Berlin. Der neue Generalmusikdirektor Ainars Rubikis bereitet Korngolds „Die tote Stadt“ an der Komischen Oper vor. Ein Treffen.

Der lettische Dirigent Ainars Rubikis (40) ist der neue Generalmusikdirektor an der Seite des Regieintendanten Barrie Kosky an der Komischen Oper. Von Kosky weiß man, dass er ein Hundenarr ist. Und was macht Rubikis während unseres Gesprächs? Er zückt sein Handy und zeigt Fotos von seinen beiden Hunden. Fairerweise muss man hinzufügen, dass er zuerst ein Foto von seiner Ehefrau in einer Schauspielrolle zeigt, dann folgt eines von seiner Katze, die eindeutig größer und stärker ist als die beiden Hunde. Der eine Hund heißt Rumi, nach dem mittelalterlichen persischen Dichter, der andere Umka. Der Name stammt vom kleinen Eisbären, einer beliebten russischen Cartoonfigur. Rubikis erklärt, dass der Eisbär die Erwachsenen immer mit seinen Fragen löchert.

Dass mit den Tieren ist schon erwähnenswert. Weniger, weil es womöglich empfehlenswert ist, zu Einstellungsgesprächen an der Komischen Oper seinen Hund mitzubringen, sondern weil es offenbart, was für ein humorvoller und verspielter Geist der Dirigent ist. Seine eigene Aufgabe vergleicht er etwa mit zwei Mühlsteinen, zwischen denen alles zerrieben wird. Aber am Ende entsteht ein Brot.

Am Anfang steht der Sieg beim Mahler-Wettbewerb

Auf Ainars Rubikis wurde der hiesige Klassikbetrieb erstmals 2010 aufmerksam, als er den Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb gewann, den die Bamberger Symphoniker alle drei Jahre veranstalten. Andere Ehrungen und Engagements folgten. Von 2012 bis 2014 leitete er das Staatliche Opern- und Ballett-Theater Nowosibirsk als Musikdirektor und Chefdirigent. „Ich spürte sofort“, sagt Rubikis, „dass mir da eine Welt offensteht und habe schnell begriffen, dass ein GMD mehr ist als ein Musiker, der im Graben dirigiert, dass die Position mehr umfasst.“ Der GMD stehe immer ein bisschen im Kreuzfeuer, sagt er, einerseits diene er der Kunst und muss die Forderung nach der bestmöglichen Musik auf der Bühne oder im Konzertsaal erfüllen, andererseits habe er viele Aufgaben in der künstlerischen Verwaltung.. „Der Dirigent ist der Vermittler zwischen Orchester und Publikum, zwischen Bühne und Komponisten“, so Rubikis. „Und er dient der göttlichen, kreativen Energie.“ Den letzten Satz meint er sehr ernst.

Für seinen Einstand als Generalmusikdirektor in Berlin macht es sich Rubikis wirklich nicht einfach. Als wichtigstes Ereignis bereitet er die Neuproduktion von Korngolds Oper „Die tote Stadt“ vor. Die Premiere ist am 30. September. Drum herum leitet er Vorstellungen von Mozarts „Zauberflöte“ und Prokofjews „Liebe zu drei Orangen“. Und weil das offenbar nicht genug ist, dirigiert er gleich noch das erste Sinfoniekonzert mit Werken von Maurice Ravel, Gustav Holst und John Corigliano.

„Ich bin definitiv ein Workaholic“, gibt Rubikis zu: „Ich fühle mich immer ein wenig krank, wenn ich nicht arbeite. Ich habe durch einen guten Freund, der Kardiologe ist, gelernt, dass man gerade als Workaholic achtsam mit sich umgehen muss. Daher wechsle ich zwischen sehr intensiven Arbeitsphasen und Zeiten, in denen ich mich wieder auflade.“

Die Komische Oper ist ein Haus, an dem die Regie eine prägende Rolle spielt und das in der Vergangenheit auch den Skandal nicht scheute. Der neue GMD, der übrigens in Kreuzberg lebt und jeden Tag mit der U-Bahn zur Oper fährt, nimmt das völlig gelassen. „Ich bin ein großer Fan von Regisseuren und dem, was sie tun“, sagt er. „Ich glaube, dass sich Geschichte in Spiralen entwickelt. Künstlerisch haben wir insgesamt ein sehr hohes Niveau erreicht. Es gab Zeiten, da waren Dirigenten oder Sänger wichtiger. Jetzt sind wir in einem Zeitalter der Regie. Um die Werke zu verstehen, um ihnen Leben einzuhauchen, braucht man heute die Regisseure.“

Er gibt allerdings zu, noch nicht allzu vieles vom deutschen Regietheater mitbekommen zu haben. Er erinnert sich an eine Aufführung von Tschechows „Der Kirschgarten“, wo er aber keinen Kirschgarten gesehen hat. „Ein Freund, der mitgespielt hat, verglich das Stück mit einer Uhr. Die Idee vom deutschen Regietheater sei es, die Uhr in ihre Bestandteile zu zerlegen und aus den Einzelteilen etwas ganz anderes zusammen zu bauen. Mir persönlich ist es aber wichtig, dass das Ergebnis letztlich als Uhr funktioniert.“

Seine Frau ist eine in Lettland berühmte Schauspielerin

Der Dirigent glaubt an die Botschaft des Theaters und er möchte keinesfalls, dass das hinter oberflächlichen Effekten verschwindet. „Ich habe nichts gegen eine radikale Regiesprache auf der Bühne, aber es muss Sinn ergeben.“ Offenbart wird über dieses Thema auch bei ihm zu Hause viel diskutiert. Seine Frau Rezija Kalnina ist eine in Lettland berühmte Theater- und Filmschauspielerin. Sie spielt jetzt in Riga in James Goldmans Bühnenstück „The Lion in Winter“ die Königin Eleonore. Das Künstlerpaar lebt zwischen Riga und Berlin. „Der Plan ist, dass sie irgendwann mehr Zeit in Berlin verbringt“, sagt der Dirigent: „Momentan ist es eine Fernbeziehung. Wir haben beide – zum Glück! – viel zu tun.“

Aber eine künstlerische Konkurrenz gäbe es nicht, sagt Rubikis: „Ich habe im Freundeskreis beobachtet, dass Männer empfindlich reagieren, wenn ihre Frauen erfolgreich sind. Das ist bei uns kein Thema. Es gibt keinen Wettstreit zwischen uns. “