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Der Dirigent von "Norma" verspricht einen Schock

Von falschen Traditionen gereinigt, soll "Norma" bei den Salzburger Pfingstfestspielen in einem neuen Klanggewand erscheinen.

Der Dirigent von "Norma" verspricht einen Schock
Der Dirigent von "Norma" verspricht einen Schock


Manchmal können Traditionen kann ganz schön in die Irre führen. Vincenzo Bellinis Oper "Norma" wurde dank der Primadonna assoluta Maria Callas zu einer Legende, die mit der Wirklichkeit freilich nicht mehr viel zu tun hatte. Allein ein Fünftel ihrer 500 Auftritte widmete die Callas zwischen 1948 und 1965 der Darstellung der Druidenpriesterin. Sie formte dabei ein Rollenbild, wie es ihrem hochdramatischen Sopran, aber nicht den Intentionen des Werks entsprach.

Eine problematische Überlieferung: Das will die Salzburger Aufführung der romantischen Belcanto-Oper, mit der am Freitag die zweiten Salzburger Pfingstfestspiele von Cecilia Bartoli eröffnet werden, korrigieren. Geht man nämlich zurück zu den Wurzeln, zur Uraufführung 1831 an der Mailänder Scala, sangen da zwei Stars jener Zeit, Giuditta Pasta und Giulia Grisi, die Rollen von Norma und ihrer Novizin Adalgisa. Sie waren in ihren Stimmtypen exakt das Gegenteil der Callas und ihrer Wegbegleiterinnen. Dieses originale Verhältnis will Cecilia Bartoli in den Salzburger Aufführungen wieder herstellen. Dadurch werden auch die Balanceverhältnisse verändert: Norma als reifere, Adalgisa als "mädchenhafte" Stimme ergeben klareren Sinn für das Verständnis der Handlung der Oper.

"Das Entscheidende ist die veränderte Gewichtung der Stimmen", bekräftigt auch der Dirigent der Produktion, Giovanni Antonini, die neue Lesart des alten Stücks. Hinzu kommt der Orchesterklang auf Originalinstrumenten. "Eine romantische Oboe, eine Holzflöte, ein Naturhorn, das Bellini vorschreibt, haben eine ganz andere Klangstärke und Klangfarbe. Sie korrespondieren weit eleganter mit den Streichern, wodurch der Satz durchsichtiger klingt, die Bläserstimmen viel präsenter werden", erklärt der Dirigent. "Was die Lautstärke betrifft, könnte das ein richtiger Schock werden", sagt Antonini.

Auf solchen originalen Sound gebettet, sollten auch die Sänger nicht forcieren. Sie können ganz "auf Linie" singen, einen leichten und doch dramatischen Bogen spannen. Somit sollte sich der Stil des "Belcanto", als dessen Meister Bellini gilt, wie selbstverständlich einstellen. In der Dramatik, die Maria Callas vorlegte, hatte man auf solche stilistischen Fragen gar nicht geachtet. Aber wie es "viel schwerer ist, leise statt laut zu spielen, ist es auch schwer, leise statt laut zu singen". Dramatisch Druck zu machen, macht viel mehr Effekt. Das Leise aber kann weit mehr Schönheiten in Bellinis Sinn hervorholen. "Bellini ist viel näher an Mozart als an Verdi", sagt Antonini.

Nicht die dynamischen Extreme sind ausschlaggebend, sondern die feinen Abstufungen vom Leisen zum Lauten. Gerade die Zwischentöne machen die besonderen Farben dieser Oper aus. Dazu kommt, dass die textliche "Klangsprache" des Italienischen auch eine eigene musikalische Qualität entwickelt. Auch das können delikat entwickelte musikalische "Zwischenlagen" deutlicher hervorholen.

Den "originalen" Notentext wieder herzustellen, falle freilich insofern schwer, weil durch viele Änderungen während der Entstehung ein definitiver letzter oder ursächlicher Wille des Komponisten nicht eindeutig feststellbar ist. Die neue kritische Edition, auf die die Salzburger Aufführung zugreift, sucht die bestmögliche Annäherung. Die Interpretation durch Giovanni Antonini "ist meine Meinung zum Verstehen des Werks". Der Dirigent erhebt keinen Absolutheitsanspruch auf seine Sichtweise.

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