Die Staatsoper ist nach dreijähriger Sanierung feierlich wiedereröffnet worden. Ein Ausflug nach Tschechien lohnt sich.

Es riecht noch leicht nach Farbe. Als die ersten Gäste am Sonntagabend in Prag in der frisch sanierten Staatsoper eintreffen, ist die Spannung groß. Wird alles klappen? Wie wird das Konzert mit den Opernarien aus der wechselvollen Geschichte des Hauses den rund tausend Gästen gefallen? Was werden sie zu den Moderationen von Pavel Kohout, die zwischen den einzelnen Stücken eingeblendet und durch Fotos und Filme aus den vergangenen Jahren, von den ersten Aufführungen, aber auch aus der Nazi-Zeit und dem Kommunismus ergänzt werden, sagen? Die Antwort ist nach zweieinhalb Stunden einhellig: „Es war großartig“, gratulieren die Gäste dem Intendanten Per Boye Hansen.

Knapp drei Jahre dauerte die Generalsanierung der Staatsoper in Prag. Die Kosten beliefen sich umgerechnet auf rund 51 Millionen Euro, waren also deutlich höher als geplant – so kennt man das auch von vielen Bauprojekten aus Deutschland. Denn ursprünglich waren rund 36 Millionen Euro für die Opernsanierung veranschlagt worden. Bauprojekte wie die Elbphilharmonie in Hamburg, die Staatsoper Unter den Linden in Berlin oder gar der künftige Hauptstadtflughafen BER in Berlin weisen allerdings noch sehr viel deutlichere Kostensteigerungen auf.

Das Haus unweit des Prager Hauptbahnhofs wurde nicht nur renoviert, sondern auch technisch auf den neusten Stand gebracht. So wurden die Belüftungs- und Bühnentechnik modernisiert, darüber hinaus die einzelnen Sitzplätze mit Touch-Displays ausgestattet, auf denen man individuell die Untertitel in den verschiedenen Sprachen einstellen kann.

„In Tschechien sind Musik und auch die Oper Teil der Gesellschaft“, sagt Per Boye Hansen, gebürtiger Norweger und seit einem halben Jahr in Prag tätig. Als Intendant ist der 62-Jährige zuständig für die Staatsoper mit ihrer deutschen Tradition, aber auch für das tschechische Nationaltheater. Daneben gibt es noch als drittes Opernhaus das Ständetheater, das durch die Uraufführungen der beiden Opern „Don Giovanni“ im Jahr 1787 und „La clemenza di Tito“ im Jahr 1791 von Wolfgang Amadeus Mozart in die Musikgeschichte eingegangen ist. „Die Musikbegeisterung gehört zur Identität der Tschechen“, sagt Hansen und erinnert an die großen tschechischen Komponisten wie Bedřich Smetana und Antonín Dvořák.

Die drei Opernhäuser sind gut ausgelastet

Wohl auch deshalb sind die drei Opernhäuser in Prag, das mit 1,3 Millionen Einwohnern deutlich kleiner ist als Berlin mit seinen drei Opernhäusern und rund 3,8 Millionen Einwohnern, gut ausgelastet. Diese betrage 75 bis 80 Prozent, natürlich sei noch Potenzial nach oben, so der Intendant. Rund 400 Opernaufführungen gibt es an allen drei Bühnen im Jahr, da haben auch Touristen noch eine Chance, eine Karte zu bekommen. Für die bekannten und beliebten Opern wie „Die verkaufte Braut“ von Smetana muss man sich allerdings schon ein paar Monate vorher um Karten bemühen. „Anders als in Berlin arbeiten wir in Prag bei den drei Häusern eng zusammen, mit einer Intendanz“, sagt Hansen. „So können alle drei Häuser ein eigenständiges Profil gewinnen.“

Das soll auch an der wieder eröffneten Staatsoper gelingen. Deren Geschichte ist überaus wechselvoll. Am 5. Januar 1888, also genau vor 132 Jahren, war die Bühne als Neues Deutsches Theater eröffnet worden. Nach der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus dann in „Smetana-Theater“ umbenannt, um sich von den Deutschen und der schlimmen Nazi-Zeit abzugrenzen. Doch auch das kommunistische Regime gewährte nicht die Freiheit, die die Kunst und die Oper brauchen, wie Pavel Kohout in seinen Texten beim Galakonzert in Erinnerung brachte.

