„Wirtschaft ist wie Krieg“, sagt der Direktor

„Der Regisseur sieht das alles viel kritischer als ich – soll sein.“ Autor und Ex-Spitzenmanager Alfred Zellinger über die Uraufführung von „Join!“.
„Der Regisseur sieht das alles viel kritischer als ich – soll sein.“ Autor und Ex-Spitzenmanager Alfred Zellinger über die Uraufführung von „Join!“.(c) Wikipedia
  • Drucken

Die Festwochen-Oper „Join!“ gibt sarkastische Einblicke in die Managerszene anhand der Sales Conference eines Computerkonzerns: Gespräch mit dem Librettisten Alfred Zellinger, einem langjährigen Insider.

Er sitzt im Halbdunkel an seinem Stammtisch im Hawélka und erzählt, dass er seit Ewigkeiten hierherkommt. Fast alles habe er hier konzipiert, sagt er und hebt gleich ein paar Bücher hoch. Aber im Unterschied zum „typischen“ Kaffeehausliteraten „schreibe ich hier wirklich“. Nun, das hat auch Peter Altenberg ganz sicher gemacht, aber man versteht die Botschaft: Alfred Zellinger ist nicht „so einer“.

Das distinguierte Äußere, die überlegte Geste – man sieht gleich, dass der Librettist der Wirtschaftsoper „Join“, die am Mittwoch bei den Wiener Festwochen uraufgeführt wird, lang mit einem Fuß in einer anderen Welt gelebt hat.
Der 67-jährige gebürtige Oberösterreicher war, wie man so sagt, „Spitzenmanager“: Marketingleiter bei Großkonzernen wie Philips, auch bei der Bawag, Geschäftsführer von Bösendorfer. „40 Jahre im Auge des Kapitalismus“, sagt er, wer, wenn nicht er, könne also diese Welt beschreiben: die Welt der Sales Manager, CEOs und Aufsichtsratsvorsitzenden, der Verkaufsleiter und Product Manager. All ihre Rituale, Phrasen und Machtspielchen.

Die von Franz Koglmann vertonte Oper „Join!“ bringt die Sales Conference eines Computerkonzerns auf die Bühne. Verkauft werden soll ein Chip fürs menschliche Hirn, der einen ununterbrochen „online“ macht. Der Text basiert in großen Zügen auf Zellingers Theaterstück „Spiel der Konzerne“ von 1990. Es ist eine von Business-Englisch und Schlagwörtern beherrschte Textcollage.
„Stellen wir uns den challenges der Zeit / time for a relaunch / erhöhen wir das Schlagtempo“, verkündet der CEO. „Wirtschaft ist wie Krieg“, posaunt der Marketingdirektor, „Business ist Sport“, kontert der die „corporate responsibility“ betonende junge Product Manager. „Das richtige Outfit, das richtige Outfit“, streicht die junge Verkaufsleiterin hervor. Ein Model dient als Versuchskaninchen und flötet: „I have it the chip / and you can have it too / so join with me / the new society.“

„Ich danke den Handy-Erfindern“

In dieser „Wirtschaftsoper“ wirkt einiges wie eine Karikatur klassischer Dramen, das Kriegerische der Marketingwelt, die Hybris der sich als „Master of the Universe“ sehenden Manager, die Intrigen, ein bisschen sexuelle Begehrlichkeit, Verrat . . .

Mit seinem Sarkasmus und seinen Witzfiguren, die reine Phrasencollagen sind, erinnert der Text aber noch mehr an Karl Kraus' „Die letzten Tage der Menschheit“. Ein Manager als schonungsloser Kritiker der Managerwelt also?

Oh nein. Versucht man, den Autor auf eine Haltung festzunageln, bezeichnet er sich wahlweise als „neutral“, „ambivalent“, „lustvoll sarkastisch“, am liebsten aber als „subversiv affirmativ“. Subversiv affirmativ – heißt das, der Autor findet die von ihm beschriebene Welt gar nicht so abstoßend?

„Richtig. So ist es. Wenn einer der Sales Manager ,Let's create the brave new world‘ sagt, dann ist das für die einen eine Verheißung, für die anderen eine Drohung. Ich sehe es als beides. Ich danke Gott auf den Knien – ich meine nicht Gott, sondern die Erfinder –, dass sie Computer, Internet, Handy und Smartphone erfunden haben.“

Zellinger betont auch, dass er nie einen Konflikt zwischen seinem Beruf und seinem Schriftstellersein empfunden habe. „Ich habe mich bei der einen Rolle von der anderen erholt“, sagt er. Und: „Eigentlich wollte ich diese Welt einfach zeigen, wie sie ist, es sollte ursprünglich gar keine Komödie werden.“ Als sein Stück „Spiel der Konzerne“ 1990 in Wien gespielt worden sei, erzählt er, seien auch viele Wirtschaftsstudenten gekommen. „Sie wollten sich abschauen, wie man sich in der Managerwelt verhält.“

Von dem „kühlen zurückhaltenden Sarkasmus“, den sich Zellinger selbst zuschreibt, wird bei der Festwochen-Aufführung wohl nicht viel zu spüren sein. „Der Komponist hat das Sarkastische mit der Musik noch verstärkt, und dann hat der Regisseur noch was dazugetan. Aber ich habe nichts dagegen, er sieht das natürlich viel kritischer als ich – soll sein.“

„Die Sprache entlarvt am besten“

Ob er die dargestellten Typen nicht auch widerwärtig finde? Zellinger sieht das nicht so drastisch, hat aber eine Erklärung für diese mögliche Wirkung: „Ich nehme die Sprache, wie sie ist, ich habe mit Zitaten gearbeitet, aus Geschäftsberichten von IBM etwa oder Börsenberichten. Mein Ziel ist es, die Sprache so zu komprimieren und vom Unwichtigen zu befreien, dass sie wirklicher wird als die Wirklichkeit. Die Sprache entlarvt am besten. Wenn Sie diese Typen also als widerwärtig empfinden, dann hat die Sprache vielleicht ihren Zweck mehr erfüllt, als ich dachte.“

Niemand kommt gut weg in „Join!“, auch die NGO-Aktivisten wirken lächerlich mit ihren pseudoreligiös pathetischen Phrasen. „Das ist nicht unterstellt“, betont Zellinger. Und zitiert Karl Kraus: „Die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ Aber antwortet nicht jeder Zyniker, wenn er gefragt wird, ob er ein Zyniker sei, nein, er sei Realist? „Dann war Karl Kraus aber auch Zyniker.“

„Join!“ bei den Festwochen

Der Wiener Komponist und Jazzmusiker Franz Koglmann hat die Musik der Wirtschaftsoper „Join!“ verfasst, der Text stammt vom österreichischen Autor Alfred Zellinger. Zellinger hat noch etliche andere Texte zum Thema Wirtschaft geschrieben und erst kürzlich zu Koglmanns „Börsenkonzert“ den Text. UA „Join!“: Mittwoch, 8. Mai, 19.30 Uhr, Halle E + G Museumsquartier. Aufführungen täglich bis Sonntag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.