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Als Direktor der Volksoper hat Robert Meyer keine Genrepräferenzen. Als Schauspieler hingegen schon: In Musical und Operette tritt er gerne auf, in Oper und Ballett habe er "nichts verloren".

Foto: APA / H. Fohringer

STANDARD: Herr Direktor Meyer, eines Ihrer Lieblingswörter ist "Handwerk".

Meyer: Es ist ja ein Handwerk, was wir betreiben. Schauspieler ist ein Beruf, den man gelernt haben muss, Sänger ebenso. Theaterdirektor kann man nicht lernen. Das wird man und kann es, oder man kann es nicht.

STANDARD: Sie haben diese Rolle von jeher mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ausgefüllt. Hat sie etwas mit Theaterspielen zu tun?

Meyer: Es hat damit zu tun, dass man sich selbst zutraut, ein so großes Ensemble zusammenzuhalten. Es geht darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wenn man Kraft, Lust und Leidenschaft hat, funktioniert es, sonst nicht.

STANDARD: Im Gegensatz zu den großen Tankern Burgtheater und Staatsoper tut sich die Volksoper mit ihren vier Sparten beim eleganten Manövrieren vielleicht etwas leichter.

Meyer: Dass das Burgtheater im Sprechtheater ein großer Tanker ist, ist klar. Wobei die Volksoper mehr Plätze hat – das vergisst man leicht. Aber Sie haben natürlich recht: Wir haben vier Genres, mit denen man spielen kann. Als Direktor bevorzuge ich zwar keines davon, aber als Schauspieler habe ich natürlich die Operette und das Musical sehr gerne, weil ich dort auch auftreten kann. In der Oper habe ich nichts verloren, und im Ballett schon zweimal nichts.

STANDARD: Besonders dem Musical haben Sie neue Anstöße gegeben, wobei Marcel Prawy und Ihr Chefdramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz hier eine wesentliche Wiener Achse verkörpern.

Meyer: Prawy hat das Musical nach Wien gebracht, als es noch verpönt war, und hier am Haus mit Kiss Me, Kate und West Side Story Riesenerfolge gelandet. Heute rümpft niemand mehr die Nase bei klassischen Musicals, wie wir sie bringen: vor allem aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Das jüngste im Spielplan, Sweeney Todd, entstand Ende der 70er.

STANDARD: Was macht den "Mann von La Mancha" zum Klassiker?

Meyer: Von allen Musicals hat es mit Abstand den intelligentesten Text, weil es auf einem Weltroman basiert und der Text zum Teil von Cervantes ist. Deshalb ist der Don Quixote auch für einen Schauspieler ein besonderes Vergnügen.

STANDARD: Gibt es da einen Widerspruch zur eingängigen Musik?

Meyer: Nach der Vorstellung behält man die Melodien im Ohr, aber deshalb sind sie noch lange nicht primitiv. Die Musik ist sogar sehr heikel, weil die Rhythmen kompliziert sind. Ich kenne das Musical in- und auswendig, weil ich es schon 70-mal gespielt habe. Ich weiß also, wovon ich rede.

STANDARD: Sie singen als Nichtsänger. In Musical und Operette arbeiten bei Ihnen oft Kollegen mit ganz verschiedenen Hintergründen zusammen. Wie kommt man auf Augenhöhe und in Harmonie?

Meyer: Ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich habe zwar keine Sängerausbildung, aber ich war im Kinderchor, im Kirchenchor, und zwar zuerst als Sopran, dann als Alt, schließlich als Bass. Ich habe Klavier und Trompete gelernt und natürlich auch Notenlesen. Das ist nicht ganz unvorteilhaft. Natürlich hört man, ob jemand eine Musical- oder Opernausbildung hat. Beim Mann von La Mancha haben wir mit Mehrzad Montazeri einen Opernsänger im Ensemble. Ich finde die Mischung gut. Toll ist, wenn man das vergisst, wenn alles eines wird. Am wichtigsten ist für mich aber auch hier die Verständlichkeit des Textes.

STANDARD: Kommen wir zurück zu Ihrer Rolle als Direktor. Wie stehen die Aktien beim Kasino am Schwarzenbergplatz, das zu einer neuen Spielstätte werden soll?

Meyer: Wir planen für dort ab der nächsten Spielzeit eine Produktion pro Saison. Ich möchte dort ausnahmslos zeitgenössische Oper zeigen, kleinere Stücke, weil das Riesenhaus Volksoper für Zeitgenössisches nicht wirklich geeignet ist – das Publikum dafür haben wir in diesem Ausmaß einfach nicht. Im Kasino kann ich hoffen, ein neues Stück zehn- bis zwölfmal zu füllen. Das ist mein Plan, den ich mit Karin Bergmann umsetzen möchte.

STANDARD: Die Volksoper hat jüngst noch ein ganz anderes Haus unter ihre Fittiche genommen. Sie wissen, auf welches ich anspiele ...

Meyer: Natürlich. Anlässlich der Flüchtlingskatastrophe haben wir uns gefragt, was wir beisteuern können, und uns etwas überlegt, das längerfristig Wirkung hat: Wir werden ein Haus des Diakonie-Flüchtlingsdiensts für unbegleitete Minderjährige dauerhaft unterstützen. Viele unserer Mitarbeiter haben sich entschlossen, monatlich einen Teil ihrer Gage zu spenden. Wir helfen, das Haus herzurichten, und werden ganz gezielt Sachspenden sammeln. Und natürlich möchten wir mit den Jugendlichen Zeit verbringen, um ihnen die Integration zu erleichtern. (Daniel Ender, 16.10.2015)