Opernhaus Zürich: ein Fall von Machtmissbrauch?

Die Oper Zürich trennt sich überraschend von ihrem Operndirektor Michael Fichtenholz.

Christian Wildhagen
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Alles eitel Sonnenschein oder reinigendes Gewitter? Das Opernhaus Zürich braucht im Sommer einen neuen Operndirektor.

Alles eitel Sonnenschein oder reinigendes Gewitter? Das Opernhaus Zürich braucht im Sommer einen neuen Operndirektor.

Opernhaus Zürich

Das Opernhaus Zürich und Operndirektor Michael Fichtenholz gehen nach dem Ende der laufenden Spielzeit 2020/21 getrennte Wege. Damit läuft das Engagement von Fichtenholz, der 2018 in Zürich angetreten war, vorzeitig aus. Wie das Opernhaus mitteilte, erfolgt die Beendigung der Zusammenarbeit einvernehmlich und auf Wunsch von Fichtenholz.

Hintergrund der Trennung ist offenbar eine Untersuchung von Vorwürfen gegen Michael Fichtenholz. Das Opernhaus Zürich hatte nach eigener Darstellung schon im August 2018 eine Weisung erlassen, die den Umgang mit Vorwürfen «in Bezug auf Belästigung und Machtmissbrauch» regeln soll. Mit den Abklärungen werde in solchen Fällen eine externe spezialisierte Fachstelle beauftragt, hiess es. Allen beteiligten Personen werde in diesen Verfahren Vertraulichkeit zugesichert.

«Vorwürfe»

«Ein solcher Prozess wurde auch in Bezug auf Vorwürfe gegen Herrn Fichtenholz verfolgt», heisst es in dem Statement des Opernhauses weiter. Man habe «ohne Verzug nach Kenntnis der Vorwürfe» Abklärungen eingeleitet und die externe Fachstelle hinzugezogen. Über Inhalt und Ergebnis dieser Abklärungen seien die Beteiligten informiert worden. Der Prozess sei einvernehmlich beendet worden. «Es wurden von keiner Seite her weitergehende Schritte, insbesondere keine rechtlichen, beantragt», teilte das Opernhaus mit.

In dem Statement, das zunächst der CH-Media und anschliessend weiteren Medien übermittelt wurde, bat Zürichs Intendant Andreas Homoki um Verständnis dafür, dass das Opernhaus «zum Schutz der Personen» keine weiteren Auskünfte erteilen könne. Auch Michael Fichtenholz teilte auf eine Anfrage der NZZ mit, er respektiere die vereinbarte Vertraulichkeit und wolle sich daher nicht zu dem Thema äussern.

An die Öffentlichkeit gedrungen waren die Vorgänge erstmals am Dienstag, nachdem auf der englischsprachigen Website Slippedisc.com in Bezug auf die Vorfälle, etwas nebulös, von «human relations issues with younger members of the company» die Rede gewesen war.

Experte für Operngesang

Michael Fichtenholz hatte in der Spielzeit 2018/19 die Nachfolge von Sophie de Lint übernommen, die zur Direktorin der Niederländischen Nationaloper Amsterdam ernannt worden war. Der Musikwissenschafter, 1978 in Moskau geboren, hatte zuvor unter anderem als Operndirektor am Badischen Staatstheater und künstlerischer Leiter der Händel-Festspiele Karlsruhe gewirkt.

Andreas Homoki hatte Fichtenholz als «idealen Nachfolger» für Sophie de Lint bezeichnet und als «ausgewiesenen Experten für Operngesang» vorgestellt. Mit der Berufung von Fichtenholz war seinerzeit allem Anschein nach vor allem die Hoffnung auf eine nachhaltige Steigerung und Verstetigung des sängerischen Niveaus an der Zürcher Oper verbunden.

Eine Nachfolgelösung für den Posten des Operndirektors wurde noch nicht bekanntgegeben. In der kommenden Spielzeit 2021/22 will das Opernhaus Zürich nach dem Amtsantritt des neuen Generalmusikdirektors Gianandrea Noseda unter anderem mit der Arbeit an Wagners Tetralogie «Der Ring des Nibelungen» beginnen.

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