Mit dieser La clemenza di Tito führt Ádám Fischer die Hamburgische Staatsoper schnurgeradeaus in Richtung Opern-Spitzenliga 

Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito  Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE

Tara Erraught © Hans Jörg Michel

Auch mit seiner dritten Mozart-Premiere in Folge an der Hamburgischen Staatsoper gelingt Ádám Fischer ein absoluter Opern-Triumphzug an der Dammtorstraße. Vor einer äußerst ansprechenden Regie lässt er sechs exzellente SolistInnen, ein luftig schwingendes Mozart-Orchester und einen fulminant singenden Chor zu neuen Rekord-Höchstleistungen dieses Hauses anlaufen. So marschiert Hamburg wieder schnurgeradeaus Richtung Opern-Spitzenliga!  

La clemenza di Tito
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Caterino Mazzolà nach Pietro Metastasio

Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE


von Johannes Karl Fischer

Wenn Ádám Fischer mit seinem Orchester und Publikum begeisternden Dirigat auf dem Pult herumhüpft, flammt die Hamburgische Staatsoper stets in neuer Mozart-Begeisterung auf.

Schon die Ouvertüre war eine Paradeleistung dieses Hauses und zeigte einmal mehr, welches Spitzenpotential in diesem Klangkörper steckt. Rund, präzise, doch stets frisch und keck, so muss Mozart klingen! Zum absoluten Highlight wurden vor allem Alexanders  Klarinette und Bassetthorn-Soli, welche mit Mozartlicher Eleganz und Expressivität strahlend wie ein Klarinettenkonzert aus dem Orchestergraben segelten! 

Auch die äußerst ansprechende Regie von Jetske Mijnssen konnte auf ganzer Linie überzeugen. Vor Wänden mit prächtiger alter Stuckereikunst und tempelähnlichen Leitworten geschmückt spazierten die stets ordentlich gekleideten Figuren über die Bühne, der Tisch war gedeckt mit Speis’ und Trank samt gutem Wein. Im Saal lag stets eine warme Italien-Stimmung und bei dem in Flammen liegenden Palast brannte ein kleiner Feuerzauber auf der Bühne. Leider war der Regie-Applaus sehr verhalten, kaum Bravo-Rufe und ein einzelnes, aber deutlich hörbares Buh.

Ich weiß nicht, was die Leute an dieser Regie auszusetzen hatten… das war mal endlich eine Inszenierung mit niederschwelligem Einsteigerniveau, die ganze ohne museale Ästhetik einfach dieses Stück auf die Bühne brachte. Vielleicht wollen die Leute einfach Calixtos Bieitos die Werke auf den Kopf stellenden Inszenierungen wieder zurück? Bis zur nächsten Saisoneröffnungspremiere werden sie wohl noch warten müssen…

Katharina Konradi, Kangmin Justin Kim © Hans Jörg Michel

Ein kräftiges gesangliches Ausrufezeichen setzte vor allem Tara Erraughts mächtiger Mezzosopran in der Rolle der Vitellia. Ihre Stimme packte die tiefen Koloraturen wie eine kommandierende Kaiserin Roms, auch in der Höhe schmetterte sie die Noten in den Saal ohne je die Mozartliche Eleganz zu verlieren. Fast könnte man meinen, sie hätte selbst das Römische Kapitol in Flammen gelegt, stimmlich würde man das ihr locker zutrauen. Oder die Strippenzieherin eines solchen Aufstands ist einfach mächtiger als der Ausführende.

Doch diesen Aufstand hatte natürlich ihr Geliebter, Sesto, verübt. Auch Michèle Losier überzeugte in dieser Rolle auf ganzer Bahn und sang mit brillantem Mezzo das ganze emotionale Spektrum des Mozart-Gesangs aus. Ihre selbstsichere, doch leidenschaftliche Stimme verkörperte die Rolle äußerst passioniert und brachte ließ das Publikum die ganzen Gefühlt dieser äußerst vielschichtigen Rolle mitfühlen.

Tara Erraught, Michèle Losier © Hans Jörg Michel

Bernhard Richter in der Titelrolle des Tito war ein Mozart-Tenor par excellence: Mit sonnenheller Brillanz schwang seine präsente Stimme durch den Saal, souverän und mühelos segelte er durch die Koloraturen. Die hammerschwere Partie sang er völlig furchtlos doch stets mit stumpfem Speer, er reihte diese Rolle eben bestens in die lange Liste der Möchte-Gern-Helden namens Tamino, Don Ottavio und Co. ein. Diese Stimme muss man fürchten, die politische Macht dieses Charakters definitiv nicht. Leider wirkte er ausgerechnet in seiner Parade-Arie „Se all’impero, amici Dei“ ein ganz mini-bisschen unsicher, sonst wäre Applaus noch donnernder gewesen.

Schon der Blick auf den Besetzungszettel versprach einiges an Spannung, so stand in der Sopran-Partie des Annio der Countertenor Kangmin Justin Kim auf der Bühne. Trotz nach wie vor gewöhnungsbedürftigem Stimmfach konnte er auch mich als Countertenor-Skeptiker gänzlich überzeugen. Selbst in himmlischer Höhe segelte seine Stimme ohne den Hauch eines Pressens oder Drückens durch den Saal. Katharina Konradis strahlender Sopran brachte die Passion einer freudig verliebten Servilia in die Ohren des Publikums, während Han Kim als Hauptmann Publio mit stimmenstarkem Bass pflichtbewusst Titos Regimekritiker seinem Kaiser rapportierte.

Katharina Konradi, Tara Erraught, Kangmin Justin Kim, Bernard Richter, Han Kim, Michèle Losier © Hans Jörg Michel

Für die allerdickste Überraschung sorgte allerdings der hauseigene Chor der Hamburgischen Staatsoper unter der Leitung von Eberhard Friedrich. Jene SängerInnen, die an anderen Abenden durch zum Teil sehr durchwachsene Leistungen auffallen, sangen heute fulminant mit Feuer und Flammen, ihre Stimmen resonierten mächtig wie ein versammeltes römisches Volk auf dem Forum im ganzen Saal. Könnte dieser Chor nicht bitte immer so schlagkräftig singen? Hoffmann und Holländer hätten es dringend notwendig…

Ádám Fischer © Nikolaj Lund

Ádám Fischer zeigt mal wieder, was für begeisternde Opern-Spitzenleistungen auch an diesem Haus möglich sind. Liebe Mozart-Fans:

La clemenza di Tito kommt auf den meisten Spielplänen sowieso schon viel zu kurz, solche eine souveräne Aufführung dieses Meisterwerks wird es so schnell nicht wieder geben. Kommt, tretet in die neue Mozart-Mekka ein!

Johannes Karl Fischer, 30. April 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE

https://klassik-begeistert.de/?s=Auf+den+Punkt

Auf den Punkt 3: Ist ein Übermensch im Spiel, gibt’s auf der Bühne keine Toten – aber kann das gutgehen? Ja, wenn man die vier Schritte zum Humanismus beherrscht und Ádám Fischer dirigiert Staatsoper Hamburg, 28. April PREMIERE

W.A. Mozart, „Die Entführung aus dem Serail“ Staatsoper Hamburg, 12. Oktober 2023 

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