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Mária Celeng (Frau Fluth), Ludwig Mittelhammer (Herr Fluth), Sophie Rennert (Frau Reich)  © Marie-Laure Briane

Mária Celeng (Frau Fluth), Ludwig Mittelhammer (Herr Fluth), Sophie Rennert (Frau Reich)  Foto: © Marie-Laure Briane

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Nur Nicolais Musik rettet – „Die lustigen Weiber von Windsor“ im Münchner Gärtnerplatztheater

Vorspann / Teaser

Nach ein paar erfolgreichen Konzerten mal eben die Wiener Philharmoniker gründen. Lange davor, nach der Flucht vor dem prügelnden Vater, durch Förderer in Italien nahezu alles über Gesang und Dramatik lernen und zwei, einer breiteren Wiederentdeckung harrenden Opern schreiben. Als anerkannter Komponist zum Königlich-Preußischen Kapellmeister in Berlin aufsteigen – die Premiere seiner letzten Oper selbst dirigieren, zwei Tage später, vor seinem 39. Geburtstag an einem Gehirnschlag sterben … Das könnte der Smartphone-Eintrag sein für Otto Nicolai.

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Natürlich verdient der inzwischen mit Berliner Ehrengrab und mehrfachen Wiener Ehrungen ausgezeichnete Königsberger viel mehr Sätze. Doch am besten ehrt man ihn mit pulsierenden Tempi vieler Nummern seiner „Lustigen Weiber“, die sich als melodienfreudige deutsche Spieloper neben den Werken Webers, Mendelssohns oder Lortzings immer wieder in den Spielplänen findet. Das wurde jetzt auch im Gärtnerplatztheater hörbar: mit Jennifer O’Loughlin als Frau Fluth (bislang die klassische Belcanto-Herrscherin im Haus) und Anna Katherina Tonauer als Frau Reich (bislang als Rosina, Cherubino, Walküre oder Norn beeindruckend) standen nicht nur zwei bildhübsche, ja begehrenswert reizvoll kostümierte Frauen auf der Bühne, sie machten gleich mit ihrem einleitenden Duett „Das ist wirklich doch zu keck“ pfiffig akzentuiert und vokal strahlend klar, dass die Mannsbilder in den kommenden zwei Stunden keine Chance haben würden. Und das, obwohl Matja Meićs eifersüchtiger Herr Fluth derart wuchtig-wild und bösartig hereinbrach, dass in seinem dunklen Bariton alle Bösewichte von Scarpia über Barnaba bis Iago hörbar wurden. Da klang Timos Sirlantzis‘ leichter Bass für Herrn Reich geradezu nobel zurückhaltend. Anschließend war Levente Páli ein jung wirkender Falstaff, der die schwarze Tiefe seines „Als Büblein klein an der Mutterbrust“ zwar nicht mit den Vokal-Abgründen eines Georg Hann oder Gottlob Frick gestalten konnte, aber füllig gut sang – und in einem gut geprobten Finger-Halt-Signal an Dirigent Rubén Dubrovsky die Strophen so unterteilte, dass er wie nebenbei einen Maßkrug leeren konnte. Der gleichfalls reizvoll jugendlichen Anna von Andreja Zidaric gelang dann, in ihrem „Wohl denn, gefasst ist der Entschluss“ die strömenden Linien mit so viel mädchenhaftem Feuer und süß-hoffnungsvoller Hingabe aufzuladen, dass diese Szene zum musikdramatisch und endlich mal emotional überzeugenden Höhepunkt des 3. Akts wurde.

Das war auch glaubhaft, weil mit Gyula Rab ein athletischer und sonniger Jungbursche von Fenton erst mit strahlenden „Lerchen“-Tönen beeindruckte und dann mitsamt Soloviolinist auf der Bühne im Liebesduett mit Tonauers Anna überzeugte (nur an seinem Deutsch arbeiten muss). Neben den gleichfalls vokal bestens besetzten Nebenrollen gelang dann dem ja für seine Wandlungsfähigkeit immer wieder zu bewundernden Chor des Hauses, die berühmte „Mond“-Szene, den Mücken-Tanz klangschön abzustufen und dann in allzu opulenten, weißen Glitzerkostümen das finale Presto derart „hinzufetzen“, dass ein vierter Akt von Jacques Offenbach zu erwarten war (Einstudierung Pietro Numico). 

Also wurde wie das gesamte Ensemble mitsamt Dirigent Dubrovsky am Ende gefeiert, auch wenn zuvor die Streicher mehr straffe Kante hören lassen dürften und alles mehr nach Turbulenz bis hin zum allzu menschlichen Wahnwitz klingen könnte.

Da lag auch das Manko des Abends. Musiktheaterfreunde reisen Brigitte Fassbaenders Inszenierungen nach Frankfurt und Erl nach: neue Akzente und eine eindringliche Personenzeichnung sind zu bewundern – nur leider dieses Mal nicht. Sie entschied sich mit Ausstatter Dietrich von Gerbmer zu durchgehender Stilisierung mit halb historischen, halb zeitlosen Kostümen, mehrfach unterteilten, kantig unrealistischen Drehbühnen-Haus-Teilen, andererseits Blumentapeten, metallenen Gartenzäunen, Wald-Projektionen und farbigen Rundbögen über allem; dazu dann heutige Briefkuverts, Gläser, Blumen und Strickzeug – die Stilisierung mündete einerseits nicht in klare Karikaturen oder irrwitzige Überzeichnungen, machte es andererseits aber der Emotionalität der Beziehungen schwer und stand gleichsam unsinnlich quer zur Musik. Der Großteil des Publikums goutierte dennoch alles – dem Musikfreund blieb die Freude an Otto Nicolais Italianità-nahen Melodien, den gelungenen Ensembles, Sextetten bis Terzetten und der in künftigen Aufführungen hoffentlich zündenden Munterkeit seiner Kompositionskunst.

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