und Gyula Rab erobert sich die knifflige Fenton-Lage mit grazilem Tenor. Chefdirigent Rubén Dubrovsky hat den Slalom fürs Gärtnerplatz-Orchester eng gesteckt. Der Grundpuls ist hoch, die Flexibilität auch. Der Klang ist trennscharf, hausbedingt trocken. Nur das Duftige, Filigrane von Nicolais Partitur, das hört man nicht immer heraus.

Brigitte Fassbaender und Ausstatter Dietrich von Grebmer unterscheiden die Generationen voneinander. Während die Kostüme auf Eltern-Ebene die Shakespeare-Zeit zitieren, sind Anna und Fenton sehr casual unterwegs. Und wenn Herr Fluth als „Herr Bach“ verkleidet bei Falstaff auftaucht, nimmt die Fassbaender den musikalischen Umschlag ins Barocke natürlich auf: Mit Allongeperücke und prachtvollem Gehrock stelzt da der leibhaftige Thomaskantor herein. Als stumme Person, Anspielpartnerin und manchmal Strippenzieherin wurde die im Text mehrfach zitierte Muhme (Angelika Sedlmeier) dazuerfunden, sie kriegt am Ende den Schwerenöter.

Die Bühne spielt mit wenigen Versatzstücken und formiert sich zu Zimmerchen, stilisiertem Garten oder Showtreppe. Immer ist Luft und Raum für die hintergründigen Aktionen, auch im Finale, als der Chor in Tütüs Falstaff piesackt. Der reagiert darauf genervt wie wohl mancher im Publikum: Nicolais Humor erreicht nicht immer die Oberklasse, auch diese Regie samt Kürzungen zaubert aus den „Lustigen Weibern“ keine Idealkomödie. Das letzte Augenzwinkern gebührt ohnehin Shakespeare, dessen Gesicht wie der gerade besungene Mond über der Szene aufgeht – und der allen die Zunge rausstreckt: Let’s forget it.

Jennifer O’Loughlin (Frau Fluth), Levente Páll (Sir John Falstaff),  Anna-Katharina Tonauer (Frau Reich),
Jennifer O’Loughlin (Frau Fluth), Levente Páll (Sir John Falstaff),  Anna-Katharina Tonauer (Frau Reich), © Marie-Laure Briane

Die Besetzung

Dirigent: Rubén Dubrovsky.
Regie: Brigitte Fassbaender.
Ausstattung: Dietrich von Grebmer.
Chor: Pietro Numico
Choreografie: Alex Frei.
Ensemble: Levente Páll ㈠(Falstaff), Matija Meic (Herr Fluth), Timos Sirlantzis (Herr Reich), Gyula Rab (Fenton), Juan Carlos Falcón (Junker Spärlich), Lukas Enoch Lemcke (Dr. Cajus), Jennifer O‘Loughlin (Frau Fluth), Anna-Katharina Tonauer (Frau Reich), ㈠Andreja Zidaric (Anna), ㈠Florian Hackspiel (Kellner), Angelika Sedlmeier (Muhme).

Die Handlung

Frau Fluth und Frau Reich wollen Falstaff eine Lektion erteilen, der beiden Liebesbriefen geschickt hat. Anna, Tochter Frau Reichs, hat andere Sorgen: um ihre Hand halten drei Männer an – Dr. Cajus ist der Favorit der Mutter, während Annas Vater auf Junker Spärlich setzt. Anna hat jedoch nur Augen für den mittellosen Fenton. Bald werden Herr Fluth und Herr Reich in den Plan der Gattinnen eingeweiht. ㈠Während einer Maskerade im Wald von Windsor wird Falstaff blamiert – und Anna bekommt Fenton.

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