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Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer

Auf der Bühne ist sie als Norma Priesterin, Frau, Geliebte und Mutter. Hinter der Bühne ist Cecilia Bartoli Intendantin. Wie schafft sie das? Bartoli im SN-Interview.

Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer
Pfingstfestspiele: Cecilia Bartoli kümmert sich ums Opfer


"Opfer": ein Wort und viele Bedeutungen. Im Englischen unterscheidet man zwischen "sacrifice" und "victim", Opfer bringen und Opfer sein. Die Frau, die der Komponist Vincenzo Bellini in seiner 1831 uraufgeführten Oper vorstellt, erfüllt beides: Norma ist als Priesterin zu einer heiligen Handlung berufen, aber sie begeht Verbotenes, das sie in ihrem Gewissenskonflikt ins Äußerste treibt: in ihren Opfertod auf dem Scheiterhaufen. Cecilia Bartoli, die morgen, Freitag, in Salzburg als Norma auftritt, schildert das Opfer dieser Frau und die Aktualität des Stoffs, aus dem sie die heurigen Pfingstfestspiele gestaltet hat.

SN: Was darf sich das Publikum von der angekündigten "Norma"-Neuentdeckung erwarten?

Bartoli: Die Annahme, "Norma" sei ein reines, leeres Primadonnenvehikel und das Libretto dümmlich, ist falsch. Norma ist keine Misteln erntende, hehre Priesterin, sondern eine temperamentvolle, zerrissene, verzweifelte Frau, Geliebte und Mutter. Sie ist Verräterin und wird verraten. Sie schwankt ständig zwischen ihrer Pflicht und ihrem Herzen - gerade das ist ein wichtiger Aspekt des Begriffs "Opfer", insbesondere im Bezug auf Frauen. Sie werden eine neue "Norma" hören, die aber in Wirklichkeit die originale "Norma" ist.

SN: Wie setzen Sie Ihre dramaturgischen Schwerpunkte bei Ihren zweiten Pfingstfestspielen?

Bartoli: Bei meinen Projekten interessieren mich Umfeld und Zusammenhänge, aus denen Vertrautes gewachsen ist. Heute erscheinen uns viele Dinge einmalig. Aber selbst Mozart kam nicht als Außerirdischer zu uns, auch er war ein Kind seiner Zeit. Er war geprägt von Salzburg, Wien, Prag, seinem Vater, von Gluck, Haydn, Salieri und so weiter.

Oder denken Sie an Bellinis Musiksprache und Formen. Sie weisen in vielem auf Verdi hin. Zu jener Zeit gab es auch Komponisten wie Mercadante, Pacini, Spontini, die wir vergessen haben, mit denen sich die Künstler damals aber auseinandersetzen mussten, die sie inspirierten und beeinflussten. Folglich gibt es von jedem Werk, von jeder Person vielfältige Beziehungen in die Zukunft wie in die Vergangenheit- und einen Teil davon zu zeigen, das ist es, was mir Spaß macht.

SN: Welche Themenkomplexe interessieren Sie?

Bartoli: Es eignen sich viele Dinge als Thema für ein Festival. Letztes Jahr stand eine Frauenfigur - Kleopatra - im Zentrum. 2013 ist nachdenklicher, ein "abstraktes" Thema, mit dem sich aber jeder Mensch auseinandersetzen muss. Man sieht daran auch, wie wichtig mir als großer Bogen die Abwechslung und der Kontrast sind - das Publikum will stets von Neuem stimuliert und überrascht werden. Daher muss 2014 wohl etwas Lustiges, Überbordendes folgen, vielleicht auch einmal ein Thema über einen Mann.

SN: Welche Genres sind neben Oper und Konzert noch vertreten?

Bartoli: Eine neue Sparte bringt diesmal das Mariinski-Theater mit: einen dreiteiligen Ballettabend mit Werken von Igor Strawinsky, alle aus dem Schatz der Rekonstruktionen der Ballets Russes. Außer dem "Sacre du printemps" sind dies "Les noces" (Die Hochzeitsfeier, Anm.) sowie der "Feuervogel". Die grandiosen Ballets-Russes-Produktionen sind farbenfrohe Gesamtkunstwerke. Die Ausstattungen stammen von Malern des Expressionismus und der Avantgarde. Und die ihre Füße nachziehenden Tänzer in der legendären "Sacre"-Choreografie von Nijinsky, die 1913 das Pariser Publikum schockierten, wirken heute noch kraftvoll modern.

SN: Wie sehen die zeitgenössischer Bezüge im heurigen Programm aus?

Bartoli: Es sind weniger die zeitgenössischen Bezüge als vielmehr der Versuch, herauszuarbeiten, warum bestimmte Werke überhaupt noch Relevanz für uns haben. Das zeigen wir durch die Gegenüberstellung von Werken. Zum Beispiel haben wir ein Klavierrezital mit Bachs "Musikalischem Opfer" programmiert, das dann Sofia Gubaidulina in ein Violinkonzert mit spirituellem Gehalt überhöht, während dieses Violinkonzert wiederum mit Schostakowitschs politischer 13. Symphonie in Verbindung gebracht wird.

SN: Waren Sie selbst je vom Thema "Opfer" betroffen?

Bartoli: Jeder Mensch hat eine Betroffenheit gegenüber diesem Thema, durch das eigene Erleben und durch jene Dinge, deren Zeugen wir jeden Tag werden. Als Frau ist man demgegenüber noch empfindlicher. Dass die Rolle der Frau als Opfer von gesellschaftlicher Konvention und vorgeprägter Haltung auch bei uns noch hochaktuell ist, zeigt die jüngst aufgeflammte Sexismusdebatte in den deutschsprachigen Ländern.

Selbst in unserer modernen Kultur müssen wir Künstlerinnen unsere persönlichen Interessen in vielem einschränken oder eben opfern, damit wir unsere Tätigkeit ausüben können. Denken Sie einfach ans Essen, an die sozialen Aktivitäten, das Exponiertsein, den Verzicht auf ein stetes Leben. Da muss man schon streng mit sich sein. Aber ich empfinde all das glücklicherweise weniger als Opfer, denn es ist gleichzeitig meine Passion. Von daher bin ich vielleicht Opfer meiner Leidenschaft.

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