Die 36-jährige Kristiina Poska erhielt 2013 als erste Frau den Deutschen Dirigentenpreis. "Ich möchte einen Donizetti haben, der leicht und schlank und spritzig klingt", sagt sie über "Viva la mamma".

Foto: Matthias Cremer

Wien - "Am Anfang meines Studiums mit 16 Jahren habe ich es für einen Nachteil gehalten, nicht aus einer Musikerfamilie zu kommen", erzählt Dirigentin Kristiina Poska. "Das hat sich geändert: Man ist weniger vorbelastet und kann sich viel ungehemmter entwickeln." Immerhin: Zu Hause gab es ein Klavier, gespielt von der Mutter und vom Großvater, der "wunderbar improvisieren konnte".

So lernte die 1978 im estnischen Türi Geborene das Instrument ebenfalls und war sich schon früh sicher, in irgendeiner Form Musikerin werden zu wollen.

Am Beginn der Ausbildung stand das Chordirigieren - in Tallinn. Doch bald war klar, dass der Weg nach Deutschland führen sollte: "Es gab schon Kontakte nach Köln, mehr oder weniger zufällig kam ich dann über das Erasmus-Programm nach Berlin."

Hier studierte sie ab 2004 Orchesterdirigieren: "Ab einem gewissen Punkt war ich vollkommen orchesterfixiert - das war mein großer Traum. Schon als ich bei den Proben des estnischen Nationalorchesters dabei sein konnte, war das für mich das Faszinierendste, was ich mir vorstellen konnte."

Die Faszination übertrug sich rasch auf andere: Schon 2006 übernahm Poska das Orchester der Humboldt-Universität, wurde an mehreren kleineren deutschen Häusern engagiert und landete schließlich an der Komischen Oper Berlin, wo sie seit 2012 als Erste Kapellmeisterin fungiert - eine Stelle, für die sie sich schon gar nicht mehr bewerben musste: "Eigentlich wusste ich gar nicht, dass jemand gesucht wird. Ich hatte dort aber unverbindliche Vordirigate gemacht, die dem Orchester offenbar zugesagt haben."

Nachdem sie daraufhin für zwei Vorstellungen von La traviata geholt wurde und positive Resonanz bekam, wurde sie vom damals noch designierten Intendanten Barrie Kosky gleich gefragt, ob sie an der Stelle interessiert sei. "Das war natürlich für mich ein großer Glücksfall - ich habe ja damals noch studiert."

Am Opernhaus, wo sie in dieser Saison Die schöne Helena, Die Zauberflöte, Don Giovanni, Lucio Silla und West Side Story dirigiert, fühlt Kristiina Poska sich - nicht zuletzt durch die kommunikative Art des Intendanten - sehr inspiriert: "Ich lerne dabei unglaublich viel. Meine Karriere steht ja noch eher am Anfang, aber beim Dirigieren lernt man sowieso ein Leben lang, auch beim Umgang mit dem Orchester. So viele Leute, wie da drinnen sitzen, so viele verschiedene Meinungen und Persönlichkeiten gibt es. Die zu einem gemeinsamen Ziel zu motivieren und gleichzeitig Freiheiten zuzulassen, ist die große Herausforderung."

Wenn Impulse aus dem Orchester kommen, schätze sie das sehr: "Das ist das Kostbarste, was einem passieren kann. Wenn es irgendwie zu meinem Konzept passt, nehme ich das sofort auf und versuche diesen Prozess zu fördern. Denn durch Input aus dem Orchester wird das Musizieren erst lebendig, und so entstehen eigentlich erst die wirklich schönen Sachen."

Schön findet Kristiina Poska, die 2013 - als erste Frau - den Deutschen Dirigentenpreis erhielt, auch ihre aktuelle Produktion an der Volksoper Wien - vor allem wegen des Regisseurs: "Ich bewundere Rolando Villazón wirklich sehr, wie er diese Arbeit macht. Er hat ein ungeheuer klares Konzept und arbeitet handwerklich sehr gut - im Unterschied zu manchen studierten Regisseuren. Natürlich kennt er das Theaterleben von der Sängerseite durch und durch, und er weiß auch immer, was für Probleme Sänger bei einer Inszenierung haben könnten. Ich merke, dass er solche Schwierigkeiten von vornherein vermeidet. Das macht das Arbeiten um vieles leichter und angenehmer."

Dass das Ergebnis ihrer Arbeit dann auch leicht und angenehm klingt, sagt die Musikerin, sei im Fall eines komödiantischen, leichten Stücks besonders schwierig: "Ich möchte einen Donizetti haben, der leicht und schlank und spritzig klingt. Das Volksopernorchester ist diesbezüglich ganz toll und flexibel. Es hat einen wunderbar charmanten Klang, den ich stark mit Österreich und Wien in Verbindung bringe, obwohl natürlich jedes Orchester anders ist. Sich darauf immer wieder neu einzustellen, ist vielleicht das Schönste an meinem Beruf." (Daniel Ender, DER STANDARD, 14.1.2015)