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BADEN-BADEN – Festspielhaus: „DIE WALKÜRE“ –  Konzertante Aufführung

29.04.2024 | Oper international

Baden-Baden / Festspielhaus: „DIE WALKÜRE“ –  Konzertante Aufführung 28.04.2024

Fernab jeglichen Regie-Missverständnissen bot das Festspielhaus den ersten Tag der Ring-Tetralogie „Die Walküre“ von Richard Wagner in konzertanter Version, bescherte lukullische Genüsse der besonderen Art. Ein großartiges sehr engagiertes Sängerensemble servierte packendes Musiktheater und ließ die Zuhörer in Wagners narkotischen Melodien schwelgen. Ohne jedoch die Gesangsleistungen der Künstler*innen zu schmälern, avancierten Yannik Nézét-Séguin sowie das Rotterdam Philharmonic Orchestra zu den heimlichen Stars des Abends. Unheimlich oder lediglich nur verwunderlich wurde mir  heute  die Tatsache gewahr, dass sich selbst nach hundertfachen Besuchen eines Werkes wieder neue Hördimensionen eröffneten bzw. in orchestraler Gestaltung noch Steigerungen möglich sind, denn Maestro Nézét-Séguin schüttete das Füllhorn instrumentaler akustischer Finessen in überreichem Maße aus. Ein Klangbild höchster Instrumental-Qualität per excellence, dynamische Expansionen in brillanter Präzision in strukturellen Kombinationen feinsinniger Streicher-Soli berauschten die Sinne gleichermaßen. In unglaublich perfekter Manier geleitete der sensible Dirigent sein bestens disponiertes RPO durch die unvergleichliche wundervoll- motivierte Wagner-Partitur, formte individuell geschlossene musikalische Perspektiven voll Wärme und Sentiment. Bereits zur gehetzten gewittrigen Einleitung, dem spannungsvollen, elektrisierenden, erotischen Knistern des ersten Aufzugs wurde bereits instrumental gewahr, was diese geniale Komposition so reizvoll macht. Aufgelichtete transparente Impressionen intimeren Charakters durchwebten die Monologe und Zwiegespräche der Folgeakte. Ob nun Wotan in Aufruhr, im Zwiespalt der Emotionen, dem Walküren-Auftritt in Ausbrüchen brillanter Bläserfraktionen oder konträren herrlich-weichen, innigen Streicher-Passagen, der temperamentvolle Pult-Magier verzauberte gleichwohl mit mystischen Wagner-Melodien. Zudem erwies sich der sympathische Dirigent als genialer Begleiter und trug seine Solisten im wahrsten Sinne auf Händen.

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Elza van den Heever (Sieglinde), Stanislas Babeyrac (Siegmund). Foto: Andrea Kremper

Beginne ich mit deren Bewertungen in der Auftrittsreihenfolge somit dem Wälsungen-Paar. Inzwischen hat sich Elza van den Heever nach ihrer erfolgreichen Kaiserin und Chrysothemis am Hause etabliert und glänzte heute mit einer vortrefflichen Sieglinde. Mit jugendlich-aufblühendem Sopran, strahlenden Höhen, wunderbar fraulicher Wärme unterstrich die sympathische Sängerin mit schönem Timbre die Vorzüge ihrer bestens fokussierten Stimme.

Mit rekordverdächtigen Wälserufen ließ Stanislas Barbeyrac sein silberhelles Edelmetall erstrahlen, schenkte den Winterstürmen glanzvolles Sentiment, doch lagen die Stärken seines Tenors mehr im ausdrucksstarken Mittelbereich des vokalen Instruments und zeigte sich mit diesen Attributen eines Gottes Sprosses durchaus würdig.

Leger, sportlich, in modischem Outfit kam  Hunding daher und entgegen Wotans Prognose erwies sich Soloman Howard mit sonoren, nachtschwarzen, schönstimmigen Bassqualitäten für Walhall als positive Bereicherung.

Tamara Wilson ist im eigentlichen Sinne keine Hochdramatische. Mir ist ihr wunderschön timbrierter balsamischer Sopran noch als Don Carlo-Elisabetta in allerbester Erinnerung. Ihrer Brünnhilde schenkte die amerikanische Sängerin einen Hauch italienischen Belcantos und legte unmissverständlich die Ursprünge ihres herrlich geführten Materials offen. Jugendlich-lyrische Töne ließ Wilson mit einfließen, sensibel entfaltete sich das Goldtimbre um folglich in silberheller Strahlkraft zu erblühen. Mit Charisma und vokaler Natürlichkeit demonstrierte die kluge Sängerin auf wunderbare Weise Flexibilität und überwältigende Intonation gleichwohl zu zarten Piani wie konträren dramatischen Aufschwüngen eine völlig „andere“ positive Wunsch-Maid.

Eine ungewöhnlich hell timbrierte Stimme mehr Bariton als Bass durfte man von Brian Mulligan vernehmen. Mühelos bündelte der versierte Sänger seine vokalen Reserven, führte das schöne Material auch emotional in die kräftezehrenden Extreme der Partie, geriet lediglich beim Finale an seine stimmlichen Grenzen, adelte jedoch zuvor während der Monologe mit vortrefflicher Intonation seine Wotan-Interpretation. Gleichwohl verstand es der intelligente Sänger musikalisch ruhige Passagen voll sinnlicher Wärme mit markanten Höhenattacken der Charakterkonturierung zu paaren.

Eine Fricka wahrhaft göttlichen Formats präsentierte Karen Cargill in eleganter Robe zu imposantem Auftritt. In dunklen Couleurs floss ihr herrliches Mezzo-Timbre samtweich, geradezu verführerisch dahin, brachte mit dramatischen Höhenausbrüchen klar und deutlich  während ihrer Universal-Abrechnung mit dem untreuen Göttervater zum Ausdruck, dass das Maß der Toleranz längst überschritten.

Reizend anzuschauen der Auftritt des Walküren-Oktetts Brittany Olivia Logan, Jystina Bluj, Iris van Wijnen, Anna Kissjudit, Jessica Faselt, Maria Barakova, Ronnita Miller, Catriona Morison. Von ungewöhnlich bester Qualität präsentierten die Damen ihre differenzierten Stimmlagen in vorzüglicher Homogenität und bereicherten somit das  Ensemble auf das Beste.

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Schlussapplaus. Foto: Andrea Kremper

Nach sekundärem besinnlichem Innehalten brach im Saal die Hölle los: das enthuastische Publikum brüllte, tobte, trampelte, Bravostürme fegten die mit Rosen überhäuften Mitwirkenden schier von der Bühne. Dieser Abend dürfte in die Annalen des Hauses eingehen, natürlich wäre es wünschenswert den „Ring“ in dieser Formation weiter zu schmieden!

Gerhard Hoffmann

 

 

 

 

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