Dann fiel in Deutschland im November 1989 die Mauer, in den Ostblock-Staaten brachen die Regime zusammen, in Tschechien kam es Ende November und im Dezember 1989 zur „samtenen Revolution“, die den Schriftsteller und Menschenrechtler Václav Havel in das Amt des Staatspräsidenten brachte – des letzten der Tschechoslowakei bis 1992 und ab 1993 bis zum Jahr 2003 zum ersten der Tschechischen Republik. 1992 erhielt das Opernhaus dann seinen heutigen Namen „Staatsoper Prag“ – und gehört seit einigen Jahren organisatorisch zum tschechischen Nationaltheater.

Eine Reise in die Zeit der Habsburger

Im Opernsaal strahlen die Gemälde und die Goldornamente in herrlichen Farben. Ein Höhepunkt ist der neue Bühnenvorhang, eine anhand von Fotografien ermöglichte Nachbildung des in den Kriegswirren verloren gegangenen Originalwerks des österreichischen Malers Eduard Veith. „Die Gäste im Zuschauerraum sollen das Gefühl bekommen, dass sie in die Zeit der Habsburger-Monarchie zurückkehren“, sagte der tschechische Kultusminister Lubomir Zaoralek.

Von der Galaeröffnung ließen sich auch Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis und der ungarische Ministerpräsident Vikor Orban begeistern. Aus Deutschland war Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) gekommen. „In der Prager Staatsoper sind die deutsche, tschechische und europäische Kulturgeschichte eng miteinander verflochten“, so Grütters. Und dass die deutsche Geschichte noch immer großen Einfluss hat, machte sich auch am Programm des Galakonzerts bemerkbar.

So sang Lise Davidson, ein neuer Star am Opernhimmel, aus Richard Wagners „Tannhäuser“ die Arie „Dich, teure Halle“, Pavel Cernoch begeisterte mit „Dein ist mein ganzes Herz“ von Franz Lehar, außerdem wurden Stücke von Mozart, Richard Strauss, Franz Schrecker („In einem Lande ein bleicher König“), Smetana und von Giacomo Puccini gespielt. Das Galakonzert fand seinen umjubelten Abschluss in Ludwig van Beethovens „Heil sei dem Tag“. Das Orchester der Staatsoper wurde dirigiert von dem Deutschen Karl-Heinz Steffens. Auch für Steffens, der früher unter anderem als Solo-Klarinettist für die Berliner Philharmoniker gespielt und später mehrfach als Dirigent an der Staatsoper Unter den Linden gastiert hatte, gab es viel Applaus.

Überglücklicher Intendant

Intendant Hansen, auch er Anfang der 2000er-Jahre in Berlin, von 2003 bis 2005 als Operndirektor an der Komischen Oper tätig, war nach der gelungenen Premiere überglücklich. Und er freut sich auf die nächsten Jahre in Prag – sein Vertrag läuft noch bis 2025. An der Staatsoper werden die großen Werke des 19. Jahrhunderts, die Klassiker wie Verdi, Puccini und Wagner zum Kernrepertoire gehören, aber auch „moderne und innovative Werke aus den 20er- und 30er-Jahren“ sollen aufgeführt werden.

Unterstützt von dem Berliner Markus Klimmer als künstlerischer Berater ist über vier Spielzeiten das Programm „musica non grata“ geplant, das das Leben im Schmelztiegel Prag nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bis 1938 widerspiegeln soll. Alle drei Opernhäuser werden dabei die deutsch-jüdische Kulturgeschichte im Fokus haben, Komponisten und vor allem Komponistinnen sollen wieder entdeckt werden. Weil das auch im deutschen Interesse ist, fördert das Auswärtige Amt „musica non grata“ mit rund vier Millionen Euro.

„Wir möchten, dass Prag stolz auf die Staatsoper ist, aber auch ganz Europa“, sagt Dirigent Steffens. Der Anfang dafür ist mit der Wiedereröffnung und dem Galakonzert gemacht.